Saarbrücker Theater Ein Saarbrücker Bassmann mit Charakter

Saarbrücken · An der Saarbrücker Bühne war er über Jahrzehnte eine Bank. Nun hat Kammersänger Manfred Bertram aufgeschrieben, was sein „Theaterleben“ ausgemacht hat.

 Große Verwandlung: Sänger Manfred Bertram in der Maske des Staatstheaters.

Große Verwandlung: Sänger Manfred Bertram in der Maske des Staatstheaters.

Foto: Uwe Merkel

Wenn Bühnenkünstler das Erinnern anfangen, trieft oft Bekenntnislyrik. Man rühmt sich selbst und natürlich auch die „großartigen“ Kollegen, mit denen man immer so liebend gern das Rampenlicht teilte. Manchmal wohl auch teilen musste: auf der Bühne hui, dahinter pfui.

Nichts davon aber findet man in Manfred Bertrams Band „Mein Theaterleben“. Über drei Jahrzehnte, von 1974 bis zum allmählichen Ausklang 2006, war der Opernsänger eine feste Größe auf und für die Saarbrücker Bühne. In seiner Rückschau nun dosiert der Kammersänger das Emotionale, sonst meist die Hefe im biographischen Teig, auf die Prise des eben Notwendigen. Bloß auf einer halben Seite handelt Bertram, Jahrgang 1936, etwa seine Kindheit und Jugend in Wermelskirchen ab. Dabei hätte es schon in Kapitel eins genug zu erzählen gegeben. Die Wirren der Kriegszeit zunächst, dann machte Bertram eine Lehre als Polsterer und finanzierte mit dem Tagwerk in einer Möbelfirma auch seinen Gesangsunterricht. Ein hart erkämpfter Künstlertraum.

Bis er 1962 endlich – mit 26 erst – in Köln an der Musikhochschule studieren konnte. Bald sang der Bassmann parallel schon im Kölner Rundfunkchor. „Mit dem ich schöne Konzertreisen nach Berlin, Basel und Venedig machte“, notiert Bertram lapidar. Die Freude daran liest man aber eher aus seinem Lächeln als aus seinen Zeilen. Auch sein erstes Engagement am Verbundtheater Biel/Solothurn und die folgenden drei Jahre in Trier sind eher in Stichworten fixiert. Bis ihn Hermann Wedekind 1974 dann für Saarbrücken verpflichtete. Nach dem Vorsingen war sich Bertram zwar nicht so sicher, ob der quecksilbrige Intendant auch Wort halten würde, „aber der Brief mit dem Vertrag kam“, sagt Bertram.

Drei Jahrzehnte an einem Mehrspartenhaus, das permanente Hin und Her zwischen Oper, Konzert, anfangs noch reichlich Operette und dann auch Musical, dazu das Gastieren: Bertram, für den immer noch jede Opernpremiere in Saarbrücken Pflicht ist (und der immer auch seine Meinung dazu hat), führt darüber auf 130 Seiten eher nüchtern Buch. Hält fest, was er in welcher Spielzeit wo gesungen hat. Lässt oft Kritiker über sich sprechen, auch wenn das nicht nur schmeichelnd ist. So hat Bertram gewissermaßen auch für das Saarbrücker Haus geschrieben, hat eine Chronik und zugleich auch ein Panoptikum des Musiktheaters hier geschaffen, das sich aus vielen Bildern, Briefen, Programmzetteln und sonstigen Zeitzeugnissen speist. Oft hochinformativ, bisweilen auch kurios. Und bemerkenswert! Was man in Saarbrücken alles aufgeführt hat, auch wagte. Zeitgenössisches Musiktheater und kühne Inszenierungen: Bertram stand da öfter auch auf der Bühne, wenn das Publikum „Skandal“ schrie. En passant gibt das heutige Ehrenmitglied des Staatstheaters zudem noch ein bisschen Theaterkunde, klärt etwa über Stimmfächer auf. Manchmal steht all das doch unverbunden nebeneinander, aber bei so vielen Bühnenjahren muss vieles wohl kursorisch bleiben.

Als Charakterbass und Bassbuffo, als Mann also mit Tiefe auch fürs Heitere, sang er rund 125 verschiedene Partien, den „Ollendorf“ im „Bettelstudent“, stand als Pilatus 1991/1992 in der inszenierten „Johannes Passion“ auf der Bühne, war bei der Uraufführung der Kammeroper „Die Reise“ (1997/1998) von Ruth Zechlin und Heiner Müller dabei. Er sei stets ein Schnell-Lerner gewesen, der sich auf Konstitution und Stimme verlassen konnte, meint Bertram.

Vielleicht verschaffte ihm das auch die Luft und Souveränität, sich neben den eigenen Auftritten noch so vehement berufspolitisch zu engagieren: im Betriebsrat, als Ensemblesprecher und langjähriges Mitglied in diversen Gremien der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger. Damit wird man nicht zum Freund der Intendanten und Dirigenten. „Sieben GMDs und Chefdirigenten habe ich hier überlebt“, bilanziert Bertram lachend. Mehr als einmal wollte man ihn vor die Tür setzen. Doch der groß gewachsene Sänger machte das Kreuz breit auf der Bühne und hinter den Kulissen für seine Kollegen. In seinem Buch berichtet der 83-Jährige einiges davon, wenn auch leider nicht alles.

 Uraufführung mit Manfred Bertram (links): In der Spielzeit 1997/1998 war die Kammeroper „Die Reise“ von Ruth Zechlin und Heiner Müller in Saarbrücken zu sehen. Auf der Bühne auch Helene Lindquist und Andrew Murphy.

Uraufführung mit Manfred Bertram (links): In der Spielzeit 1997/1998 war die Kammeroper „Die Reise“ von Ruth Zechlin und Heiner Müller in Saarbrücken zu sehen. Auf der Bühne auch Helene Lindquist und Andrew Murphy.

Foto: bub/Becker && Bredel

Manfred Bertram: „Mein Theaterleben“, 134 Seiten, erhältlich u.a. beim Kartenvorverkauf des Staatstheaters.

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