Konzert im Saarbrücker Studio 30 Was von den Scherben übrig bleibt

Saarbrücken · Rio Reiser ist lange tot, aber die alten Kollegen von Ton Steine Scherben treten bis heute auf – am Freitag waren sie in Saarbrücken. Funktioniert der Politrock von einst heute noch?

 Beim Konzert im Saarbrücker Studio 30: Funky K. Götzner, Gymmick und Kai Sichtermann (von links).

Beim Konzert im Saarbrücker Studio 30: Funky K. Götzner, Gymmick und Kai Sichtermann (von links).

Foto: Sebastian Dingler

Oft heißt es ja, Udo Lindenberg wäre der erste Rocksänger gewesen, der deutsch gesungen hat. Dabei gab es schon einige  deutschsprachige Rockmusik vor Lindenberg – am herausragendsten dabei Ton Steine Scherben, die Band um den später auch solo erfolgreichen Sänger Rio Reiser, der  1996 im Alter von 46 Jahren starb. Trotzdem gibt es die „Scherben“ weiterhin – besser gesagt: was davon übrig ist.

Beim ausverkauften Saarbrücker Gastspiel am Freitag im Studio 30 waren das Kai Sichtermann, Bassist der ersten Stunde und Schlagzeuger Funky K. Götzner, immerhin schon seit 1974 dabei. Tja, und einer muss ja den Rio geben: Seit einer Weile macht das der Schauspieler, Komiker, Cartoonist und Liedermacher Tobias Hacker, Künstlername Gymmick. Der hatte 2001 schon mal den Rio Reiser-Preis als bester Solist gewonnen, doch dann dauerte es noch mal 14 Jahre, ehe die alten Scherben auf die Idee kamen, den Nürnberger als Sänger zu verpflichten.

„Wir machen jedes Jahr eine Schifffahrt durch Berlin am 20. August zum Todestag von Rio, dabei erzählen wir die Geschichte von Ton Steine Scherben. Da brauchten wir einen Sänger und kamen auf Gymmick, auch weil er diesen Preis gewonnen hatte“, so erzählt es Funky K. Götzner nach der Show. Eine gute Wahl, das konnte man anhand des Saarbrücker Konzerts feststellen. Denn Gymmick verkörpert viel Rio Reiser, ohne dass man das Gefühl bekommen hätte, er müsse sich dazu verstellen. Anders ausgedrückt: In dem Sänger steckt wohl von Natur aus schon viel Rio Reiser. Sowohl die rotzigen Protestlieder als auch die sanften Liebesballaden kommen da glaubwürdig rüber, oft auch mitgetragen vom beseelten Chor aus dem Publikum.

Der wird im Studio 30 am lautesten bei den politischen Klassikern „Keine Macht für niemand“ und „Macht kaputt, was euch kaputt macht“. Aber auch die Solo-Hits von Rio Reiser, „Alles Lüge“, „Junimond“ und „König von Deutschland“ werden lautstark mitgesungen. Dass diese Songs im Repertoire sind, ist für Funky K. Götzner kein Widerspruch, denn auch sie entstanden eigentlich schon, bevor sich die Scherben 1985 auflösten. Damals sei es ihnen finanziell schlecht gegangen, und, nein, entgegen anders lautender Gerüchte war die damalige Managerin Claudia Roth, heute Bundestagsvizepräsidentin, nicht schuld an dieser Misere.

Im Gegenteil: „Claudia hat immer hervorragende Arbeit geleistet.“ Und wie sieht es heute aus mit den Scherben? Götzner nennt die Band eine Lebensaufgabe. „Das heißt ja auch, dass man davon erfüllt ist und alles dafür gibt. Ich bin sehr glücklich und zufrieden damit.“ Und Gymmick ergänzt: „Wir müssen ja auch von was leben, aber wir machen es nicht aus kommerziellen Gründen. Die Lieder funktionieren ja immer noch und das macht den Leuten Spaß.“ Sogar eine neue Single haben die drei auf den Markt gebracht: „Wir wolln in unsrer Wohnung bleiben“ – tja, auch thematisch sind die Scherben, einstige Kultband der Berliner Hausbesetzer-Szene, ganz die Alten geblieben.

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