Neue Produktion von KorsoOp Rette sich wer kann als Hundebesitzer!

Saarbrücken · Das Saarbrücker KorsoOp-Kollektiv stellt seine vierte Produktion vor: „Lost Puppy“. Das Stück fragt nach den Tücken von Besitz und dem monströsen Eigenleben der Dingwelt. Eine Vorschau.

 Eine Szene aus der neuen Produktion von KorsoOp, „Lost Puppy“. Zu sehen sind Nicolas Marchand, Nadia Migdal und Nina Schopka (von links).

Eine Szene aus der neuen Produktion von KorsoOp, „Lost Puppy“. Zu sehen sind Nicolas Marchand, Nadia Migdal und Nina Schopka (von links).

Foto: KorsoOP/FANGSHENG.CHOU

  Das Werbemotiv von der KorsoOp-Homepage fand Corona-bedingt nicht in den öffentlichen Raum. Doch das Plakat hätte man den Saarbrücker Fußgängern gegönnt: Bulldogge vor  Sonnenuntergang,  „Lost Puppy“ steht drunter, verlorenes „Schoßhündchen“?! Wie ein außerirdisches Monster füllt der Riesen-Kopf das Bild.  Und sofort ist er da, der  charakteristische Moment des amüsierten Verdutztseins, den man von  KorsoOp-Produktionen kennt. Die Mitglieder der freien Saarbrücker Theatergruppe sind Spezialisten darin, handelsübliche Vorstellungen ironisch implodieren zu lassen. Nun denn: Rette sich wer kann als Hundebesitzer! Oder, anders gesprochen: Am besten lässt man  generell die Hände weg von Eigentum, es wohnt kein gut Ding drin.

So könnte die Botschaft der neuen Produktion des KorsoOp-Kollektivs lauten, wäre es nicht ganz und gar abwegig, den anarchischen Spirit der freien Gruppe mit eindeutigen Botschaften in Verbindung zu bringen. Wenn den Bühnenprofis, die sich vor etwa fünf Jahren um die frühere Staatstheater-Schauspielerin Nina Schopka zum KorsoOp-Team zusammengefunden haben, eines fehlt, dann das: Belehrungs- und Verkündigungs-Eifer. Dies, obwohl oder weil die Themen, die man sich vornimmt, hart am Zeitgeist segeln: Mensch und Technik („Babylon Pogo“), Macht und Gehorsam („Das Folgereich“), Apokalypse und Transzendenz („Tristesse Royale“). In diesen drei Produktionen, die als Trilogie konzipiert waren, verließ sich KorsoOp auf das Zufalls-Spiel der Gedanken, der Ästhetik und der  Zuschauer-Interaktion. Diese unkonventionelle Handschrift brachte eine Nominierung beim Berliner Theatertreffen - ein Sesations-Erfolg für eine freie Truppe jenseits der Metropolen, gilt so etwas selbst großen Bühnen doch als Adelsschlag.

Deshalb wird sich das KorsoOP-Inszenierungs-Modell auch beim vierten Stück wiederholen, wie der Schauspieler Nicolas Marchand erklärt, der zur Kerntruppe zählt und bei „Lost Puppy“ mitspielt. Die Premiere ist für den 10. April im Garellyhaus angesetzt, bereits ausverkauft. Es stehen ja auch nur 30 Plätze zur Verfügung. Sollte die Uraufführung  an zu hohen Infektionszahlen scheitern, sind    weitere April- und Mai-Termine festgelegt, auf die man ausweichen kann. Nur Mut also mit der Buchung, auch bei KorsoOp gilt eine Schnelltest-Pflicht. Die Corona-Auflagen dienten der  Truppe zusätzlich als Inspiration für die Inszenierung: Die Zuschauer sitzen in Einzelkabinen hinter Plexiglas - in einer Art theatralen Peepshow.  Die Bühne im Garellyhaus ist gar keine, weil die Schauspieler in einer Performance agieren. Stilistisch kommt also wieder eine theatrale  Collage auf das Publikum zu. Das Thema, sinngemäß: Was du hast, hat am Ende dich. Es geht um Besitz, das womöglich gefährliche Eigenleben der Dinge. Bereichern sie uns wirklich oder zehren sie uns auf? Und sind die Dinge, weil sie längst eine Überzahl gegenüber der Menschheit  erreicht haben, nicht längst an der Macht?

 Zur Text-Basis trägt  diesmal kein einziges Theaterstück bei, sondern es werden Drehbuch-Dialoge aus Filmen, philosophische Texte (Elias Canetti) oder auch Rede-Beiträge von Politikern, etwa von Frankreichs Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy, miteinander kombiniert. Übrigens: Das Kommunistische Manifest, Marx und Engels, kommen nicht vor, und Marchand  versichert, dass das Stück keineswegs in ein Politik- Seminar entarten wird: „Wir haben wie immer viel Humor im Gepäck, es wird Spaß machen. Wir wollen keine bestimmte Haltung erzeugen, sondern emotional und reflexiv etwas auslösen. Am Schluss sollen beim Zuschauer Fragen entstanden sein, die er sich nicht gestellt hätte, wenn er nicht in eine Aufführung gegangen wäre.“

Auch das Team habe einen Selbstbefragungs-Prozess hinter sich, sagt Marchand, der in Straßburg lebt: „Wenn man an einer KorsoOp-Produktion arbeitet, dreht sich plötzlich auch privat alles um das Thema, das man im Stück anpackt.“ Für ihn persönlich bedeutete dies: Er fand sich in seiner eher konsumkritischen Position bestärkt. „Ich habe immer schon lieber mit Freunden etwas unternommen, als irgendwelches Zeugs zu mir nach Hause zu schleppen.“ Auch habe er durch „Lost Puppy“ noch mehr Distanz gewonnen zum Internet-Handel: „Ich möchte kein Imperium mit aufbauen helfen, das seine Mitarbeiter schlecht bezahlt.“ Die Corona-Erfahrungen verleihen nach Ansicht von Marchand dem Stück mehr Relevanz und Brisanz:  „Ich beobachte die Menschen, die jetzt in die Geschäfte rennen, aber das macht sie nicht glücklich, sie sind sehr aggressiv.“ Marchand ist überzeugt: Ihnen gingen immaterielle und soziale Werte ab, doch genau die würden von der Politik nicht priorisiert. Wann, wenn nicht jetzt wäre eine bessere Zeit, um im Theater für diese Schieflage Sensibilität zu erzeugen?

 Lost Puppy

Lost Puppy

Foto: Korso-OP

Premiere: 10. April, 20 Uhr, Garelly Haus, Eisenbahnstr. 14, Saarbrücken (ausverkauft).
Weitere Vorstellungen: 16., 17. April, 2., 6., 7., 8., 14., 15., 16., 22. und 23. Mai, jeweils um 20 Uhr. Info: www.korso-op.com

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