Die Karikaturen von Roland Stigulinszky sind saarländisches Kulturgut Der Meister des leisen Schmunzelns ist tot

Saarbrücken · Beinahe 70 Jahre war Roland Stigulinszky kreativ tätig. Seine Spitze Feder war in den 60er Jahren legendär. Am Ende schrieb er lieber als zu zeichnen – mit „Vergnügen am Unsinn“. Er wurde 95 Jahre alt.

Ein engagierter Saarländer: der Saarbrücker Karikaturist und Autor Roand Stigulinszky.

Ein engagierter Saarländer: der Saarbrücker Karikaturist und Autor Roand Stigulinszky.

Foto: Oliver Dietze

Er konnte so was von treu sein. „Stig“ rief an, noch in hohem Alter. Mindestens einmal im Jahr, nicht nur in alter Verbundenheit mit der „Saarbrücker Zeitung“, für die er einst arbeitete, zwischen 1962 und 1967. Damals wurde Roland Stigulinszkys Kürzel „Stig“ zum Kult, durch  die politische Karikatur auf Seite 2 der SZ. Nein, Stig, wie ihn alle nannten, wollte sich nur mal bedanken für die guten Momente, die die Zeitungslektüre ihm immer noch bot. Komplimente konnte Stigulinszky  gut, Selbstironie und Anekdotisches sowieso, und Bonmots  gehörten nun mal zum Gesprächs-Standard dieses Mannes, der beruflich als Grafikdesigner, Werbetexter und PR-Mann unterwegs gewesen war und als Autor und Karikaturist zum Meister des leisen Schmunzelns wurde. Altersscharfsinn und Heiterkeit tanzten bei Stigulinszky Ringelrein. „Das Leben besteht aus Ansätzen, Absätzen und endet mit Entsetzen“, konnte er beispielsweise unvermittelt sagen. Und womöglich war es auch bei ihm am Ende so, als er 2019 seine Frau Bruni verlor, mit der er über 70 Jahre verheiratet war. Eine unverbrüchliche Partnerschaft und große Liebe, über die Stigulinszky 2015 im Gedichtband „Eiserne Hochzeit – Rostfreie Gedichte“ schrieb, humoristisch, frivol, zärtlich. Als Bruni  starb, wurde es auch um Stigulinszky, der bereits an Alzheimer erkrankt war, dunkel. Sein letztes Lebensjahr verbrachte er in einem Altersheim in Kleinblittersdorf.   

Sein Sohn Bernhard berichtet, dass die Wortfindungsstörungen für Stig, der ein Mann des Wortes war, am Ende seines Lebens die ärgste Prüfung bedeuteten. „Ausgezeichnet“ hatte er schon lange, die spitze Feder gehorchte nicht mehr. Als Autor bediente Stigulinszky dann ab den 80er Jahren nicht die große Form, sondern liebte Lyrisches, Episodisches, mischte alle nur möglichen Genres in seinen Veröffentlichungen, etwa in der jährlich herausgegebenen „Afternoonsense“-Reihe:  kabarettistisch anmutende Kommentare,  Kurzgeschichten, essayistische Abhandlungen, Reiseeindrücke, Haikus, parodistische Szenen, schalkhafte, schrullige oder anzügliche Einwürfe.

Als ihm die Stadt Sulzbach 2013 die Ausstellung „Querschnitt und Rückblick“ widmete, inszenierte Stigulinszky  sein Werk als wilde Collage aus Cartoons, Plakaten, Signets, Werbeanzeigen, Imagekampagnen und Kalendern. Und natürlich war „Der Tintenfisch“ präsent, das „humoristische Blatt“ aus dem Saarland, für das Stig zwischen 1948 und 1953 Zeichnungen fertigte, der damalige Ministerpräsident Johannes Hoffmann, „der Dicke“,  war sein  Lieblings-Sujet. Diese satirischen Polit-„Bilder“ sind nicht wegzudenken aus der hiesigen Regionalgeschichte, sind identitätsstiftendes Kulturgut. Stigulinszky dürfte einer der bedeutendsten Zeitzeugen des saarländischen französischen Sonderwegs in der Nachkriegszeit sein.

Ein politischer Kopf war er sowieso, ein engagierter publizistischer Begleiter des Saar-Polit-Lebens. Er stritt für Presse- und Meinungsfreiheit und vertrat, was kaum einer wusste, die Interessen von Freiberuflern, ehrenamtlich, unter anderem als Präsident des Bundes Deutscher Grafikdesigner. 1987 bekam er den saarländischen Verdienstorden. 

Roland Stigulinszky im Garten seines Saarbrücker Hauses.

Roland Stigulinszky im Garten seines Saarbrücker Hauses.

Foto: Robby Lorenz

1926 wurde Stigulinszky in Saarbrücken geboren, machte Notabitur, zog in den Zweiten Weltkrieg, kam in russische Kriegsgefangenschaft. Als sehr junger Mann startete er direkt nach dem Krieg seine freiberufliche Karriere als Grafikdesigner, heuerte beim Fernsehsender Telesaar (1953-58) an, wo er im Studio die  Programmvorschau zeichnete. Auch in überregionalen Blättern platzierte er seine Karikaturen, bei der „Süddeutschen“, im Magazin „Pardon“ oder bei „Twen“. 

In der öffentlichen Wahrnehmung ging bei den zahlreichen kreativ-künstlerischen Aktivitäten meist unter, dass der „Broterwerb“ von Stig in der PR- und Werbebranche lief – und der vierköpfigen Familie ein angenehmes Leben ermöglichte. Große Firmen gehörten zu den Kunden, beispielsweise „Villeroy und Boch“, Saar Metall, BASF. Als Soldat hatte Stigulinszky das Fliegen gelernt – und behielt es als Privatmann bei, besaß eigene Maschinen, um in sein Haus auf Sylt zu fliegen. Bis ins hohe Alter gab es kaum eine Konzertreihe (Klassik, Jazz), für die er kein Abonnement besaß.

Stig hatte zweifelsohne ein gutes, ein vitales Leben, verließ seine Heimat nie und eroberte sich im „Winkel“ Saarland die freigeistige Querköpfigkeit und Originalität, die ihn zu einer selten markanten Erscheinung im hiesigen Kulturleben machten.

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