Saarbrücker Staatstheater Busse macht gegen rechte Katastrophenszenarien mobil
Saarbrücken · Von Adorno bis Schwenken: Am Ende der Theaterferien werden am Saarbrücker Staatstheater die Neuen begrüßt und programmatisch eingestimmt
Was für eine Küsschen-Gesellschaft. Am ersten Arbeitstag nach der Sommerpause begrüßen sich die Mitarbeiter des Saarländischen Staatstheaters (SST) im Großen Haus wie eine Groß-Familie. Sogar Kulturminister Ulrich Commerçon (SPD) wird von dem ein oder anderen mit umarmt. Verbal sowieso, denn Generalintendant Bodo Busse dankte seinem Dienstherren für das „starke Zeichen“, das dessen Anwesenheit bei der jährlichen Ensemblebegrüßung bedeutet. Da schlagen wohl zwei Herzen im ähnlichen Polit-Takt – gegen Ausgrenzung und Rechtspopulismus. So hob der Minister in seiner kurzen Rede auf die politische Vorbild-Funktion des Theaters ab, das sich zu einer verbindenden Brücke zu Frankreich entwickelt habe. Das SST stehe für „Weltoffenheit und Zusammenhalt“.
Ähnlich die Äußerungen Busses, der den Mitarbeitern dafür dankte, dass sie durch ihr multikulturelles Miteinander einen Beitrag für eine „ehrlichere und engagiertere Demokratie“ leisteten. Traditionsgemäß fällt die Begrüßungs-Ansprache des Saarbrücker Theaterchefs programmatisch aus – bei Busse auch humorvoll, das weiß man jetzt. Es war sein drittes Mal. Zu hören war beispielsweise, dass er im Sommer anhand der Bäder-Tipps der Saarbrücker Zeitung auf „die Suche nach dem Freibad seines Vertrauens gegangen“ und beim Schwenken ins Schwanken geraten sei. Danach war der Weg zu Theodor W. Adorno und dessen Rede „Aspekte des neuen Rechtsradikalismus“ (1967) zwar abenteuerlich weit, aber ertragreich. Damals wie heute, so Busse über Adornos Analyse, setzten Rechte soziale Katastrophenszenarien strategisch ein, doch „wir müssen etwas dagegen inszenieren“. Denn laut Busse gibt es durchaus eine Sehnsucht nach schwer beantwortbaren Fragen oder nach komplexen Gedanken. Kunst sieht er als „das probate Mittel“ gegen die sehr schnellen Lügen, denn sie kreiere „eine Wahrheit sui generis“. Nocheinmal zitierte er Adorno: „Kunst ist Magie, befreit von der Lüge, Wahrheit sein zu müssen.“
Danach schüttelte der Intendant Hände von 32 Neuen, 13 weitere stoßen demnächst noch zur Mannschaft. Außerdem gab er zwei Personalien bekannt, die sein Führungsteam betreffen. Schauspieldirektorin Bettina Bruinier (44) bleibt weitere zwei Spielzeiten. Ihren zunächst auf drei Jahre befristeten Vertrag hat Busse bis 2021/2022 verlängert. Dann endet auch sein Intendanten-Vertrag. Auch Ballettchef Stijn Celis (55) wird um eine Spielzeit verlängert, ebenfalls bis 2021/2022. Dies entspricht den Regeln. Denn Intendanten sollen potenziellen Nachfolgern personelle Spielräume nicht verbauen. Der Belgier leitet seit 2014 die SST-Company. Er war noch unter Busses Vorgängerin Dagmar Schlingmann verpflichtet und von Busse bereits einmal verlängert worden.
Die Saison beginnt am 25. August mit dem Theaterfest. www.staatstheater.saarland.de