„Ein Kind der 50er Jahre“ neu aufgelegt „Krieg war so etwas wie Sex“

Saarbrücken · Von Religionskampf, Hula-Hoop und „Galljer“: Die Neuauflage von Rainer Pettos „Ein Kind der 50er Jahre“ wirft einen unterhaltsamen Blick zurück in die saarländische Geschichte.

 Rainer Petto: Ein Kind der 50er Jahre, Geistkirch Verlag

Rainer Petto: Ein Kind der 50er Jahre, Geistkirch Verlag

Foto: Rainer Petto: Ein Kind der 50er Jahre, Geistkirch Verlag

Nierentisch und Petticoat, Hula-Hoop-Reifen und VW-Käfer, Sputniks im All und Deutschland als Fußball-Weltmeister: Das waren im Rückblick vieler Älterer die 1950er Nachkriegsjahre. Teils ganz andere – aber ebenso prägende – Erinnerungen beschreibt der 1950 in Dillingen geborene und in Saarbrücken aufgewachsene frühere SR-Kulturredakteur Rainer Petto in seinem gerade neu aufgelegten Buch „Ein Kind der 50er Jahre“.

So berichtet er neben Alltagsstorys um Sandkasten, Margarine, Fenner Harz und „Die Waschmaschine aus der Tüte“ auch über den damals noch tobenden Religionskampf zwischen Katholiken und Evangelischen im Saarland. Und dem Kapitel „Frieden“ schreibt er: „Krieg war so etwas wie Sex: die Eltern hatten es gemacht, aber es war kein Thema für Kinder.“ So blieb nur das Spiel „Mudderches unn Vadderches – aber richtig!“ Und in Erinnerung gerufen wird: „1950 gab es in Deutschland drei Staaten: Die Bundesrepublik, die DDR und das Saarland“.

Sein gerade im Saarbrücker Geistkirch Verlag druckfrisch herausgekommenes Buch hatte Petto als 35-Jähriger bereits im Jahr 1985 im ehemaligen SDV-Verlag herausgebracht, wo es nach einer 2000 Exemplare-Auflage bald ausverkauft und vergriffen war. Jetzt, nochmals genau 35 Jahre später, hat er sein anfangs aus einer Niederschrift für eine SR-Serie entstandenes Werk um ein Glossarium ehemaliger Begriffe aus den 50er Jahren, die heute wohl kaum noch jemand kennt, ergänzt. Darunter „Galljer“ für Hosenträger oder „réamuren“ für das selbst in Corona-Zeiten aktuelle Messen des Fiebers.

Seinen eigenen Namen erklärt der Autor mit „petto“ (italienisch für Brust) und betont im Vorwort: „Dieses Buch würde ich heute nicht mehr schreiben.“ Im erläuternden Gespräch begründet er dies damit, dass er aus heutiger Sicht mit seinen Eltern wohl zu streng umgegangen sei.

Geistkirch-Verleger Florian Brunner lobt Pettos Buch als „absolut charmantes und unterhaltsames Zeitdokument“ – und Comic-Zeichner Bernd Kissel hat eine der Petto-Anekdoten in seinem eigenen Saarland-Album verarbeitet.

 „Fenner Harz“ – für Rainer Petto ein Stück typisches Saarland, das übrigens als Wiege des Zuckerrübensirups gilt. In anderen Bundesländern wird das Rübenkraut unter dem Namen „Grafschafter Goldsaft“  verkauft.

„Fenner Harz“ – für Rainer Petto ein Stück typisches Saarland, das übrigens als Wiege des Zuckerrübensirups gilt. In anderen Bundesländern wird das Rübenkraut unter dem Namen „Grafschafter Goldsaft“  verkauft.

Foto: becker&bredel

Rainer Petto: „Ein Kind der 50er Jahre“, Erweiterte Neuausgabe, ISBN 978-3-946036-00-5. Hardcover mit Lesebändchen, 150 Seiten, zehn Fotos. Geistkirch Verlag, 12,80 Euro.

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