Diskussion in der Villa Lessing Leiterin des Ophüls-Festivals: „Den Kinos geht es nicht gut“

Saarbrücken · Svenja Böttger, die Leiterin des Ophüls-Festivals, und Regisseur Florian Ross („Vielmachglas“) waren Gesprächsgäste in der Villa Lessing in Saarbrücken – dabei ging es unter anderem um die aktuelle Situation der Kinos und darum, wie sie vielleicht wieder besser werden könnte.

In der Villa Lessing, von links: Filmemacher Florian Ross, Ophülsfestival-Leiterin Svenja Böttger und Moderator Frank Falkenauer.

In der Villa Lessing, von links: Filmemacher Florian Ross, Ophülsfestival-Leiterin Svenja Böttger und Moderator Frank Falkenauer.

Foto: Tobias Keßler

Wie geht es den deutschen Kinos zurzeit? Herrscht nach der Wiederöffnung, dem Ende der Platzbeschränkungen und der Testpflicht wieder so etwas wie Normalität? „Den Kinos geht es nicht gut“, sagt Svenja Böttger, Leiterin des Saarbrücker Filmfestivals Max Ophüls Preis. Die Pandemie habe „wie ein Brennglas“ sichtbarer gemacht, dass generell weniger Menschen ins Kino gingen, auch schon vor Corona – nicht zuletzt durch die Konkurrenz der Streaming-Anbieter. Der Regisseur Florian Ross sieht das ähnlich. Filme würden nach dem Kino-Einsatz zu schnell als Streaming zu sehen sein, „das entwertet sie etwas“. Zu schnell denke man bei einem Kinofilm, den könne man sich ja auch in ein paar Monaten bei Netflix oder Amazon oder deren Konkurrenz anschauen. Ross sieht auch eine „Eventisierung“ im Kino, der die Vielfalt bedrohe. „Ein Film wie ‚Avatar 2’ haut im Moment alles weg und füllt die Kinos, aber die kleineren und mittleren Filme gehen unter oder landen direkt beim Streaming.“

Verfremdete Filmmusik

Es ist ein interessanter Austausch am Freitagabend in der Villa Lessing in Saarbrücken – die Liberale Stiftung hat zu ihrer Runde „Villa Late“ eingeladen. Moderator Frank Falkenauer spricht mit der Festivalleiterin und dem Filmemacher, Rick-Henry Ginkel alias „Henri“ kredenzt Musik am Klavier und an der Gitarre – unter anderem verfremdete Filmmusik als Quiz (das Titelstück von „Titanic“ errät die Ophüls-Leiterin als Erste).

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Foto: KGP Filmproduktion

Verleihe wie Disney machen es den Kinos schwer

Zurück zum Kino: Dort gebe es, sagt Böttger, ein Überangebot, „zu viele Filme, die gespielt werden wollen“. Die Konsequenz: Wenn ein Film nicht gleich am ersten Wochenende ein Erfolg ist, „fliegt er aus dem Kino, weil schon der nächste wartet“. Zudem machten marktbeherrschende Filmverleiher wie insbesondere Disney es den Kinos schwer, wenn die etwa einen großen Blockbuster nur spielen dürften, wenn sie sich nach deren harten Vorgaben richten – etwa dass der Film in vielen Sälen gleichzeitig laufen muss und darum Platz für andere Produktionen blockiert ist. „Da brauchen wir andere Verleihstrukturen.“

Den Nachwuchs unterstützen

Böttgers genereller Appell: „Ein neues, junges Kino, für das wir als Festival kämpfen, das wird nur mit den Nachwuchsfilmern kommen.“ Und die sollte man unterstützen, indem man sich deren Filme anschaut. Ein positives Beispiel: Die Dokumentation „Dear Future Children“ über die Arbeit von Aktivistinnen und Aktivisten, beim Ophüls-Festival 2021 zu sehen, habe mittlerweile 35 000 Zuschauer gefunden. Das sei für eine Doku eine so gute Zahl wie eine Million Zuschauer für einen Spielfilm. „Die Kino-Neugier ist da, das merken wir beim Festival.“

„Viele schreiende Menschen“

Florian Ross gibt einen Einblick in die Praxis des Filmemachens. Der St. Ingberter lebt in Düsseldorf, hat Film studiert, arbeitet unter anderem in der Werbung, schreibt Drehbücher und hat zwei Kinofilme inszeniert: 2018 „Vielmachglas“ mit Jella Haase und Matthias Schweighöfer, 2020 die Komödie „Takeover – Voll vertauscht“ mit dem Youtube-Brüderpaar Die Lochis. Die Variante vom „Doppelten Lottchen“ drehte er im Europa-Park Rust. Reizvoll sei die Aufgabe gewesen, die bei Youtube freischwebend blödelnden Lochis ein wenig zu bändigen, denn bei dem Drehplan „konnten wir uns mehr als drei Takes nicht leisten“. Auch die jugendlichen Fans des Duos am öffentlichen Drehort seien eine Herausforderung gewesen, „das waren einfach viele schreiende Menschen“. Zurzeit arbeitet Ross an mehreren Projekten zugleich, „man muss immer viele Eisen im Feuer haben, weil vieles dann doch nie realisiert wird – oder sehr spät“. Gerade habe er eine Förderung für eine Serie erhalten, bei einem Spielfilmprojekt habe er schon einen Streaming-Dienste im Auge – denn er ist sich nicht sicher, sagt er, „dass der es ins Kino schaffen wird“.

„Kommen alle ins Kino zurück?“

Der Ticketverkauf bei Ophüls hat am Samstagmittag begonnen, online mit Verzögerungen wegen eines zeitweise „überlasteten Systems“, wie das Festival einräumt; nach dem „hybriden“ Jahrgang 2022 vorwiegend mit Online-Heimkino geht es nun zurück in die Kinos und wieder ins E-Werk zur Preisverleihung. Böttger sagt, man wisse noch nicht, „wie es ist, nach zwei Jahren wieder mit dem Publikum in die Kinos zurückzugehen“. Es sei noch wie ein Blick in die Glaskugel: „Kommen alle ins Kino zurück? Machen wir sie neugierig genug?“ Das wird sich ab dem 23. Januar zeigen.

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