Doku „Cicero“ in der Camera Zwo in Saarbrücken Saarbrücker Produzentin drehte gerade Film über Roger Cicero, als der Sänger mit 45 Jahren plötzlich starb

Saarbrücken · Die Saarbrücker Produzentin Katharina Rinderle hat einen Dokumentarfilm über Roger Cicero gedreht. Neun Jahre hat die Arbeit gedauert, in der Mitte der Dreharbeiten ist Cicero überraschend gestorben. Wie hat sie das Projekt zu Ende geführt?

 Der deutsche Jazzer Roger Cicero, der 2016 starb, und sein Vater Eugen Cicero stehen im Mittelpunkt des Films.

Der deutsche Jazzer Roger Cicero, der 2016 starb, und sein Vater Eugen Cicero stehen im Mittelpunkt des Films.

Foto: Latemar Film/Alexander Heil

„Vielleicht bin ich niemand, der schnell aufgibt“, sagt Katharina Rinderle und untertreibt wohl ein wenig. Neun lange Jahre hat sie am Film „Cicero – Zwei Leben. Eine Bühne“ gearbeitet. „Ein Marathon“, sagt die in Saarbrücken geborene Produzentin. Mit einigen Hindernissen und auch großer Tragik: Der Musiker Roger Cicero, von dem der Film erzählt, starb im Alter von 45 Jahren an einem Hirnschlag. 2016 war das, als die Hauptdreharbeiten beginnen sollten. Da lief die Arbeit am Film schon vier Jahre, der Vater und Sohn porträtieren sollte: den gefeierten Pianisten Eugen Cicero (1940-1997) und seinen Sohn Roger, 1970 geboren, der als Sänger Jazz mit Pop verband, dabei ein Millionenpublikum fand.

 Die Produzentin und Autorin Katharina Rinderle, die neun Jahre lang am Film gearbeitet hat.

Die Produzentin und Autorin Katharina Rinderle, die neun Jahre lang am Film gearbeitet hat.

Foto: Latemar

Die Ursprungsidee war unter anderem, „mit dem Sohn vor der Kamera die Lebensstationen des Vaters aufzusuchen, dabei auch mehr über Roger selbst zu erfahren“. Etwa, wie er mit dem großen kommerziellen Erfolg zurecht kam – zwei Tourneen musste er später wegen Erschöpfung absagen. „Es sollte auch darum gehen, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, wie es ihm auf dem Zenit seiner Karriere ergeht oder ob er es sich möglicherweise anders vorgestellt hat.“ Zugleich sollte der Film an die Musik von Eugen Cicero erinnern, der in Vergessenheit geraten sei, „obwohl er zu den Besten weltweit gehörte“.

„Ich wusste, dass ich den Film jetzt erst recht machen musste“

Doch am 24. März 2016 stirbt Roger Cicero überraschend. Das Ende des Filmprojekts? „Ich wusste, dass ich den Film jetzt erst recht machen musste“. Außerdem steckte da bereits so viel Arbeit drin, die wollte man nicht aufgeben.“ Unter anderem ein Interview mit dem legendären Entertainer und Jazzer Paul Kuhn vor dessen Tod im Jahr 2013. „Das alles hat uns immer wieder vorangetrieben“, sagt Katharina Rinderle. Allerdings wird das Projekt erneut gebremst, als bewilligte Fördergelder nach Ciceros Tod zurückgezogen werden. „Ich musste den Film komplett neu aufstellen.“ Die Produzentin findet andere Unterstützer und Kopartner, „es war ein enormes Puzzle“. Zeitgleich bricht der bisherige Regisseur weg. Er sieht sich nach dem Tod Ciceros außer Stande, den Film noch zu verwirklichen. Rinderle sucht einen Filmemacher, der Roger Cicero kannte, und findet Kai Wessel. Der hatte ihn 2009 in seinem Hildegard-Knef-Spielfilm „Hilde“ für eine Nebenrolle engagiert. „Wir haben uns getroffen“, sagt Rinderle, „und gemerkt, dass wir denselben Film, die gleiche Herangehensweise und Vorstellung davon im Kopf haben“.

Vater Eugen und Sohn Roger Cicero.

Vater Eugen und Sohn Roger Cicero.

Foto: Latemar Film/Thomas Blaser

Großes Aufatmen, die Arbeit geht weiter, zusammen mit Editorin Tina Freitag, die parallel zum Dreh das Gefilmte ordnet und schneidet. Hunderte Stunden Material kommen bei Gesprächen mit über 60 Kolleginnen und Kollegen, Familienmitgliedern und Freunden zusammen, darunter Charly Antolini, Till Brönner, Fleurine Mehldau, Gregor Meyle und Ack von Rooyen; dazu Szenen aus Sender-Archiven, Momente von Tourneen, Konzerten und Familienleben. Zwei Jahre schneiden sie am Film, der für die Produzentin immer eines war: ein Kinofilm, keine Doku fürs Fernsehen. „Es gibt eine Eugen-Cicero-Improvisation zu ‚Sunny‘, die ist sagenhaft“, sagt Rinderle, „da dachte ich, auch deshalb gehört es schon ins Kino, mit Dolby Surround 5.1“.

Viel Arbeit beim Ophüls-Festival

 Der junge Roger Cicero.

Der junge Roger Cicero.

Foto: Latemar Film

Mit dem – endlich fertigen – Film jetzt ins Saarbrücker Filmhaus zu kommen, ist eine doppelte Heimkehr: weil Katharina Rinderle in Saarbrücken geboren ist und weil sie früher mehrere Jahre beim Filmfestival Max Ophüls Preis mitwirkte, unter anderem als Redakteurin und Moderatorin. Sie konzipiert und leitet dort Branchenpanels und führt Filmgespräche mit vielen Filmgrößen, darunter Schauspieler Henry Hübchen. Für Film hatte sie sich neben Musik schon immer interessiert, und „bei Ophüls bekam man das ganze deutschsprachige Filmschaffen auch der Schweiz und Österreichs mit, man konnte es richtig inhalieren.“ Als dort 2001 der Film „Das weiße Rauschen“ läuft, knüpft sie unter anderem Kontakte zu dessen damals noch unbekanntem Hauptdarsteller Daniel Brühl, Regisseur Hans Weingartner und dessen Kameramann Matthias Schellenberg. Der engagiert sie aus dem Stand als Produktionsleiterin für seinen Abschlussfilm „Heim“. Die Arbeit am Film begeistert Rinderle, sie merkt, dass sie ihr liegt – und Weingartner/Schellenberg wollen sie für „Die fetten Jahre sind vorbei“ engagieren. Doch Rinderle beendet erst ihr Studium unter anderem in Film und Musik und schließt mit ihrem Diplom zur Kinofilm-Finanzierung ab. Das Thema kommt ihr sehr zupass, als sie nach Stationen am Deutschen Filminstitut, beim Weltvertrieb Beta und ihrer zweijährigen Meisterklasse als kreative Produzentin in Hamburg die Produktionsfirma Latemar Film gründet. „Ich hatte wahnsinnig Lust, eigene Stoffe zu realisieren, mit Filmschaffenden, die ich schätze. Und die Freiheit zu haben, zu entscheiden, welche Filme und internationale Produktionen man machen will.“

Filme und Kinos in der Krise

Kein Projekt hat dabei einen derart langen Atem verlangt wie „Cicero“. Die Kritiken für den Film sind exzellent, das Prädikat „Besonders wertvoll“ gab es auch, zu den ersten Vorstellungen mit Rinderle in Hamburg, Berlin, München, Stuttgart seien „Zuschauer zwischen 18 und 85 Jahren“ gekommen. Das Interesse am Film ist groß; zugleich sorgt sich Rinderle aber um die Situation der Kinofilme und der Kinos: Corona sei da „wie ein Durchlauferhitzer“, sagt sie. „Lange konnte man keine Filme herausbringen, jetzt werden sehr viele gestartet, die dann vergleichsweise nur kurz im Kino laufen, da schon die nächsten Filme warten.“ Ein großer Teil des Kinopublikums sei nach der schlimmsten Corona-Zeit nicht mehr zurückgekommen. „Das trifft gerade die Arthouse-Kinos besonders.“ Rinderles Botschaft: ins Kino gehen, „um die Kinolandschaft und die Vielfalt des Films zu erhalten“.

Der Film läuft am Freitag, 30. September, ab 20 Uhr, und am Sonntag, 2. Oktober, ab 18 Uhr in den Lichtspielen Losheim.

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