Saarbrücken Kulturdebatte in der Alten Feuerwache

Saarbrücken · An historischer Stätte haben drei Expertinnen am Sonntag darüber diskutiert, wie Kunst und Kultur in der heutigen Zeit vermittelt werden können. Unter anderem ging es auch um die Folgen der Pandemie.

 An der Diskussionsrunde beteiligte sich auch die neue Saarbrücker Kulturdezernentin Sabine Dengel.

An der Diskussionsrunde beteiligte sich auch die neue Saarbrücker Kulturdezernentin Sabine Dengel.

Foto: BeckerBredel

Es war noch die hohe Zeit der politischen Devise „Kultur für alle“, als Oskar Lafontaine vor 40 Jahren als Saarbrücker Oberbürgermeister die Alte Feuerwache als neue Staatstheater-Spielstätte mit einweihte. „Der Umbau zur kulturellen Nutzung ist ein Versuch, Schwellenängste abzubauen“, zitierte ihn Chefdramaturg Horst Busch am Sonntagmorgen in einer Diskussionsrunde zum Thema Bedeutung von Kunst und Kultur heute in eben dieser Alten Feuerwache.

 Andrea Jahn, Vorstand der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz.

Andrea Jahn, Vorstand der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz.

Foto: Iris Mauer

Ob Lafontaine heute noch Schwellenängste an die erste Stelle gesetzt hätte? Das kulturpolitische Denken habe sich stark gewandelt, sagte dazu Sabine Dengel, die neue Kulturdezernentin der Landeshauptstadt. Damals, am Ende der klassischen Industriemoderne, habe man mit „Kultur für alle“ oder „Politik für alle“ auch sagen wollen: „Wir sind eine Gesellschaft von Gleichen“. Im heutigen Liberalismus habe die Kultur zwar einen viel höheren Stellenwert, doch es sei nicht mehr das Gleiche für alle gefragt, sondern das Besondere. Statt unterschiedlichen Gruppen den Zugang zur Kultur zu ermöglichen, müsse man heute „sehr intensiv zielgruppenspezifisch arbeiten, um alle zu erreichen, das ist eine ganz andere Aufgabe“, erklärte Dengel den Unterschied und erwies sich auch ansonsten mit ihrem soziologisch-politikwissenschaftlichen Blick auf die Kultur als große Bereicherung in dieser Runde.

Was das für das Museum bedeutet, hatte kurz zuvor Gast Nummer zwei, Andrea Jahn, Vorständin der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, so erläutert: Man müsse immer wieder die Initiative ergreifen, um beim Publikum Interesse und Neugier zu wecken für die Sammlungen, müsse genau überlegen, welche Besuchergruppen man mit welchem Format ansprechen wolle und Bezüge zum Leben der Menschen herstellen. Deshalb hätten sie und ihr Team etwa, um hochkarätige Silberobjekte aus dem 16. Jahrhundert schmackhaft zu machen, das Thema so gedreht, dass man die Geschichte, woher unsere heutige Tischkultur komme, erzähle.

 Bettina Bruinier, Schauspieldirektorin am Saarländischen Staatstheater.

Bettina Bruinier, Schauspieldirektorin am Saarländischen Staatstheater.

Foto: Saarländisches Staatstheater/HONKPHOTO HOLGER KIEFER

In der durch Corona beschleunigten Digitalisierung sehen sowohl Jahn als auch Podiumsgast Nummer drei, Schauspieldirektorin Bettina Brunier, nicht so sehr eine Bedrohung ihrer Kultur-Institutionen, sondern eine Chance: Die Menschen merkten jetzt, was ihnen gefehlt habe. Nach Überzeugung Bruniers kann das Theater besonders als Ort der „Gemeinschaftsbildung“, als „Resonanzraum“ für die Gesellschaft und als Ort der „Wahrhaftigkeit“ punkten. Statt bloß auf das Besondere, auf Hypekultur zu setzen, könne es dem Zuschauer, der Zuschauerin die Erfahrung des „Ich bin gemeint“ ermöglichen.

Kulturdezernentin Dengel brachte noch eine These in diese Dreier-Runde ein, die sich unter Moderation von Busch über eineinhalb Stunden die Bälle kooperativ zuspielte. Dengel ist überzeugt, „dass man mithilfe von Kunst auch lernen kann, dass wir nicht alles verstehen können“ und so besser aushalten, dass die Lage so komplex sei. Gegen den Wunsch nach „Vereindeutigung“, nach einem Schild neben den Museumsbildern, die diese restlos erklären sollen, stellt Dengel die These, dass man durch Kunst lernen kann, Mehrdeutigkeit gar als Genuss zu empfinden.

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