Musical-Premiere im Staatstheater Leben und Lieben in Zeiten der Besatzung

Saarbrücken · Das Musical „Marguerite“ des Oscar-prämierten französischen Komponisten Michel Legrand hatte im Saarbrücker Staatstheater Premiere.

 Die Sängerin Marguerite (Katja Reichert) hat sich mit dem deutschen Wehrmachtsoffizier Otto  (Stefan Röttig) eingelassen. Damit gilt sie im besetzten Paris als Kollaborateurin. Sie liebt aber den Pianisten Armand (Julien Culemann).

Die Sängerin Marguerite (Katja Reichert) hat sich mit dem deutschen Wehrmachtsoffizier Otto  (Stefan Röttig) eingelassen. Damit gilt sie im besetzten Paris als Kollaborateurin. Sie liebt aber den Pianisten Armand (Julien Culemann).

Foto: Martin Kaufhold/martinkaufhold.de ;Martin Kaufhold

Ein neues Musical ist da. Und ja, das wollen wir wiedersehen. „Marguerite“ ist das letzte Musical des französischen Filmkomponisten Michel Legrand (1932-2019) und nun war es an der Zeit, das Stück auch in Deutschland zu zeigen, nachdem es 2008 im Londoner West End uraufgeführt wurde. Am Samstag feierte es im Saarbrücker Staatstheater seine deutsche Erstaufführung.

„Marguerite“ – das ist die Geschichte einer Jazz-Sängerin im Paris der 40er Jahre. Die Wirren des Zweiten Weltkrieges bestimmen das Leben, die Gesellschaft ist geprägt von Judenverfolgung, von Verrat und von Widerstandskämpfern. Doch warum Trübsinn blasen, wenn es auch anders geht? Marguerite kommt das Leben, das ihr der deutsche NS-Offizier Otto bietet, entgegen. Als dessen Mätresse genießt sie Luxus und feiert mit ihren vermeintlichen Freunden. Doch innerlich sehnt sie sich auch nach Leidenschaft. Diese findet sie bei dem jungen Musiker Armand. Doch der Preis ist hoch. Um mit Armand zusammen zu sein, müsste sie auf das luxuriöse Leben verzichten. Und das will sie nicht... Daran scheitert sie.

Die Geschichte ist einfach, die Sprache ist es auch. Der Rahmen sorgt für Spannung, die Handlung für Dramatik. Dass Michel Legrand sein Handwerk als Filmmusik-Komponist beherrschte, wird auch bei „Marguerite“ deutlich. Legrand, der rund 200 Filme vertonte, fünf Grammys und drei Oscars gewann, versteht es allzu gut, Stimmungen mit seiner Musik zu malen. Er schlittert vom militärischen Marsch in einen frischen Swing und setzt mit ausgefeilten Chorsätzen gefällige Akzente. Dann wieder sprudeln Emotionen nur so hervor, etwa wenn der Song „Püppchen aus Porzellan“ ertönt – das allzeit präsente Thema, das man so schnell nicht vergisst. Die intimen Passagen sind wohl dosiert und raffiniert arrangiert.

Subtil und elegant serviert das Orchester unter der Leitung von Stefan Neubert gefühlvolle kammermusikalische Passagen zwischen Hollywood-Romantik und Impressionismus. Ein Höhepunkt des Abends.

Im Kontrast zur gefühlvollen Musik steht die Ausstattung der Bühne, entworfen von Alexandra Burgstaller: Karg und sachlich markieren schwarze Stellwände den Raum des Geschehens. Nur wenige Details unterscheiden zwischen Schlafzimmer und Bunker. Bisweilen hat man das Gefühl, man sehe den bloßen Bühnenraum des Theaters und habe die Seitenwände vergessen. Die stimmigen Kostüme von Tanja Liebermann stechen im Schwarz-Weiß-Gemälde heraus und werden zum Hauptaugenmerk. Die Inszenierung hält sich zurück. Pascale Chevroton wählt den Flügel als zentrale Requisite. Wenn Armand nicht auf ihm spielt, hält er als Esstisch her oder als Bett. Eine schöne Idee, die eine Hommage an den Pianisten Legrand darstellt, wie Intendant Bodo Busse auf der Premierenfeier verrät.

Klar, es ist Krieg und oft ist weniger mehr. Dennoch hätten die ein oder andere Idee die Inszenierung bereichern können, etwa wenn Marguerite merkt, dass sie Armand mehr liebt als sie eigentlich möchte. Hier bleiben Gefühle und Gedanken auf der Strecke.

Die Chorsolisten sind mit Sue Lehmann, Bettina Maria Bauer, Tobias Berroth und Timo Verse gut besetzt. Auch der Opernchor unter der Einstudierung von Jaume Miranda leistet wie immer gute Arbeit. Souverän stellt Stefan Röttig den deutschen Otto dar, der sich durch Einfluss die Gunst der schönen Marguerite kauft. Ausgefeilt sind die Facetten seines Bewusstseins, dass er die Schöne nur wegen des Geldes an seiner Seite hat. Großartig die Akteure der Résistance: Sybille Lambrich als Annette, Nathanael Schaer als Lucien und Robert Besta als Pierrot bereichern die Aufführung mit agilem Spiel und lebendigem Gesang. Markus Jaursch als George, Timo Verse als Hermann und ein Gastauftritt von Musical-Liebhaberin Ingrid Peters bringen Abwechslung ins Geschehen.

Katja Reichert als Marguerite ist stark in der Höhe, in der Tiefe fehlt allerdings Substanz. Sie mimt die oberflächliche Lebe-Frau authentisch, doch weitere Nuancen von Leidenschaft und Zwiespalt einer „Femme fatale“ könnten das Spektrum ihres inneren Konfliktes durchaus erweitern. In Sachen Leidenschaft gerät ihr Liebhaber da mehr in Wallung. Julian Culemanns Wut und Trauer kommen authentisch rüber.

Großes Lob gilt dem Chef des Hauses. Denn er holt zu Zeiten jenseits des Musical-Booms ein unbekanntes Stück nach Saarbrücken. Weiter so. Denn Neuentdeckungen wie „Marguerite“ sind sehenswert.

 Ingrid Peters (Mitte) tritt als Chanteuse im Nachtclub auf. Links: Katja Reichert als Marguerite mit Stefan Röttig als Otto.

Ingrid Peters (Mitte) tritt als Chanteuse im Nachtclub auf. Links: Katja Reichert als Marguerite mit Stefan Röttig als Otto.

Foto: Martin Kaufhold/martinkaufhold.de ;Martin Kaufhold

Termine im Dezember: 12./18./21./26. Dezember. Karten unter Tel. (06 81) 30 92 486.

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