Lars Eidinger bei den Perspectives Und Sloterdijk im Kofferraum

Saarbrücken · Lars Eidinger setzte bei den Saarbrücker Perspectives das E-Werk unter Strom.

     Lars Eidinger lieferte im E-Werk ein sattes Lars-Eidinger-Special.

Lars Eidinger lieferte im E-Werk ein sattes Lars-Eidinger-Special.

Foto: Oliver Dietze

Eier sollen die Kinder später mal in der Hose haben. Und wissen, wie guter Sex geht. Was nach billiger Proll-Philosophie klingt, reicht dann doch darüber hinaus. Weil der 43-Jährige im Bärenkostüm, der seine Ersparnisse (2000 Euro) zusammenrafft, um sich mit seinen Kindern ins Flugzeug zu setzen und es in Madrid richtig krachen zu lassen, sie dort dann nicht in Bars, Bordelle oder ins Stadion schleppen will, sondern in den Prado. Mit dem eingeflogenen Philosophen Peter Sloterdijk, der den Kids auf Vaters Geheiß ein paar neue Horizonte eröffnen soll. Dosenbier mit Sloterdijk und Chips mit Goya – ein anarchisches Stück Absurdistan.

Das ungefähr ist das Setting von „Soll mir lieber Goya den Schlaf rauben als irgendein Arschloch“: ein Einpersonenstück der Berliner Schaubühne, das nun – gut acht Jahre nach seiner Premiere – erstmals außerhalb Berlins zu sehen war, am Freitag im ausverkauften E-Werk. Was Lars Eidinger, Berlins großer Bühnen-Berserker und Zwischentöne-Zauberer, aus Rodrigo Garcías einstündigem Bühnenmonolog herausholt, ist bemerkenswert. Er spielt die vom argentinischen Theatermann gesetzten Fallhöhen kongenial aus. In der köstlichsten Szene sitzt er im Fond des mit Pailetten übersäten Taxis – als sei’s ein Kunstwerk von Damien Hirst –  neben ihm ein in einem Sack steckendes Bündel, das den (gleichsam entführten?) Sloterdijk darstellen soll. Während Peter – ein Audiomitschnitt eines Sloter­dijk-Vortrags wird eingespielt – den ganz großen philosophischen Bogen von Rousseau über Anthropotechnik bis zu den Niederungen des Katzenfutterangebots im Supermarkt schlägt, stopft der kunstsinnige Proll Chips in sich hinein und führt das vermeintliche Sloterdijk-Gelaber ad absurdum. Ohne Worte, allein durch gestische Untermalungen, die von hinreißender Situationskomik sind. Weil sie, so wie Eidinger sie als von großem Ernst getragene, pseudo-affirmative Akte aufbaut, die reinste Verarschung sind.

Eidingers Spiellaune rettet Garcías irgendwo zwischen Intellektuellen-Bashing und Proll-Denkmalssetzung auf halbem Weg steckenbleibendes Man-weiß-nicht-was-eigentlich-Stück. So dass einen diese abgedrehte Vaterfigur anrührt in ihrem Wunsch, einen „Strahl Vollkommenheit“ auf ihre Kinder zu richten. Auch merkt man, dass hinter Garcías betont ulkig-schriller Stück­fassade doch mehr steckt als nur ein ungefährdeter Underdog-Punktsieg gegen einen Vorzeige-Intellektuellen. Bleiben doch immer wieder Sätze hängen. Solche etwa: „Vor lauter Erfahrung ansammeln, sind wir nur noch Haut und Knochen.“

Eidinger setzt die Bühne unter Strom, mit wummernden Techno­bässen, mit Nebelmaschine und Stroboskopblitzen.  Mal stellt er eine Handvoll Bücher Grabsteinen gleich auf dem Kunstrasen auf und begießt sie. Diese Schluss-Szene soll uns wie das gesamte Stück wohl sagen: Verrückt Ihr lieber auch mal Euren Blick. Schluss. Aus. Und aus dem Dunkel dann Eidingers Satz „Ihr dürft mich jetzt verabschieden.“ Nicht nur dafür gab’s im E-Werk langen Applaus, den er sichtlich genoss. Um dann noch hinterherzuschieben, nun könnten doch alle noch mitgehen in den Perspectives-Festivalclub, wo er später noch auflegte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort