Lithografie-Ausstellung im KuBa Saarbrücken Fragmente eines Erinnerungsarchivs

Saarbrücken · Das Saarbrücker KuBa zeigt Zeichnungen von Volker Lehnert. Der Lithograf hatte 2016 auch schon in St. Wendel ausgestellt.

 Diese Lithografie von Volker Lehnert trägt den Titel „Landschäftchen“.

Diese Lithografie von Volker Lehnert trägt den Titel „Landschäftchen“.

Foto: Volker Lehnert

In der derzeitigen Pandemie-Situation ist eigentlich jeder Ausstellungsbesuch ein Highlight. Trotzdem ist die Ausstellung mit Lithografien von Volker Lehnert im Kulturzentrum am Eurobahnhof (KuBa) ein besonderer Leckerbissen. Nicht nur, weil sie ästhetisch und inhaltlich anspruchsvoll ist, sondern weil sie eine ideale Ergänzung zur Ausstellung von Lehnerts Zeichnungen im Jahr 2016 in St. Wendel darstellt. Vor fünf Jahren hatte Lehnert dort unter dem Titel „Geläufiges Gelände. Kritzelbarock“ Zeichnungen präsentiert.

Die im KuBa gezeigten Lithografien zeigen nicht nur Lehnerts zeichnerische Weiterentwicklung, sondern offenbaren auch seine meisterhafte Verwendung von Drucktechniken als Erweiterung von Malerei und Zeichnung. Die Lithografie ist eine sehr traditionelle Druckart und im Grunde nichts weiter als eine Zeichnung, die sich vervielfältigen lässt. In einem Ätzverfahren werden mit fetthaltigen Substanzen aufgebrachte Zeichnungen auf einer Kalkstein- oder Aluminiumplatte fixiert, anschließend mit Farbe bestrichen und gedruckt. Mehrfarbige Blätter entstehen durch mehrere sich gegenseitig ergänzende Drucke.

Lehnerts Ausgangspunkt für die Drucke sind Zeichnungen, die auf Reisen entstehen. Wie ein Besessener zeichnet der in Witten lebende Künstler, was er sieht: Natureindrücke, historische Architektur und urbane Räume hält er mit schnellem Duktus zeichnerisch fest und variiert dabei von einfacher Skizze bis zu detailversessener Architekturillustration. Aus diesem Erinnerungsarchiv bedient sich Lehnert dann zur Ausarbeitung der Lithografien. Dabei greift er Motive auf, verfremdet sie und stellt sie in neue Sinnzusammenhänge.

Was sofort auffällt, ist die zunehmende Abstraktion. Waren die Zeichnungen vor einigen Jahren zwar stark fragmentiert, aber noch stark gegenständlich, sind die Lithografien der vergangenen Jahre von einer stärkeren Verrätselung geprägt. Das ist kein Nachteil, denn diese Abstrahierung reizt zum Schauen. Die Linie wird immer bedeutsamer und tritt weiter in den Vordergrund. Formen lösen sich stärker auf, ohne die Grenze zur Abstraktion zu überschreiten. Die Darstellungen wirken emotional, vermitteln aber nicht den unmittelbaren Ausdruck von Gefühlen, vielleicht weil sie in einem rationalen Prozess zusammengestellt werden. Um die Linienführung nicht zu ungestüm werden zu lassen, setzt der 64-Jährige immer wieder an Druckraster erinnernde Flächen ein, die den Eindruck von Street Art vermitteln. Nicht selten erkennt man comichafte Elemente und Gegenstände.

Immer wieder setzt Lehnert fast malerisch Farbe ein, manchmal bei den Linien, die in tiefem Rot glühen, dann ein pastellfarbenes, flächiges Gelb oder Blau oder stakkatohaft gesetzte Schraffuren, die zu schwarzen Farbflächen verschmelzen. Alles, was der in Stuttgart lehrende Professor zeigt, ist überaus spannend, gerade weil es sich schnellen Deutungen entzieht und so zum Schauen und Entdecken anregt. Lohnenswert ist der kleine Katalog mit einer Original-Offsetlithografie auf dem Umschlag.

  „Sable I“, eine schwarz-weiß Lithografie Lehnerts, ist ebenfalls im KuBa zu sehen.

„Sable I“, eine schwarz-weiß Lithografie Lehnerts, ist ebenfalls im KuBa zu sehen.

Foto: Volker Lehnert

Volker Lehnert: Lithografien, bis 9. Mai 2021, Kulturzentrum am Eurobahnhof

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