DRP-Konzert Pianist Lars Vogt im Radio statt im Saarbrücker Konzertsaal

Saarbrücken · Der Saarländische Rundfunk musste sein Sinfonieorchester, die Deutsche Radio Philharmonie (DRP), am Donnerstag vergangener Woche nach Hause schicken und alle Konzerte bis April absagen.

Der Virus machte diese Entscheidung wie auch bei allen anderen Kultur-Institutionen, notwendig. Betroffen waren als erstes die beiden „Studiokonzerte extra“ am Freitag und Samstag mit Beethovens fünf Klavierkonzerten, die Lars Vogt spielen und leiten sollte. Vogt bot dem Sender aber eine wunderbare Lösung zum Füllen der Sendeplätze auf SR2 an. Aus seinem Repertoire wurden mit ihm am Donnerstag zwei Klavier-Recitals aufgenommen, die an Stelle der Klavierkonzerte auf SR2 zu hören waren. Mit professioneller Ambition und der Möglichkeit der Korrektur gelangen Vogt Aufnahmen, die faszinierten. Auch, weil beide Sendungen mit ersönlichen Aussagen über Komponisten, Werke und den Interpreten vorzüglich von Roland Kunz im Gespräch mit Lars Vogt moderiert wurden.

Zuerst Mozart, seine Sonate in F-Dur, KV 280. „Mozart versetzt unsere Seele in feinste Schwingungen“, schwärmte Vogt und selbst die Tonaufnahme ließ dies nachempfinden. Gesanglich formte Vogt die Melodien, mozartisch leicht perlten die Läufe, humorvoll gelang das Presto-Rondo. Dann Beethovens sechs „Bagatellen op.126“. Unergründlich in ihrer Aussage, der „Wahnsinn“, wie Vogt meinte, der die kontrastreiche Dynamik und die extremen Tempi überzeugend meisterte. Janacek hat mit seiner „Sonate 1.X.1905“ einem zu Tode gekommenen Demonstranten ein Denkmal setzen wollen. Finsteres es-moll färbt beide Sätze „Vorahnung“ und „Tod“. Ihre herbe Eigenart, die dunkle Leidenschaft trifft die Seele, das Herz. Vogt gelang eine tiefgründige Interpretation. Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“ sind sein zentrales Klavierwerk. Sie sollen „gegen“ das Klavier geschrieben sein, denn die technischen Schwierigkeiten sind enorm. Vogt ließ davon nichts spüren, seine Überlegenheit machte aber auch deutlich: Da spielt kein „Tastenlöwe“, sondern ein „Tastenpoet“. Dass die große dynamische Steigerung hin zum „Großen Tor von Kiew“ der Tontechnik nicht recht gelang, war schade. Aber die Aufbereitung der Lautstärkepegel folgt für den Rundfunk etwas anderen Gesetzen als die Konzertsaaldynamik. Riesenbeifall wäre Vogt sicher gewesen, seine Zugabe dafür war einschmeichelnd: Brahms, Intermezzo op.117/1.

Im zweiten Recital am Sonntag bezwang Vogt, wie er sagte, den „Mount Everest“ der Bachschen Klavierliteratur: Die „Aria mit verschiedenen Veränderungen“, auch „Goldberg-Variationen“ nach dem Cembalisten des Reichsgrafen von Keyserlingk so genannt. Der Fürst soll sie bei Bach zur Aufheiterung seiner schlaflosen Nächte bestellt haben. Für zwei-manualiges Cembalo geschrieben, bereitet das kontrapunktische Meisterwerk den Pianisten auf nur einer Tastatur enorme Schwierigkeiten durch das häufige Übergreifen der Hände. Locker, oft hingetupft und das Metrum aufhebend brachte Vogt Bachs schier unfassbare Konstruktion zum Klingen. Mitunter mit etwas eigenwilliger Betonung der Stimmführung im Bemühen, die Kontrapunktik vor allem der „Canons“ deutlich zu machen. Gut 60 Minuten Spieldauer, die dem Fürsten vielleicht sogar sanften Schlaf beschert haben.

Beethovens letzte Klaviersonate op.111 ist ungewohnt zweisätzig, mit einem energisch-leidenschaftlichen ersten und einem variierten Adagio-Gesang im zweiten Satz. Sie fordern einen technisch überlegenen und feinsinnigen Interpreten. Vogt gelang es mit seiner Aufnahme, die aufgestaute Energie, ihre Entladung und das Einmünden in den tiefsinnigen Gesang der „Arietta“, den extatischen Ausbruch und die Auflösung zu unnennbarem Frieden nachfühlbar zu vermitteln. Großartig.

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