Neuer Roman von Sasha Marianna Salzmann Ein Familienroman, autobiografisch gefärbt

Saarbrücken · Ihre Lesung am 1. Dezember in Saarbrücken hat Sasha Marianna Salzmann leider kurzfristig abgesagt. Ihr neuer Roman lohnt sich aber auch zur Lektüre zuhause.

  "Im Menschen muss alles herrlich sein" heißt der neue Roman von Sasha Marianna Salzmann

 "Im Menschen muss alles herrlich sein" heißt der neue Roman von Sasha Marianna Salzmann

Foto: Creative Common/Heike Huslage-Ko/SWR - Südwestrundfunk

Mit ihrem aktuellen Roman „Im Menschen muss alles herrlich sein“ steht Sasha Marianna Salzmann erneut auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis. Bereits mit ihrem Debüt „Außer sich“, der in 16 Sprachen übersetzt wurde, gelang ihr 2017 der Sprung auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises, den sie zwar nicht gewinnen konnte, aber für die dichte Reflexion „ihrer“ Migrationserfahrung mehrfach ausgezeichnet wurde – und seitdem der breiten Öffentlichkeit bekannt ist. Und zwar als eine der Stimmen von deutsch-russischen Autorinnen und Autoren wie Olga Grasnowa, Dmitrij Kapitelman, Lena Gorelik und Alina Bronsky, die ebenfalls in ihren Werken fragile Doppelidentitäten im Spannungsverhältnis der jeweiligen Herkunft und der neuen, deutschen Heimat thematisieren. Dass sich die „Eingewanderten“ in Deutschland – trotz politischer und materieller Stabilitäten –dennoch keineswegs heimelig fühlen, davon legt diese Generation in ihren Werken Zeugnis ab.

So auch Salzmann: 1985 in Wolgograd geboren, Kindheit in einer Moskauer Wohnung abgeschottet von der gefährlichen Außenwelt, als Zehnjährige mit ihrer Familie nach Deutschland emigriert, wo sie die Schule abbrach und als Boxerin in den Ring stieg – bevor sie die Boxhandschuhe an den Nagel hing und im dritten Versuch das Abitur nachholte. In ihrem aktuellen Roman, den man getrost als autobiographisch gefärbter Familienroman lesen kann, stehen vier Frauen aus zwei Generationen im Mittelpunkt – Männer spielen eine Nebenrolle. Salzmanns multiperspektivisch angelegte Spurensuche der kaum greifbaren Identitätsfraktale der vier Protagonistinnen erstreckt sich von den Siebzigern in der Sowjetunion bis in die deutsche Gegenwart. Die miteinander verschränkten Biographien bilden – ohne sie namentlich zu nennen – die Zeit des Zerfalls der Sowjetunion und der Perestrioka ab und schildert die Fallstricke, die eine Emigration nach Deutschland für Frauen bewirkt. Die Weltgeschichte, das Schicksal, die persönlichen Brüche der Frauen konterkarieren den in Anlehnung an Tschechows „Onkel Wanja“ gewählten Titel und legen aus dezidiert weiblicher Perspektive den Finger in die Wunde – eine lesenswerte und scharfsinnige Bestandsaufnahme.

Sasha Marianna Salzmann: Im Menschen muss alles herrlich sein.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2021, 384 Seiten, 24 Euro.

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