Die „Rocky Horror Show“ in der Gebläsehalle In Straps und Strümpfen zum Neunkircher Publikums-Hit

Neunkirchen · Die neue „Rocky Horror Show“ in Neunkirchen ist ein hochtouriges Mitmach-Musical – trotz manchmal dünner Stimmen.

 „Er hat das Franz-Eder-Prüfsiegel“: Frank ´N´ Furter (Andreas Wolfram) schaut beim Höschen-Lupfen ganz genau hin und stellt fest, dass Rocky (Nils Haberstroh) durchaus Eder-Qualitäten hat – eine Reminiszenz an den Neunkircher Bodybuilder und Gelegenheitspornodarsteller Franz Eder.

„Er hat das Franz-Eder-Prüfsiegel“: Frank ´N´ Furter (Andreas Wolfram) schaut beim Höschen-Lupfen ganz genau hin und stellt fest, dass Rocky (Nils Haberstroh) durchaus Eder-Qualitäten hat – eine Reminiszenz an den Neunkircher Bodybuilder und Gelegenheitspornodarsteller Franz Eder.

Foto: Jörg Jacobi

Wann darf man einen honorigen Oberbürgermeister schon mal ungestraft so richtig nass machen? Die „Rocky Horror Show“ macht’s möglich. Und wenn Neunkirchens Noch-OB Jürgen Fried eben, wie jetzt zur Premiere am Donnerstagabend, gern in der ersten Reihe thront, wird er eben mit Konfetti beregnet und abgeduscht. Muss einfach sein. Sonst macht die „Rocky Horror Show“, die enthemmte Mutter allen Mitmachtheaters keinen Spaß. Und die Neunkircher Musical-Produktion macht wirklich Laune. Eine, pardon, richtig geile Show ist das, was Regisseur Thilo Reinhardt aus dem ja nun auch fast schon 50 Jahre alten Travestie-Tralala da rausgekitzelt hat.

Dem größten Manko der Gebläsehalle, dass die Bühne nur wenig Tiefe hat, schlagen Reinhardt und Bühnenbildner Uli Kremer (auch Kostüme) clever ein Schnippchen. Einen Laufsteg haben sie in den Zuschauerraum gebaut – samt Pole-Dance-Stange an der Spitze. Schade nur, dass dieser Catwalk eher selten nur genutzt wird. Ansonsten aber macht Reinhardt, ein versierter Opern-Mann (mehrfach auch im Merziger Zeltpalast tätig), mächtig Zinnober. Er weiß, worauf es ankommt, forciert Tempo und flinken Szenenwitz.

Klar, mit dieser Inszenierung bläst Reinhardt nicht gerade zur Revolution. Letztlich hat das auch etwas Museales, wie diese kollektive Lüsternheit in Straps und Netzstrümpfen doch nah an dem verharrt, was man noch an Filmbildern des Kult-Streifens vor Augen hat. Eine „Rocky Horror Show“ mal konsequent anders, neu zu denken, wäre bei einer Produktion, die auch den kommerziellen Erfolg einkalkulieren muss, aber wohl zu viel erwartet.

 Brad (Jan Schuba, links), noch ganz brav, und Rocker Eddie (Rouven Wildegger Bitz).

Brad (Jan Schuba, links), noch ganz brav, und Rocker Eddie (Rouven Wildegger Bitz).

Foto: Jörg Jacobi

So läuft die Neunkircher „Rocky Horror Show“ dank souveränem Regie-Handwerk und einer gut geölten Bühnentechnik wie am Schnürchen. Vor allem aber, weil der Cast überzeugt, manche Solisten veritabel glänzen. Als Erzähler (auch Dr. Scott) handelt sich Norman Stehr zwar, so will’s die „Rocky“-Tradition, ständige „Boring!“-Rufe ein, wie schlagfertig aber Stehr sich kleine Kabbeleien mit den Zuschauern liefert, das hat Klasse. Auch in Jan Schuba steckt ein Bühnentier. Als braver Brad mit Kassengestell-Brille wirkt er erst nerdiger als eine ganze „Big Bang Theory“-WG. Doch wenn er erst mal losgelassen, dann fegt er mit Mut zum Bäuchlein dreiviertelnackt über die Bühne und singt auch noch bravourös. Wunderbar tranig und fies auch der Riff-Raff, den Oliver Mülich auf die Bühne wuchtet.

Das Energiezentrum des Abends aber heißt Andreas Wolfram: Frau, Mann und alle weiteren 58 Geschlechter, die Facebook bislang kennt, und noch mehr hat er als Frank ’N’ Furter im Leib, ist der personifizierte Sex, noch dazu mit Hammer-Thrill in der Stimme. Kein Wunder, dass in seinem großen Horror-Laden, wo er sich sein Sex-Spielzeug „Rocky“ erschafft (perfekt gestählt und auch noch stark bei Stimme: Nils Haberstroh), ständig die Hütte brennt. Zumal die Band unter Francesco Cottones Leitung musikalisch kräftig anheizt, Tänzerinnen und Tänzer alles geben.

Nicht alle reichen allerdings an solche Extraklasse heran. Anna Hofbauer löst als Janet stimmlich ihren Star-Status fraglos ein. Ihr Spiel aber blieb zumindest in der Premiere kühl. Da müsste unterm Unschulds-Blau ihres Kleidchens eigentlich eine Sexbombe ticken, die zündet, wenn Frank ’N’ Furter und Rocky sie in die Finger kriegen, doch es pufft bloß ein bisschen. Rouven Wildegger Bitz singt mit Herz als Eddie gegen das übergroße Film-Vorbild an, aber Meatloaf hat diese Rolle eben nicht nur mit Körperwucht, sondern auch mit Power in der Stimme geprägt. Und da bleibt dieser Part zu leichtgewichtig. Die ganze Show aber hat Wums und Klasse. Also: hingehen!

Nächste Vorstellungen: 25., 26. 29. und 30. Mai. Die „Rocky Horror Show“ läuft noch bis 23. Juni in der Neunkircher Gebläsehalle.

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