Saarbrücker Kulturzeitschrift „Saarbrücker Hefte“ sehen sich vor dem „finanziellen Aus“

Saarbrücken · Im Januar noch feierten die „Saarbrücker Hefte“ ihren 65. Geburtstag und legten die 120. Ausgabe vor – jetzt sieht sich die halbjährlich erscheinende Zeitschrift „vor dem finanziellen Aus“, wie sie mitteilt:   Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) hat eine finanzielle Unterstützung des 1955 von der Stadt Saarbrücken gegründeten Blattes für 2020 abgelehnt – es geht um 10 000 Euro pro Jahr für die Druckkosten und den Vertrieb des Magazins, deren Redaktion ehrenamtlich arbeitet.

 Ausgabe 120 der „Saarbrücker Hefte“, mit einer kritischen Titelgeschichte über Annegret Kramp-Karrenbauer.

Ausgabe 120 der „Saarbrücker Hefte“, mit einer kritischen Titelgeschichte über Annegret Kramp-Karrenbauer.

Foto: SBH/Saarbrücker Hefte

Die Stadt begründet die Ablehnung mit den Unwägbarkeiten, die die Corona-Krise mit sich bringt und den „zahlreichen Notlagen an unterschiedlichen Stellen“. Ob die Stadt die „Hefte“ ab 2021 wieder unterstütze, sei noch „nicht abzusehen“, heißt es in dem Schreiben des OB-Büros an die Redaktion der „Saarbrücker Hefte“. Ohne diese Unterstützung sei „die Existenz der Zeitschrift akut gefährdet“, teilt die Redaktion mit und zeigt sich enttäuscht von der Absage und auch verwundert,  da sich doch aktuell die Bundesregierung „um die finanzielle Unterstützung der von der Corona-Krise materiell besonders betroffenen Kulturschaffenden bemüht“.

Offener Brief

Um auf ihre Lage aufmerksam zu machen, haben die „Hefte“ nun einen Offenen Brief an Oberbürgermeister Conradt geschrieben: Im Oktober habe die Redaktion um ein Treffen mit dem neuen OB gebeten, um ihr Konzept vorzustellen und über die „finanzielle Zukunft zu sprechen“, heißt es im Brief. Zu einem Treffen sei es nicht gekommen, am 29. April habe man dann die schriftliche Absage des Zuschusses für 2020 erhalten. Die Redaktion der „Hefte“ wundert sich darüber, dass der Brief des OB vom 23. April an viele Kulturschaffende, um deren Situation in der Corona-Pandemie zu erfragen, nicht auch an die „Hefte“ gegangen sei. „Wir versuchen zu verstehen, warum Sie keine Stellungnahme der ‚Saarbrücker Hefte‘ in Betracht zogen“, heißt es in dem Offenen Brief, „gehören die ‚Saarbrücker Hefte‘ in Ihren Augen nicht zur Kultur dieser Stadt?“

In dem Brief erläutert die Redaktion die Historie der Zeitschrift: Erstmals 1955 herausgegeben vom Saarbrücker Kultur- und Schulamt, werde die Zeitschrift seit 1989 vom gemeinnützigen Verein „Saarbrücker Hefte e.V.“ getragen. Die finanzielle Unterstützung sei 2006 auf Beschluss der damaligen CDU/FDP-Koalition eingestellt worden. Daraufhin habe die damalige Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) eine jährliche Unterstützung über 10 000 Euro aus ihrem Verfügungsfond zur Verfügung gestellt.

Prämierter Text über Röders NS-Vergangenheit

Die „Hefte“ verweisen auf ihre bundesweite Resonanz: 2018 wurde Autor und Ex-Redakteur Julian Bernstein mit dem „Alternativen Medienpreis“ ausgezeichnet, für seinen „Hefte“-Text „Historiker als Mythenproduzenten“ über die NS-Vergangenheit des früheren saarländischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Röder (CDU).

Die Arbeit an Heft 121 sei weit fortgeschritten. „Uns ist bewusst, dass wir keinen unverrückbaren Anspruch auf öffentliche Mittel haben. Jedoch ist die Existenz der ‚Saarbrücker Hefte’ durch diese Absage gefährdet. Wir wünschen uns, dass darüber offen gesprochen und auch öffentlich diskutiert wird. Daher bitten wir Sie, Herr Oberbürgermeister, Ihre Entscheidung zu überdenken und Ihre Entscheidungsgründe der saarländischen Öffentlichkeit mitteilen.“

Die jüngste Ausgabe der „Hefte“ enthielt eine geharnischte Kritik an Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Der Verdacht kann aufkommen, dass die Streichung der Unterstützung politisch motiviert sein könnte, sind die „Hefte“ mitunter deutlich in ihrer Kritik; unter anderem mit dem Anstoßen der Röder-NS-Debatte werden sie sich in einigen CDU-Kreisen wohl wenige Freunde gemacht haben.

Stellungnahme der Stadt

Auf SZ-Nachfrage bei der Stadt teilt Stadtpressesprecher Thomas Blug mit, die „Begründung von Seiten des OB-Büros, warum vorerst keine Förderzusage erfolgen kann“, habe „Bestand“. (...) „Die Corona-Pandemie versetzt uns alle in eine Ausnahmesituation. Sie hat bereits soziale Notlagen verschärft und sie wird neue schaffen. Unter anderem waren bereits Initiativen, die sich um die Versorgung von Bedürftigen kümmern, auf eine stärkere Unterstützung der Stadt angewiesen. Wir wissen heute noch nicht, wie sich die Pandemie in den kommenden Monaten entwickeln wird. Und wir kennen noch nicht das Ausmaß der sozialen Folgen der ersten Welle, die wir gerade erst überstanden haben. Vor diesem Hintergrund wird es vorerst keine Förderzusage für die ‚Saarbrücker Hefte’ geben.“

Die Redaktion und der Trägerverein wollen sich nun um alternative Finanzierungsmöglichkeiten bemühen. Gedacht ist unter anderem an eine Crowdfunding-Kampagne.

Den Offenen Brief und Kontaktmöglichkeiten unter: www.facebook.com/saarbrueckerhefte/ und ww.saarbrücker-hefte.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort