„Wooden Cloud“-Kunstprojekt Eine Wolke aus Wünschen für Ramallah

Saarbrücken · Martin Steinerts „Wooden Cloud“-Kunstprojekt zieht immer weitere Kreise. Ab Juni installiert der Saarbrücker Künstler eine neue Holzlatten-Skulptur in Ramallah im Westjordanland.

 So sieht Martin Steinerts Entwurf der „Wooden Cloud“ für Ramallah aus. Die Skulptur soll dort in einem beliebten Park entstehen.

So sieht Martin Steinerts Entwurf der „Wooden Cloud“ für Ramallah aus. Die Skulptur soll dort in einem beliebten Park entstehen.

Foto: Martin Steinert/Michael Siffrin/Martin Steinert

Eigentlich kann Martin Steinert kaum fassen, was sich aus seiner ersten „Wooden Cloud“ entwickelt hat. Erstmals installierte er eine solche Holzlatten-Skulptur 2014 in einer Kirche im österreichischen Feldkirch. Seitdem ist der 60-jährige Künstler in Europa unterwegs, realisierte bis heute vier weitere seiner beeindruckenden Holz-Wolken: in der Saarbrücker Johanneskirche, in St. Petersburg (2016), in Berlin (2017) und in Paris (2018). Grobe Holzlatten sind seit Jahren sein Arbeitsmaterial, daraus baut der Künstler Skulpturen, die mittlerweile nicht nur als „Wooden Clouds“ gefragt sind. So arbeitete er in Belgien an einer Museumsfassade, im Ruhrpott und im Wassergarten von Göttelborn-Reden entstand die Installation „Kumpel“ zum Ende des Bergbaus im vergangenen Jahr. Gerade ist Steinert aus Prag zurückgekehrt, wo im kommenden Jahr eine „Wooden Cloud“ entstehen wird – auf einer Insel in der Moldau „mit Blick auf die berühmte Karlsbrücke“, erzählt der Saarbrücker Künstler.

Doch in zwei Wochen geht es erst einmal nach Ramallah im Westjordanland. Dort hat der Künstler den Auftrag, eine „Wooden Cloud“ im zentralen „Istiqlal Park“ zu realisieren. Wie immer werden die Menschen vor Ort eingebunden sein, indem sie ihre Wünsche und Träume auf die Holzlatten schreiben, die später zum Kunstwerk werden. Das ist das Konzept seiner Kunst, für die Steinert nicht nur Zustimmung erhält. Allzu leicht zugänglich sei das alles, werfen ihm Kritiker vor – und immer das Gleiche. Mittlerweile kann er ganz gut mit dieser Kritik leben, denn die „Wooden Clouds“ sind ein Erfolg. Sie bringen Menschen zueinander.

Dieses Potential hat auch das Goethe-Institut in Ramallah erkannt und Steinert und sein Team eingeladen, eine „Wooden Cloud“ zu installieren. Ramallah ist ein politisch aufgeladener Ort, autonom verwaltet von den Palästinensern, gelegen im von Israel seit dem Sechstagekrieg 1967 besetzten Westjordanland, auch bekannt als West Bank. Rund 40 Prozent des Westjordanlandes sowie der Gaza-Streifen gehören zu den autonomen Palästinensergebieten. Es ist ein Ort mit reichlich sozialem und politischem Sprengstoff, an dem eine  arabisch-muslimische Mehrheit auf christlich-arabische und jüdische Minderheiten trifft und der Konflikt zwischen vertriebenen Palästinensern und israelischen Besatzern und immer neuen israelischen Siedlern weiter schwelt und regelmäßig aufflammt. Steinerts „Wooden Cloud“ als Wolke der Wünsche und Hoffnungen passt daher bestens nach Ramallah.

Wie kam es aber überhaupt zu dem Kontakt? Eine offizielle Delegation aus dem Westjordanland hatte Steinerts „Wooden Cloud“-Installationen bei einem Besuch im Saarland und im Kuba-Kulturbahnhof in Saarbrücken kennengelernt und war begeistert. Denn Steinert bringt mit seinen „Holzlatten-Architektur der Wünsche“ Menschen zusammen, indem er sie in den Entstehungsprozess des Kunstwerks einbindet. Über die Skulptur kommen sie ins Gespräch miteinander, tauschen sich aus, erzählen von ihren Ideen, Hoffnungen, Träumen, Ängsten – und schreiben sie auf die Holzstäbe. So  entstehen Moment­aufnahmen gesellschaftlicher Befindlichkeiten, denn „die „Wooden Clouds“ sind temporäre Objekte, die wieder aus dem öffentlichen Raum verschwinden – nicht aber, ohne Spuren zu hinterlassen. Das hoffen jedenfalls Martin Steinert und sein mittlerweile bewährtes Team, darunter der Fotograf André Mailänder und die französische Filmemacherin Mathilde Nodenot, die ihn auch dieses Mal begleiten werden. Zu den bereits umgesetzten „Wooden Clouds“ gibt es jeweils Publikationen, zum Berlin-Projekt auch einen Film. „Die Skulptur dient als Projektionsfläche für soziale Konflikte“, erzählt Steinert. Vor allem am Richardplatz in  Berlin-Neukölln, wo viele Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen leben, habe die „Wooden Cloud“ für viele Diskussionen gesorgt. So erhoffe er sich das auch für Ramallah.

Auch zu diesem Projekt wird ein Buch entstehen. „Es soll umfangreicher als die vorherigen werden und Beiträge von bekannten israelischen und palästinensischen Autoren enthalten“, kündigt Martin Steinert an. Das Buch soll in Arabisch, Englisch, Französisch und Deutsch erscheinen. Finanziert wird das Projekt vom Goethe-Institut und vom Französischen Konsulat in Ramallah.

Martin Steinert freut sich auf neue Begegnungen mit der muslimisch-arabischen Kultur und deren berühmte Gastfreundschaft. Bei seinem ersten Besuch vor wenigen Wochen nahm er den für die „Wooden Cloud“ vorgesehenen Standort in einem beliebten Park im Herzen der Stadt in Augenschein. „Ich bin sehr gespannt“. Am 8. Juni geht es los.

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