Saarbrücker Filmhaus „Ballade von der weißen Kuh“: Ein kraftvoller Film aus dem Iran über Schuld und Sühne
Saarbrücken · Der Film „Ballade von der weißen Kuh“, in Saarbrücken zu sehen, erzählt von einer Witwe im Iran, die nach dem Unschuldsbeweis ihres hingerichteten Mannes um eine Entschuldigung des Justizapparats kämpft – und Hilfe bekommt.
Der Anruf ist ein Schock – aber es ist nicht der erste, den Mina seit der großen Tragödie ihres Lebens, der Hinrichtung ihres unschuldigen Ehemannes, erlebt. Mehr als ein Jahr liegt das zurück, doch die Witwe weigert sich, das Schwarz abzulegen. Für die Justiz ist die Hinrichtung eines Unschuldigen mit dem der Witwe zugesprochenen Blutgeld abgegolten. Für Mina ist die kaum zu verkraftende Tragödie allerdings nicht mit der Auszahlung gesühnt. Sie weigert sich, diese Sühne zu akzeptieren oder ihre Trauer aufzugeben.
Das ist die Ausgangslage des herausragenden iranischen Films „Ballade von der weißen Kuh“. In der Gesellschaft ist Mina als Witwe schutzlos. Der Verlust des Ehemanns gibt ihr keinen Sonderstatus, sondern lässt sie in der sozialen Hierarchie abrutschen. Als alleinstehende Frau hat sie kein Anrecht auf eine neue Wohnung – gesetzlich schon, aber faktisch nicht, da kein Vermieter sie annimmt; zudem muss sie ihre gehörlose Tochter Bita (Avin Purraoufi) mit ihrem Job in der Fabrik alleine durchbringen.
Andere Familienangehörige hat sie keine mehr. Nur die Frau des Vermieters hilft gelegentlich mit Essen und ein wenig Weisheit aus. Bis der Richter Reza (Alireza Sanifar), der zunehmend Reue über das Todesurteil empfindet, vor ihrer Tür steht. Ohne seine wahre Identität preiszugeben, bietet er Mina als angeblicher Freund des Toten seine Hilfe an.
Nachdem sie die scheinbar helfende, tatsächlich aber gebieterische Hand ihres Schwagers zurückschlagen und immer wieder gegen den Justizapparat anrennen musste, ist Rezas Unterstützung die erste wirkliche Hilfe. Beide kämpfen aus unterschiedlichen Gesellschaftspositionen gegen den religiösen Starrsinn, der jeglicher Diskussion immer wieder einen Riegel vorschiebt. „Gottes Wille“ ist in Rechts- und Trauerfragen immer schnell bei der Hand – nicht als tatsächliches Fundament eines ethischen Standpunkts, sondern als sichere, weil unantastbare Floskel. Die sich allmählich andeutende Beziehung verwächst zu einem unauflösbaren Geflecht von Reue und Trauer.
Das Regie-Duo Behtash Sanaeeha und Maryam Moghaddam (die auch die Hauptrolle der Mina spielt) spinnt dieses Geflecht mit einer beeindruckenden Kontrolle. Dramaturgie und Inszenierung sind so dicht gehalten, dass sie keine Leerstellen für den Zuschauer lassen. Die spürbare emotionale Aufrichtigkeit spiegelt Minas Widerstand gegen den Zynismus eines Systems wider, das die Hinrichtung eines Unschuldigen mit Geld sühnt.
Die Faszination des Films liegt im Spagat zwischen dem Ausleben von Aufrichtigkeit und dem Zwang, gesellschaftskonform aufzutreten. Kraftvoll führt die Regisseurin ihre Figur durch diese Zerrissenheit. Der Kraftakt hinter der gewahrten Fassung ist ebenso spürbar wie die Größe der Trauer.