Regisseur Lars Ostmann im Kino Achteinhalb „Ich kann ziemlich genügsam leben“

Saarbrücken · Der Saarbrücker Regisseur Lars Ostmann zeigt am Mittwoch im Kino Achteinhalb seinen Film „Die Insel“ – eine Ode an die Entschleunigung.

 Filmemacher Lars Ostmann (37) aus Saarbrücken.

Filmemacher Lars Ostmann (37) aus Saarbrücken.

Foto: Ostmann

Ein schöner Bogen ist das für Lars Ostmann. Mit seinem Film „Die Insel“ war er bei Festivals in Biarritz und Sevilla eingeladen, in Moskau und Osaka – jetzt geht es zurück nach Saarbrücken, ins Kino Achteinhalb, wo er einst hinter der Theke stand und Karten verkaufte. Am Mittwoch ist der 37-Jährige zu Gast bei der Filmwerkstatt des Saarländischen Filmbüros, wird von seiner Arbeit erzählen und von seiner Laufbahn als Filmemacher; die lief auf den ersten Blick nicht zielgerichtet geradlinig ab, aber vieles greift da schlüssig ineinander.

So gab etwa seine Video-Klang-Installation „Zu Besuch bei Äolus und Terminus“, die 2008 den Medienkunst-Preis des Saarländischen Rundfunks gewann, einen  Anstoß für „Die Insel“; und der Hintergrund seines jüngsten, fast fertigen Films „Ugoku Tokai“ ist ein Stipendium, das den Saarbrücker vor 20 Jahren nach Hongkong  brachte. „Ich wollte damals etwas anderes sehen“, sagt Ostmann;  als Schüler bewarb er sich auf ein Stipendium des „United World Colleges“, wurde angenommen, lebte zwei Jahre mit anderen Schülern aus aller Welt zusammen und machte in Hongkong sein Abitur. Diese Zeit war eine Erfahrung fürs Leben. „Die Filme, die ich jetzt mache, haben viel mit anderen Kulturen zu tun, anderen Denk- und Lebensweisen.“

Zurück aus Hongkong, studierte Ostmann an der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK), für ihn „eine wunderbare Zeit, konnte ich doch in der alten Heimat nochmal ankommen und mich gleichzeitig an der HBK mit viel Freiheit  ausprobieren“. Medienkunst war sein Fach, bei dem er sich „zwischen Kunst und Praxis“ bewegen konnte, Videoclips für Musiker drehte und auch unterrichtete. Parallel dazu jobbte Ostmann beim SR, kümmerte sich etwa „um die Wölkchen und Gradzahlen bei der Wetterkarte“ oder hatte Telefondienst.

 Eine Szene aus Ostmanns Dokumentarfilm „Die Insel“, der im Achteinhalb läuft: Vier Töchter besuchen ihre Eltern, die sich auf einer Insel von der Hektik der Welt zurückgezogen haben.

Eine Szene aus Ostmanns Dokumentarfilm „Die Insel“, der im Achteinhalb läuft: Vier Töchter besuchen ihre Eltern, die sich auf einer Insel von der Hektik der Welt zurückgezogen haben.

Foto: Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf/Ostmann

Nach dem Abschluss an der HBK als Meisterschüler hatte Ostmann „nochmal Lust, wegzugehen“. Da kam ein Stipendium gerade recht und führte ihn 2015/16 nach Japan. Daraus entwickelte sich ein ungewöhnliches  Stellen-Angebot: das eines Nachrichten-Produzenten beim japanischen TV-Sender Fuji-TV – in Berlin. Zwei Jahre arbeitete Ostmann da als Festangestellter, danach frei; aber die endlose Rasanz der Nachrichtenwelt setzte ihm zu, der Zwang, rund um die Uhr erreichbar zu sein und das Handy nie auszuschalten. Nichts für die Ewigkeit also, „aber ich habe für das Filmemachen sehr viel gelernt, gerade was Recherche angeht und das Interviewen“.

Ostmann bewarb sich an der Film­universität Babelsberg Konrad Wolf, wurde angenommen und studiert dort seit 2012 Filmregie. Für Ostmann ist das „eine wunderbare Balance zwischen rein Künstlerischem und zielgerichtetem Arbeiten in einem festen Produktionsrahmen“. Nach einigen Kurzfilmen drehte er als seine Bachelor-Arbeit den Dokumentarfilm „Die Insel“ über ein Paar, das zurückgezogen auf einem Eiland lebt, fernab von Hektik und Luxus. (Auf der Insel hatte Ostmann Jahre zuvor Aufnahmen für seine prämierte Installation gedreht). Ein Film über die Wonnen der Entschleunigung, aber auch über deren Tücken – die vier Töchter des Paares haben sich längst in Richtung Festland und Stadt verabschiedet. „Mir geht es darum“, sagt Ostmann, „dass wir meistens gar nicht mehr den Raum und die Zeit haben, die Signale von uns, von unserem Körper oder von den Menschen um uns herum wirklich mal wahrzunehmen und zu verdauen. Ständig überlegen wir, wie wir jedes noch so kleine Zeitfenster nutzen können. Das ist das Thema.“

  Eine Szene aus „Die Insel“.

Eine Szene aus „Die Insel“.

Foto: Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf/Lars Ostmann

„Die Insel“ erzählt von der Entschleunigung  passenderweise in aller Ruhe, der Film lässt sich Zeit – sehenswert und konsequent ist das. Nur: Eventuell ist das nicht das, wonach das große Publikum sucht oder auch eine förderwillige TV-Redaktion oder Kino-Produzenten. Sprich: „Der Markt“ verlangt nach anderen Filmen. Das ist Ostmann klar, aber er hat eine gewisse Hoffnung: „Ich glaube, dass  immer mehr Menschen versuchen, sich in der Gesellschaft Freiräume zu schaffen, um etwas zu tun, was nicht mit den konventionellen Marktregeln zu erklären ist.“ In seiner Nachbarschaft in Berlin etwa „gibt es Leute, die am Wochenende für alle hier Brot backen – übrigens ein sehr köstliches Brot. Die backen das nicht für Geld, sondern weil sie Brot lieben – und weil sie ihre Nachbarschaft lieben.“ Und da Ostmann seine Arbeit so liebt wie die Nachbarn ihr Brot, schafft er sich auch Freiräume: Mit regelmäßigen Nebenjobs im weiten Feld der Medien, während des Studiums und demnächst dann auch danach. „Das gibt mir die Freiheit, etwas tun zu können, was nicht mit ‚dem Markt‘ zu tun hat, sondern einfach mit meiner Liebe zum Film.“ Dabei ist auch nicht ganz unwesentlich: „Ich kann ziemlich genügsam leben.“

An gleich zwei abendfüllenden Filmen arbeitet Ostmann zurzeit. In Tokio hat er seinen Master-Abschluss „Ugoku Tokai“ gedreht – übersetzt „Bewegte Stadt“. Um eine Karte mit zwölf  besonderen Orten in Tokio geht es, „Orte, die einen etwas anderen Rhythmus haben und eigentlich wie Inseln in der Stadt sind“.  Ein Schauspieler stellte den Stadtmenschen mit der Karte dar, die restlichen Gefilmten sind Laien, das Ganze sieht Ostmann als „fiktionalen Dokumentarfilm“.

 Lars Ostmann bei den Dreharbeiten.

Lars Ostmann bei den Dreharbeiten.

Foto: Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf/Lars Ostmann

Der zweite Film ist eine reine Doku: „Building Common Ground“ heißt sie und geht zurück auf Ostmanns Zeit in dem „United World College“ in Hongkong. 2012 erfuhr er, dass in Deutschland auch eine dieser weltweiten Schulen gebaut werden sollte, Teil einer bewusst völkerverbindenden Bildungsbewegung. Filmisch begleitete er den nach Jahren dann doch erfolgreichen Versuch, in Freiburg die 14. Schule zu errichten – die erste in Deutschland, der  Heimat des Bewegungs-Gründers Kurt Hahn (1886-1974), der 1933 Deutschland verlassen musste. „Gerade jetzt ist es wichtig, dass Menschen weltweit zusammenhalten“, sagt Ostmann. Ein Vierteljahr braucht er wohl noch, um den Film fertigzustellen. Nach acht Jahren Arbeit an „Building Common Ground“ und fünf an „Ugoku Tokai“ ist er jedenfalls ziemlich erleichtert, „dass es mit den Filmen jetzt langsam dem Ende zugeht“.

Mittwoch, 20 Uhr, Kino Achteinhalb, mit „Die Insel“ und einem Gespräch mit Lars Ostmann. www.filmbuero-saar.de

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