Neues Festival im Saarland Poprat Saar bringt Großfestival an den Start

Saarbrücken · 40 Ausstellungen, 1000 Fotos, 130 Fotografen – ab 30. August steigt im Saarland erstmals ein Fotografie-Festival. Thema: Popkultur.

„Urban Art – Tag vs. Nacht: Kann Kunst illegal sein?“ fragt Fotograf See Bauer. Zu sehen sind seine Werke vom 2. November bis 29. Dezember im Hotel am Triller in Saarbrücken:

„Urban Art – Tag vs. Nacht: Kann Kunst illegal sein?“ fragt Fotograf See Bauer. Zu sehen sind seine Werke vom 2. November bis 29. Dezember im Hotel am Triller in Saarbrücken:

Foto: Seepia Fotografie | See Bauer

Da ist Grace Jones bei ihrem Auftritt im Saarbrücker Club Number one und Marius Müller-Westernhagen in der Stadthalle Merzig, anno dazumal. Fotografien aus besseren Zeiten? Doch heute tritt die saarländische Metal-Band Powerwolf als Headliner beim Wacken-Festival auf  und schreibt sich ein ins Buch der Metal-Musikgeschichte. Oder wir erleben neue „Phantastische Welten“ der Popkultur, die Fantasy-Bewegung, die sich jährlich in Reden zur „FARK“ trifft. Anders gesprochen: Popkultur erzählt auch regionale Kulturhistorie.

„Das Charmante ist, dass man alles zeigen kann.“ Dieser Satz stammt vom Kurator eines „Ausstellungs-Festivals“ (August 2019 bis April 2020), eines bisher im Saarland nie realisierten Genres. Denn, wann je hätte irgendeine Institution oder ein Minister es fertig gebracht, 40 Ausstellungen zu einem einzigen Leit-Thema auf die Schiene zu bringen, Landkreise, Museen, Szene-Kneipen als Spielorte und Akteure zu gewinnen? Der saarländische Poprat, in dem sich 160 Mitglieder der hiesigen Kulturszene und Kreativwirtschaft zusammenfinden, hat’s geschafft. Das Ergebnis: „Pictures of Pop – Fotografie in der Popkultur“. 130 Fotografen, großteils „local heroes“, liefern 1000 Bilder, meist aus der Musikszene. Gezeigt wird all das, was sich seit den 50er Jahren im Saarland abspielte und entwickelte, sei es  die Open-Air-Kultur in St. Wendel und beim Köllerbacher  „Rocco del Schlacko“, die Saarbrücker Club- und Subkultur-Szene oder Chansons ohne Grenzen des Saarländischen Rundfunks. Dies alles taucht unter fantasievollen Ausstellungstiteln auf, mal heißt es „Zu geil für diese Welt“, mal „Bodybeats - Gefühle in Bewegung“. Mal werden ungeschönte Fotos von Club-Szene-Gängern festgehalten, mal Titel-Fotografien des saarländischen Szene-Magazins „Popscene“ gezeigt. Der legendäre Album-Cover-Künstler Brian Griffin ist als einzige internationale Größe mit von der Saar-Festival-Partie. Nur wenige Fotografen – etwa André Mailänder oder Viktor van der Saar – dürften außerhalb ihrer Insider-Szene bekannt sein.

Ausgestellt wird in der Regel nicht an etablierten Kunst-Orten wie Galerien, sondern in Clubs, Stadthallen, Szene-Lokalen, im Saarpark-Center oder im Landtag. Niedrigschwellig und kostenlos soll das Angebot sein, sprich ein Stück Alltagskultur. „Wir wollen unterhalten, Geschichten erzählen, aber auch die Geschichte der Popkultur im Saarland spiegeln“, sagte Kurator Peter Meyer gestern bei der Präsentation des Festivalprogramms im Historischen Museum Saar. Er  ist zugleich Vorsitzender des Poprates Saar, der den Veranstaltungs-Marathon ehrenamtlich organisiert. Folgerichtig läuft auch die Finanzierung weitgehend jenseits staatlicher Fördertöpfe. Freilich ist Saar-Toto laut Meyer mit rund 20 000 Euro beteiligt. Doch jeder einzelne Fotograf habe sein Netzwerk aktiviert und für die eigene Ausstellung Sponsoren gefunden.  „Jeder hatte die Chance, sich mit Ideen einzubringen und kann sich jetzt kreativ ausdrücken. Das ist eine Win-Win-Situation. Wichtig war, eine Dachmarke dafür zu setzen.“ Das ist geglückt. Katalog und Webseite kommen außerordentlich professionell daher.

Schirmherr von „Pictures of Pop“, ist Ministerpräsident Tobias Hans (CDU), im Katalog kommt zudem Landtagspräsident Stephan Toscani (CDU) zu Wort. Umso mehr überrascht das Fehlen des Kultusministers, von Ulrich Commerçon (SPD). „Er hat für dieses Ausstellungs-Ereignis keine Rolle gespielt“, sagt  Meyer ohne nähere Erläuterung warum.  

Bis April 2020 zieht sich der Eröffnungs-Marathon. Zu jeder Vernissage soll es Live-Konzerte geben, generell sei „Budenzauber“ angesagt, so Meyer, also ein vitales Begleitprogramm mit Poetry Slam, Workshops, DJ-Auftritten. Da rollt offensichtlich ein Fun-Festival an. Zusätzlich verfolgt der Poprat aber auch eine kulturpolitische Mission. Unter anderem mit einer der Exzellenz-Produkte im Portfolio: „Pop-Ikonen im Saarland. Fotos aus drei Jahrzehnten“, fotografiert von Julius C. Schmidt und Ferdi Hartung, einst Mitarbeiter der Saarbrücker Zeitung. Ihre Fotos dokumentieren die 80er Jahre, als sich in der Saarlandhalle Topstars die Klinke in die Hand gaben, etwa Abba, Elton John oder Tina Turner. „Diese Liga kann man ins Saarland holen, wenn die Hallen-Infrastruktur stimmt“, so Meyer. „Wir brauchen eine große Halle für alle“, lautet der Appell an die Politik. Zweifelsohne sendet  „Pictures of Pop“ aber noch eine zweite Botschaft.  Dieses Festival tritt laut Meyer den Beweis an, wie  weit man mit Netzwerk-Arbeit kommen kann, „wenn Spirit und Ziele stimmen“.

Titelbilder des Saar-Magazins „Popscene“ werden bei „Pictures of Pop“ gezeigt. Hier das Cover der Mai-Ausgabe 2015.

Titelbilder des Saar-Magazins „Popscene“ werden bei „Pictures of Pop“ gezeigt. Hier das Cover der Mai-Ausgabe 2015.

Foto: Elena F. Barba
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