Aktion soll Aufmerksamkeit schaffen Kreative zeigen Gesicht in der Krise

Saarbrücken · „Ohne uns ist’s still“ lautet der Slogan der Aktion Kulturgesichter068, die auf die prekäre Lage einer ganzen Branche hinweisen soll.

Das sind die Kulturgesichter des Saarlandes
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Kulturgesichter des Saarlandes

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Foto: Marco Schmidt

Die einen sind es gewohnt, nicht gesehen zu werden –zumindest bei ihrer Arbeit. Die anderen brauchen das Scheinwerferlicht wie die Luft zum Atmen. Eins haben diejenigen, die vor, hinter und auf den Bühnen des Saarlandes arbeiten, gemein: Für sie alle gingen im März dieses Jahres alle Lichter aus und seitdem ist es hierzulande kulturell verdammt still. 150 Musiker, Tänzer, Veranstalter, Tontechniker, Sicherheitsleute, Caterer, Eventmanager und andere Kulturschaffende haben sich für die Aktion Kulturgesichter068 stellvertretend für ihre gesamte Branche ablichten lassen. Die Initiative soll sichtbar machen, wie sehr die Kultur- und Veranstaltungsbranche unter dem Coronavirus und den Maßnahmen dagegen zu leiden hat und wie viele Einzelschicksale daran geknüpft sind.

„Der Zusatz 068 steht für die Vorwahl von Saarbrücken“, erklärt Kai Jorzyk. Der 42-jährige Veranstalter hat die Foto-Aktion, die eine Initiative der deutschlandweiten Veranstaltungsbranche ist, auch ins Saarland geholt. Er sei in der Branche gut vernetzt und habe irgendwann mitbekommen, dass die Initiative in anderen Städten große Aufmerksamkeit für die Kulturschaffenden gebracht habe. Die könne man auch hierzulande brauchen. „Die Lage hier im Saarland ist zwar verhältnismäßig gut. Aber vor allem Solo-Selbständige fallen noch immer durchs Raster“, sagt Jorzyk, der seit 20 Jahren im Veranstaltungsbereich tätig ist. Er sitzt im Vorstand des Pop-Rats Saarland und brachte die Idee zu Kulturgesichter068 dort in eine Arbeitsgruppe ein. Wichtig ist ihm zu betonen, dass es sich weder um eine Saarbrücker Aktion handelt, noch um eine ausschließlich für Mitglieder des Pop-Rates. „Die Aktion richtet sich an alle Kulturschaffenden im Saarland. Das geht die ganze Szene an.“

Zusammen mit den Fotografen Marco Schmidt und Peter Liwowski, bekannt unter dem Künstlernamen Layoutist, wird unter anderem in der Saarbrücker Garage seit Mitte November fleißig fotografiert. An diesem Freitag geht es schon weiter. Sechs Termine mit jeweils 15 bis 20 Personen, die nacheinander eingelassen wurden, hat Fotograf Marco Schmidt begleitet. Schmidt hatte dabei Personen mit ganz unterschiedlichen Berufsbildern und Lebensläufen vor der Linse: vom Clubbetreiber, der seit über 20 Jahren im Geschäft ist, hin zur Auszubildenden zur Veranstaltungskauffrau, die erst seit einem Jahr in der Branche Fuß zu fassen versucht. Schmidt ist hauptberuflich Booking-Agent für Hardcore-, Metal- und Punkbands, als solcher aber gerade wenig gefragt. Schon vor der Krise habe er nebenbei fotografiert, in der Pandemie habe er sich damit ein zweites Standbein aufgebaut. Mittlerweile sei die Fotografie seine Haupteinnahmequelle.

Schmidt hofft, dass die Aktion dafür sorgt, dass die Probleme der Kulturschaffenden im Saarland präsent bleiben und immer wieder auf die Agenda der Politik gehoben werden. „Ich habe nicht das Gefühl, dass die Politik schon eine richtige Lösung für unser Problem gefunden hat“, sagt der Saarlouiser. Die versprochenen Hilfen kämen noch immer zäh und für viele seien sie nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Er macht sich Sorgen um die Zukunft. „Selbst mit dem Impfstoff wird es Jahre dauern, bis in der Branche wieder Geld fließt. Bei 60 bis 70 Prozent ist dann die Tür schon zu.“

Das fürchtet auch Jorzyk. Mehr als um die großen Unternehmen und Veranstalter sorge er sich um die vielen kleinen Clubs, Technikerfirmen und Solo-Selbständigen. „Die Branche lebt von diesen Leuten“, sagt Jorzyk. Fielen sie aus, sei auch nach der Krise nichts auf die Beine zu stellen, weil damit die gesamte Infrastruktur der Branche ins Wanken gerate.

Die drei Männer arbeiten ehrenamtlich an dem Projekt. In seinem Hauptberuf als Booker und Produktionsleiter ist Kai Jorzyk wie viele andere derzeit in Kurzarbeit. Wenn er im Büro sei, dann häufig um Konzerte abzusagen oder schon zum wiederholten Mal zu verlegen. „Eine furchtbar destruktive Arbeit“, findet der 42-Jährige. Kulturgesichter sei deshalb eine willkommene Abwechslung. „Ich bin froh, dass ich damit etwas Sinnvolles machen kann“, erklärt Jorzyk.

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