Ausstellung für saarländischen „Helden“ Der große Zolnhofer - hat er Größe?

Saarbrücken · Fritz Zolnhofer gilt als der saarländische Maler schlechthin. Aber hat er diesen Rang verdient? Das KuBA widmet ihm jetzt eine Ausstellung – und legt den Finger in eine Wunde.

   Dr. Andreas Bayer leitet das Institut für aktuelle Kunst im Saarland mit Forschungszentrum für Künstlernachlässe. Er kuratiert für das KuBA in Saarbrücken.

Dr. Andreas Bayer leitet das Institut für aktuelle Kunst im Saarland mit Forschungszentrum für Künstlernachlässe. Er kuratiert für das KuBA in Saarbrücken.

Foto: Iris Maria Maurer

Dieser Mann aus Schnappach gehört zum Inventar saarländischer Kunstgeschichte. Nichts scheint vertrauter als seine „Bergmannskuh“ und das legendäre Zolnhofer-Blau, das in den verschatteten Gesichtern von Bergarbeitern oder in Industrielandschaften aufstrahlt. Kein anderer Maler hat sich mit seinen Sujets so tief hinein gemalt in die Herzen der Saarländer wie Fritz Zolnhofer (1896-1965). Auch der frühere SPD-Ministerpräsident Oskar Lafontaine (heute: Die Linke) ist ein Fan, positionierte sich einst auf einem Wahlkampfplakat vor einem Zolnhofer-Werk. Bis heute gelten Zolnhofer-Arbeiten den hiesigen Auktionshäusern als sichere Bank. Doch im Museum hat man Zolnhofers Werke seit Jahrzehnten nicht gesehen. Obwohl der Nachlass im Besitz der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz ist, hängt in der Ständigen Sammlung nichts von ihm, um die letzten öffentlichen Präsentationen machte sich der Kulturamtsleiter der Stadt Sulzbach verdient.

Wie lange das schon her ist, nämlich rund 15 Jahre, merkt man erst jetzt, da das Kulturzentrum am Saarbrücker Eurobahnhof KuBA eine Zolnhofer Ausstellung ausrichtet, zum 125. Geburtstags-Jubiläums-Jahr. Wobei Kurator Andreas Bayer, zugleich Leiter des Instituts für aktuelle Kunst in Saarlouis, schon sehr lange die Idee eines Zolnhofer-Projektes pflegt. Denn in der Kunstsammlung des Saarlandes, der Bayer im KuBa regelmäßig eine Bühne gibt, befinden sich viele Zolnhofer-Werke. Sie hängen in Büros oder Gängen von Ministerien und Behörden – sie sind sichtbar, werden aber nicht wirklich wahrgenommen.

Ein Privatsammler besitzt 60 Zolnhofer-Werke

„Als ich hörte, dass es 2021 ein ,Bernstein-Jahr´ geben soll, wurde ich wieder auf das Thema aufmerksam“, sagt Bayer. In Schiffweiler kümmert sich bekanntlich eine Stiftung um eine höhere Aufmerksamkeit für den Arbeitermaler Walter Bernstein (1901-1981), der im Schatten Zolnhofers stand. Als Bayer dann noch einen Privatsammler kennen lernte, der rund 60 Zolnhofer-Werke besitzt, gab das den Ausschlag, tätig zu werden. Doch für eine große Retrospektive sind im KuBa weder die Räumlichkeiten gegeben, noch steht ein wissenschaftliches Team zur Verfügung.

Hochphase in den 20er und 30er Jahren

Bayer muss sich bescheiden und konzentrieren. Er hat 30 – mitunter nie gezeigte – Werke zusammengestellt, rund zehn aus der Kunstsammlung des Saarlandes und 20 aus Privatbesitz. Sein Hauptaugenmerk gilt Zolnhofers künstlerischer „Hochphase“, die Bayer in den 20er und frühen 30er Jahren sieht. „Es war die Zeit des Stilpluralismus, in München, wo Zolnhofer studierte und lebte, gab es unterschiedliche Sezessionen. Er hat das Thema Arbeiter und Industrie für sich gewählt und fand zu einer authentischen Bildformulierung.“

 Fritz Zolnhofer (1886-1965) lebte in Sulzbach.

Fritz Zolnhofer (1886-1965) lebte in Sulzbach.

Foto: schmidt/schmidt,julius

War Zolnhofer ein Opportunist?

Diese künstlerisch ertragreiche Zeit liegt vor einer NS-belasteten Lebens- und Schaffensphase, die 1997 das erste und zugleich bisher letzte Mal einen Bewertungsstreit auslöste. Anlass war die Übernahme des Nachlasses durch die Stiftung Kulturbesitz, die sich dafür nicht mit einer Ausstellung bedanken wollte. Ein öffentlich diskutierter Affront, der erstmals eine heikle Frage nach oben spülte: War Zolnhofer, der der Reichskammer der Bildenden Künste angehörte, um künstlerisch arbeiten zu dürfen, ein Opportunist? Diese These formulierte die Kunstkritikerin der Saarbrücker Zeitung: Zolnhofer habe von 1935 an nicht nur NS-konforme „Blut-und-Boden“- Motive gewählt, sondern habe sich auch in der Nachkriegszeit mit satirischen Hitler-Darstellungen dem Zeitgeist angedient. Außerdem, so die zweite vernichtende These, sei Zolnhofers späte Malerei „miserabel“, er habe seine Linie gänzlich verloren.

Zolnhofer malte NS-konform

„Diese Problematik will und werde ich nicht unter den Tisch kehren, aber ich will auch nicht, dass sie die Ausstellung überlagert“, sagt Bayer, der vermutlich auch deshalb nur frühe Arbeiten zeigt. Zugleich bezieht er klar Position: „Es ist unstrittig, dass sich Zolnhofer der nationalsozialistischen Bildkonvention angeschlossen hat. Doch es ist nicht die Aufgabe einer kleinen Institution wie dem KuBa, die große analytische Aufarbeitung zu leisten, die bis dato versäumt wurde.“ Was Bayer in dieser Schärfe erst bewusst wurde, als er bei der Vorbereitung auf immense Informations-Lücken stieß. „Bis dato gab es bis auf die öffentliche Debatte 1997 keine kritische Auseinandersetzung mit Zolnhofer, im Prinzip findet man in Katalogen und Abhandlungen nur Würdigungen.“

Steilvorlage für saarländische Identitätsfindung

Welche Haltung entwickelt Bayer? Hat Zolnhofer seiner Meinung nach die Krone unter den saarländischen Industriemalern verdient? „Er hat zweifellos die maßgeblichen bildlichen Inkunabeln für das Arbeiter- und Industrieland geliefert. Als das Saarland in die Bundesrepublik hineinwachsen musste, waren Zolnhofer-Bilder eine Steilvorlage, um einen Identitätskern zu legen.“ Bayer sieht darin eine Vereinahmung. Zolnhofers Kunst sei damals nichts fürs Bildungsbürgertum gewesen, das sich an Avantgarden orientierte, sondern hätte die kleinen Leute erreicht, nicht nur, weil sie ihr Milieu wiederfanden. „Bis heute spürt man, die Kunst der frühen Jahre ist emotional ehrlich.“ Ob Zolnhofer als Mensch ähnlich ehrlich und aufrecht war – man wünschte, man wüsste darüber mehr.

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