„Cyfre” von Liquid Penguin Klackerndes Kabinett aus Zahlen- und Klangspielen

Saarbrücken · „Man zählt nur, was da ist.“ Das ist der Schlüsselsatz aus „Cyfre“, der neuen Produktion des Liquid Penguin Ensembles. Cyfre heißt Null, sie bedeutet nichts, ist nichts und macht nichts – sie ist also verstörender Repräsentant des Nicht-Existenten.

 Katharina Bihler und Stefan Scheib im KuBa.

Katharina Bihler und Stefan Scheib im KuBa.

Foto: In der Kantine des KuBa: Katharina Bihler und Stefan Scheib bei der Premiere von „Cyfre“. ⇥Foto: Kerstin Krämer/Kerstin Krämer

Doch im „Zahlenkammerkonzert“ von Katharina Bihler und Stefan Scheib, die diesmal im Duo agieren, verschafft sie sich Gehör; auf eben jene Weise, die das Ensemble über Jahre zu seinem Markenzeichen kultiviert hat: Die Pinguine performen ausgefeilt – humorvoll und hintersinnig, tadellos in der Ausführung, auf der Basis recherchierter Fakten. Wobei sich Fiktives, Authentizität heischend, schelmisch durchs literarische Hintertürchen einschleicht und charmant Konfusion auslöst. Etwa, wenn wir mit der „Zahlensuppe“ konfrontiert werden, die man nach dessen Ableben – angeblich – im Hirn des Mathematikers Leonhard Euler (1707-1783) entdeckt. Bei diesem „Hörbaren Nichts“, das am Donnerstag im Kulturzentrum am Eurobahnhof (KuBa) uraufgeführt wurde, darf also geschmunzelt werden.

Zugleich gibt es einmal mehr Katharina Bihlers beträchtliches Stimm-Potenzial zu entdecken: Wer sie bislang hauptsächlich als Rezitatorin kennt, darf sie beim Intro als klassisch geschulte Sängerin bewundern, deren warmer Mezzosopran sich mit vorbildlicher Beweglichkeit durch italienische Arietten schlängelt. Wobei letztere hier als demonstrative Übungs-Folie für Ton-Intervalle dienen, die bekanntlich nach Zähleinheiten definiert werden – in die Kategorie Musik als mathematische Wissenschaft gehört im Verlauf des Abends auch ein jazziges Duett über Akkordbezeichnungen. Auf Tischen aufgebaut oder an die Wand gepinnt ist in der Kantine das reinste Klanglabor: ein Sammelsurium aus alten Plattenspielern, Mischpulten, ungewöhnlichen Tonerzeugern und Lautsprechern, die Töne live und aus der Konserve übertragen. Dazu liest Katharina Bihler Fabel-hafte Kurzprosa. Begleitend lässt Bihler Pingpong-Bälle auf Steinplatten klackern, beklöppelt Glasflaschen mit Schlegeln oder imitiert mittels einer metallischen Sprungfeder oder einem über die Tischkante schubbernden Holzkamm das Hämmern eines Spechts, derweil sich im Hintergrund dezent Wasserblubbern, Stimmengewirr und sonstige Alltagskulissen breit machen.

Zwischendurch stehen Bihler und Stefan Scheib, der außer Live-Klängen von Kontra- und akustischem Gitarrenbass auch elektronische Sounds beisteuert, einander gegenüber und spucken in rasantem Wechsel Zahlenreihen aus. Und zu all dem tasten die grotesk verlängerten Schwungarme analoger Metronome wie Insektenfühler umher, während sich Ziffern auf einem verwirrenden Plattenspielerkarussell umeinander drehen – ein stimmiges Bild für dieses klackernde Kabinett der Zahlen- und Klangspiele, bei dem das Publikum fortlaufend mit Rechenaufgaben gefordert wird.

Liquid Penguin im KuBa: Samstag und Sonntag je 19 Uhr. Tel. (06 81) 9 59 12 00, info@kuba-sb.de.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort