Filmfestival Max Ophüls Preis Drei Kritiken aus dem Ophüls-Wettbewerb

Saarbrücken · Ein Blick auf drei Spielfilme im Ophüls-Festival, die eines gemeinsam haben: sehr gute Darstellerinnen.

  Alina Stiegler im Film „Sprich mit mir“: Tochter Karo hat einige Probleme mit ihrer Mutter – und umgekehrt.

Alina Stiegler im Film „Sprich mit mir“: Tochter Karo hat einige Probleme mit ihrer Mutter – und umgekehrt.

Foto: Antonia Lange

Wo sind die Väter geblieben? Wieso lassen sie ihre Familien so oft im Stich? Und wie kommen die Frauen und Kinder damit klar? Familiendramen sind von jeher ein beherrschendes Thema des Ophüls-Festivals. So auch in diesem Jahr. Auffallend häufig stehen im Spielfilm-Wettbewerb komplizierte Mutter-Töchter-Beziehungen im Mittelpunkt. Die Väter sind, aus welchen Gründen auch immer, hier verlustig gegangen.

Etwa im Film „Sprich mit mir“ über die Mutter Michaela und ihre Tochter Karo. „Sprich mit mir. Jetzt, deine Chance“, fordert die Mutter die erwachsene Tochter auf. Doch da kommt nichts. Karo (Alina Stiegler) wurde gerade von ihrem Freund verlassen und so zögert sie nicht lange, als ihre Mutter Michaela (Barbara Philipp) sie damit überrascht, dass sie eine gemeinsame Woche Urlaub auf Rügen gebucht hat. Michaela lebt schon länger von ihrem Mann Martin getrennt, trifft ihn aber ab und zu noch. Gilt das auch für den Urlaub auf Rügen? Karo grübelt und will ihre Ruhe, doch die umtriebige Mutter möchte sich amüsieren. Als sie im Hotel den gerade geschiedenen Jochen (Peter Lohmeyer) und seine 16-jährige Tochter Marie (Pearl Graw) kennenlernen, nimmt die Geschichte Fahrt auf. Michaela stürzt sich in ein willkommenes Urlaubsabenteuer, aber auch Karo und Jochen kommen sich bald sehr nahe.

In stimmungsvollen Bildern und mit schöner Musik erzählt Janin Halisch, 1984 in Ost-Berlin geboren, von kleinen und größeren Dramen in einer komplexen Mutter-Tochter-Beziehung. Sie lässt einige Leerstellen, gibt den Zuschauerinnen und Zuschauern so Gelegenheit zum Reflektieren. „Sprich mit mir“ ist sehr gut gespielt und einfühlsam erzählt, mit einigen trockenhumorigen Dialogen.  Karo spürt, dass sie ihren Vater vermisst. Stärker, als sie es sich selbst bisher eingestanden hat. Alte Wunden werden aufgerissen, doch nach und nach geben die beiden Frauen etwas mehr von sich preis.  Sie verstehen, dass sie sich von ihren bisherigen Rollen lösen müssen.

„Alaska“

Familiendramen und Coming-of-Age-Geschichten sind im Ophüls-Spielfilm-Wettbewerb meist  stark vertreten. Der Filmnachwuchs erzählt vom Erwachsenwerden und den Bemühungen, einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Oder nach einem Umbruch im Leben wieder neu Fuß zu fassen. So auch in „Alaska“ von Max Gleschinski. Wasser und Wald, Seerosen und Fischreiher, Düsenjäger und Dosengerichte. Ach ja: Indianergeister  soll es auch geben.  Wir sind an der Mecklenburgischen Seenplatte. Und sehen Kerstin (Christina Große), eine schweigsame Mittvierzigerin. Frühmorgens lässt sie ihr altes rotes DDR-Kanu zu Wasser und paddelt los. Abends sucht sie sich einen Campingplatz, baut ihr kleines Zelt auf, löffelt etwas aus einer Konserve und raucht ihre Zigaretten. Am nächsten Tag das gleiche Spiel.

Wo kommt sie her? Wo will sie hin? Das erfährt man erst nach und nach. Kerstin will allein sein. Geht den anderen Menschen aus dem Weg. Das gelingt nicht immer. Es ist Sommer, und in Mecklenburg sind etliche Touristen unterwegs. Da wird die Solo-Frau schon mal nett eingeladen oder unschön angebaggert. Dann mischt sich die junge Alina (Pegah Ferydoni) in Kerstins Leben. Stellt ihr jede Menge Fragen. Die beiden so unterschiedlichen Frauen kommen sich näher.

Alles könnte so schön sein. Doch dann taucht Kerstins Bruder Thomas auf, nebst seiner enervierenden Frau Nina und seinem Sohn Sören. Sie fühlen sich von Kerstin um ihr Anteil am Erbe des Vaters betrogen. Wollen Kerstin zur Rede stellen. Die hat den kranken Vater 20 Jahre lang alleine gepflegt, ihm fast ihr gesamtes Leben gewidmet. Nach seinem Tod, so behauptet Thomas‘ Familie, habe sie ihn einfach  im Haus liegenlassen und sei mit seinem Kajak und seinen Ersparnissen weggefahren.

Regisseur und Autor Max Gleschinski, 1993 in Rostock geboren,  und seinem Team hat  so etwas wie ein „stilles Wasserwander-Roadmovie als elegische Geistergeschichte in vier Kapiteln“ vorgeschwebt.  Der Film beginnt mit langen Einstellungen, nimmt sich Zeit, erklärt nur sehr wenig. Es gibt stimmungsvolle Naturbilder und einige schöne, stille Szenen, auch zwischen Kerstin und Thomas. Doch gegen Ende franst der überlange Film etwas aus, vor allem der Erbstreit nimmt zusehends eher banale Züge an. Etwas weniger irdisches Drama wäre hier vielleicht mehr gewesen.

„Breaking the Ice“

Arbeit und Sport, Familie und Freundschaft, Solidarität und Selbstbestimmtheit. Ach ja: Auch die Liebe gehört dazu. Wir sind im ländlichen Österreich. Und sehen Mira (Alina Schaller), eine junge Frau, die sich zusammen mit ihrer Mutter (Pia Herzegger) um das  Familienweingut kümmert. Ein Knochenjob, zumal der Großvater langsam dement wird. Hart geht es auch im Sport zu. Mira brennt für das Eishockeyspielen in ihrem Team. Sie führt ihre geliebten „Dragons“ als Kapitänin aufs Eis.  Im Frauen-Eishockey sind die Tribünen nur spärlich besetzt und die Mittel knapp, doch Mira und ihre Kolleginnen nebst der strengen Trainerin sind ehrgeizig.

„Mich interessieren Geschichten und Figuren, die sich Stück für Stück, Schicht für Schicht, aufblättern, die Einblicke in ihre Welt(en) freigeben, mit allen Fehlern, Sehnsüchten und Facetten“, erklärt Clara Stern, Regisseurin und Autorin von „Breaking The Ice“. „Mira, meine Hauptfigur, hat viele solcher Facetten und Rollen im Leben – wie die meisten von uns“, so die 1987 geborene Filmschaffende aus Wien.

Alina Schaller im Film „Breaking The Ice“.

Alina Schaller im Film „Breaking The Ice“.

Foto: Geyrhalterfilm/Johannes Hoss

Zu Beginn lernen wir Mira als in sich gekehrte, nachdenkliche, wortkarge Frau kennen. Sie wirkt konzentriert, entschlossen, zuweilen aber auch widersprüchlich, schwankend und suchend. Dann kommt Theresa (Judith Altenberger) neu ins Dragon-Team, und Miras lebenslustiger Bruder Paul (Tobias Resch) taucht wieder auf. Bald ist nichts mehr, wie es war.  Theresa und Paul brechen Miras Eispanzer auf, die beiden jungen Frauen verlieben sich, ziehen mit Paul los in Kneipen und die Disco. Diese Entwicklung erzählt der Film, trotz einiger etwas steifer Dialoge,  behutsam und glaubhaft. Mira lernt, offen für andere und vor allem sie selbst zu sein. Einfache Lösungen liegen Clara Stern fern, der Film ist packend inszeniert und vor allem von Alina Schaller ganz stark gespielt.

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