„Menschenunwürdige“ Unterkunft für Geflüchtete Flüchtlingslager Ensdorf: Innenminister Jost erntet Kritik aus eigener Partei

Saarbrücken/Ensdorf · Die Jugendorganisationen der Grünen und der Liberalen im Saarland kritisieren Innenminister Reinhold Jost (SPD) für seinen Plan, Flüchtlinge in engen Containern in Ensdorf unterzubringen. Auch aus seiner eigenen Partei kommt starken Gegenwind: Die SPD-Bundestagsabgeordnete Emily Vontz kritisiert die Unterbringung in Ensdorf als „menschenunwürdig“ und fordert den Minister zum schnellen Handeln auf.

Ab Ende Januar sollen nach den Plänen des Innenministeriums bis zu 300 Flüchtlinge in einem Containerlager auf dem Gelände des ehemaligen Bergwerks Saar in Ensdorf untergebracht werden.

Ab Ende Januar sollen nach den Plänen des Innenministeriums bis zu 300 Flüchtlinge in einem Containerlager auf dem Gelände des ehemaligen Bergwerks Saar in Ensdorf untergebracht werden.

Foto: Ruppenthal

„Ein Stacheldrahtzaun und 4,8 Quadratmeter pro Person sind menschenunwürdig.“ Mit deutlichen Worten kritisiert Emliy Vontz (SPD), Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Jusos Saar, die Pläne der saarländischen Landesregierung, ab Ende Januar Flüchtlinge in einem Containerlager in Ensdorf unterzubringen. „Die Fotos der geplanten Unterkunft tun im Herzen weh! Die Bedingungen in der Unterkunft müssen deshalb direkt geändert und angepasst werden“, so Vontz. Auch die Grüne Jugend und die Jungen Liberalen (JuLis) im Saarland kritisierten die Landesregierung stark.

Die Landesregierung und Innenminister Reinhold Jost (SPD) planen ab Ende Januar für ein Jahr Flüchtlinge, vorwiegend aus Syrien, in einem Containerlager in Ensdorf unterzubringen. Danach sollen die Geflüchteten auf die Kommunen verteilt werden. Untergebracht werden sollen die Menschen in engen Wohncontainern und größeren Gemeinschaftshallen. Diese wurden im vergangen November und Dezember auf einer Industriebrache des ehemaligen Berwerks Saar in Ensdorf aufgestellt. Die Geflüchteten sollen dabei zu dritt in den kleinen Wohncontainern (14,8 Quadratmeter) schlafen. Vorschriften oder Mindeststandards zum Betrieb von Flüchtlingsunterkünften gibt es im Saarland nicht. In anderen Bundesländern darf eine Fläche von sechs Quadratmeter pro Person nicht unterschritten werden.

Das kritisieren auch die Jusos. „Andere Bundesländer legen Mindeststandards für die Unterbringung von Geflüchteten fest. Hier muss das Saarland mitziehen. Statt der geplanten 4,8 Quadratmetern fordern wir, dass mindestens 6 Quadratmeter pro Person eingeplant werden. Darüber hinaus ist es inakzeptabel, dass die Geflüchteten hinter Stacheldrahtzaun untergebracht werden sollen. Geflüchtete brauchen Schutz, keine Bedingungen wie in einem Gefängnis!“, sagt Janina Wolf, stellvertretende Vorsitzende der Jusos Saar.

Auch die Grüne Jugend geht hart mit den Plänen der Landesregierung ins Gericht. Die Unterbringung in engen Containern auf 4,8 Quadratmeter pro Person sei „schlechter als die vom Bundesverfassungsgericht festgelegte Mindestgrenze von sieben Quadratmeter pro Häftling in einem deutschen Gefängnis“, so das Sprecher-Duo der Grünen Jugend Saar, Jeanne Dillschneider und Santino Klos. Die Einrichtung sei mit Stacheldraht umzäunt und schaffe migrationsspezifische Benachteiligungen. „Das zeigt das Menschenbild des saarländischen Innenministeriums und das ist in keinerlei Hinsicht legitimierbar“, so die Grüne Jugend. Dass man keine andere Lösung habe, sei schlichtweg eine Ausrede. „Wenn Innenminister Jost sich seiner Verantwortung wirklich stellen will, muss er mit mehr Engagement und Einfallsreichtum an einer Lösung arbeiten. Wir fordern eine menschenwürdige Unterbringung aller Geflüchteten“, so die Grüne Jugend.

Auch die Jungen Liberalen im Saarland zweifeln an einer menschenwürdigen Unterbringung von Flüchtlingen in Containern und bringen die 2015 errichtete, zeitweilige Flüchtlingsunterkunft auf dem Gelände der ehemaligen Grube Hirschbach ins Spiel. „Es verwundert mich, dass die Flüchtlingsunterkunft auf dem Gelände der ehemaligen Grube Hirschbach nicht genutzt wird. Hier sollten laut Angaben des Ministeriums 420 Flüchtlinge eine Unterkunft finden, und das Land hat im Jahr 2015 1,6 Millionen in die Sanierung gesteckt. Das Gebäude wurde aber aufgrund geringer Nachfrage und einer Monatsmiete von 5800 Euro 2019 wieder abgestoßen. Laut Innenministerium habe man hier die bestmöglichen Voraussetzungen für die Unterbringung geschaffen. Dass das Innenministerium jetzt 9,7 Millionen für das Ensdorfer Containerlager pro Jahr ausgibt, aber das Gebäude in Sulzbach nicht gehalten hat, ist schwer zu begreifen“, sagt Julien Francois Simons, Landesvorsitzender der Jungen Liberalen Saar.

Der Saarländische Städte- und Gemeindetag (SSGT) verteidigten dagegen erneut die Errichtung des Containerlagers in Ensdorf. „Der Aufbau einer Dependance zur Landesaufnahmestelle bleibt angesichts der aktuellen, dynamischen Lage richtig und wichtig“, erklärten der Präsident des SSGT, Oberbürgermeister Jörg Aumann (SPD, Neunkirchen) und sein Stellvertreter Oberbürgermeister Ulli Meyer (CDU, St. Ingbert) in einer gemeinsamen Presseerklärung. Das Lager sei nur eine Zwischenlösung und es bleibe das Ziel, Geflüchtete mit guter Bleibeperspektive in den Kommunen unterzubringen und zu Integrieren. Die saarländischen Kommunen leisteten im Jahr 2022 bei sehr begrenzten Ressourcen mit großem Einsatz einen wichtigen humanitären Beitrag durch die Unterbringung und Versorgung von mehr als 14 000 Geflüchteten aus der Ukraine. Man arbeite überall im Saarland mit Hochdruck daran, im Jahr 2023 neue zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen, so die Vertreter der saarländischen Kommunen.

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