Die schwierige Planung für Saar-Festival „erLesen!“ ab 3. Juni „Manche Nächte sind schon schlaflos“
Wadern · 2020 wurde „erLesen!“ komplett abgesagt. Jetzt wagen die saarländischen Literaturtage ab dem 3. Juni einen neuen Versuch – mal an der frischen Luft, mal mit Publikum und Streaming, mal nur mit Streaming.
Welches Festival erlebt 2021 schon einen üblichen Jahrgang? Weder das Filmfestival Max Ophüls Preis noch die Perspectives noch die Musikfestspiele Saar. Und „erlesen!“ auch nicht: Vom 3. bis 13. Juni laufen die Literaturtage an der Saar – doch wie genau, das muss sich noch zeigen und hängt von der aktuellen Pandemie-Situation ab. „Es ist schon ein bisschen wie bei dem Kaninchen und der Schlange“, sagt Beatrice Schmitt, Inhaberin der Bücherhütte Wadern und Mitglied im Organisationsteam von „erLesen!“.
Lesungen an der frischen Luft sind geplant, in Buchhandlungen, in der Saarbrücker Stadtgalerie, im Saarbrücker Schloss etwa und bei den Lichtspielen Wadern. Und das Risiko ist trotz sinkender Inzidenzwerte immer da: Im Idealfall können die Veranstaltungen mit kleinem Publikum stattfinden und werden zugleich für alle anderen Interessenten gestreamt – die Hybrid-Lösung, erklärt Schmitt. Schlechtestenfalls könnten die Autorinnen und Autoren nicht einmal anreisen, einige werden dann zuhause lesen und das streamen. So habe man selbst bei der schlechtestmöglichen Corona-Lage 13 Veranstaltungen, die in jedem Fall stattfinden (von 22 geplanten).
Was geschieht, wenn keine Zuschauer kommen dürfen?
Falls eine hybrid geplante Veranstaltung wegen der aktuellen Pandemielage nicht im Saal mit Zuschauerinnen und Zuschauern stattfinden können, werden alle Ticketkäufer informiert. Sie können ihr Vor-Ort- Ticket dann in ein Streamingticket umtauschen. Manche Veranstaltungen, etwa Andrea Russos Lesung in der Historischen Mühle Limbach, sind nur als Livestream geplant. Einfach ist dieses mehrgleisige Planen nicht. „Manche Nächte sind schon schlaflos“, sagt Schmitt, „aber wir mussten immerhin nicht absagen wie 2020 – und wir hatten jetzt genug Zeit zum Vorbereiten.“
Es wird die dritte Ausgabe des Festivals sein, die als „Hirngespinst“ begann, wie Beatrice Schmitt erzählt. Lange hatte man im Landesverband des Börsenvereins des Buchhandels über saarländische Buchtage nachgedacht – warum nicht die einzelnen Lesungen der Buchläden unter einem Dach versammeln und zeitlich bündeln? Bei einem Sommerfest habe man dann „ein bisschen gesponnen“, unter anderem mit Anke Birk (Bücher König, Neunkirchen), Brigitte Gode (Gollenstein Buchhandlung Blieskastel) und Kurt Hoffmann (Raueiser, Saarbrücken). „Wir dachten: Es müssen ja nicht alle mitmachen – aber wenn wir 20 Veranstaltungen zusammenbekommen, dann könnten wir es versuchen.“
Nach „viel Klinkenputzen und Vorstelligwerden“, sagt Schmitt, waren genug Kolleginnen und Kollegen im Boot, die erste Ausgabe wurde auf den Weg gebracht – und mindestens ein „Achtungserfolg“. „Im zweiten Jahr war es schon viel einfacher, da kamen Autoren und Verlage von sich aus auf uns zu und fragten, ob sie dabei sein können.“ Ausverkaufte Veranstaltungen gab es 2019; mit entsprechendem Schwung ging man an die Planung für 2020 – bis zur Absage wegen Corona.
Wie funktioniert die Technik?
Jetzt also Live-Veranstaltungen plus Streaming – dafür hat das Festival die St. Ingberter Firma LiveConnectTV engagiert und hofft laut Schmitt, dass die Technik überall mitspielt. Die macht die Veranstaltungen teurer, aber Unterstützung kommt in diesem Jahr erstmals in Form einer Förderung durch den Deutschen Literaturfonds im Rahmen von „Neustart Kultur“ – die bekommt auch die Buchmesse Saar. So können beide Veranstaltungsreihen den Autorinnen und Autoren sichere Honorare und sogar Ausfallhonorare zahlen. „Das ist extrem selten“, sagt Schmitt, „denn für Veranstalter wird das sehr schwierig, wenn die Eintrittsgelder wegfallen.“
Das Streamen mag nicht das Erlebnis einer leibhaftigen Lesung ersetzen, aber Vorteile hat es doch. „Wir haben einige Kundinnen und Kunden, die sehr dankbar für diese Möglichkeit sind, weil sie doch nicht kommen können oder wollen, weil sie zum Beispiel Risikopatienten sind. Man kann ja von überall zuschauen“ Zugleich kann „ErLesen!“ dann auch Literatur-Interessierte jenseits des Saarlands ansprechen, nicht zuletzt über prominente Namen wie in diesem Jahr etwa Thea Dorn, Ewald Arenz, Iris Wolff oder Paul Maar. Hybrid wäre eventuell auch eine Idee für die Zukunft, wenn Vor-Ort-Veranstaltungen wieder selbstverständlich werden. „Aber wir müssen schauen, wie wir das stemmen“, sagt Beatrice Schmitt, „das ist finanziell nicht ganz einfach.“
Was sagen die anderen Buchmessen an der Saar?
„erLesen!“ ist nicht die einzige literarische Reihe im Saarland. Seit 2011 gibt es die Homburger HomBuch, dessen genauer Termin noch unklar ist – die Webseite verspricht „Wir sind dran!“. Und es gibt die Buchmesse Saar, die bei ihrem Debüt 2020 die Saarlandhalle mit Ständen füllen wollte, wegen Corona aufs Digitale umsattelte und auch bei der kommenden Ausgabe (18. bis 20. Juni) virtuell ablaufen wird. Konkurrenz untereinander sieht Schmitt nicht. „Wir haben Kontakt, versuchen uns abzusprechen“, sagt sie. Karsten Wolter, Organisator der Buchmesse Saar, war bisher auch mit Veranstaltungen seiner Buchhandlung Drachenwinkel in Dillingen bei „erLesen!“ dabei, wenn auch nicht in diesem Jahr. Und das Buchmesse-Programm biete mit Fantasy und Krimi auch einen anderen Schwerpunkt als „erLesen!“. Bei der HomBuch, die Ulrich Burger leitet, ist auch Jasmin Hahn von der Buchhandlung Hahn in Limbach im Organisationsteam vertreten, ebenso wie bei „ErLesen!“. Kurze Wege und Verbindungen also. Warum auch nicht? „Wir wollen ja alles etwas Ähnliches – eine Förderung von Literatur und Lesekultur.“
Programm, Infos und Karten:
www.erlesen-saarland.de