Oper im Saarländischen Staatstheater Märchenoper im aufgeklappten Buch

Saarbrücken · Mit viel jungem Personal hatte die fantasievolle Oper „Die arabische Prinzessin“ Premiere in der Alten Feuerwache.

 Prinzessin Amirah (Bettina Maria Bauer) hat sich in den Kopf gesetzt, den Fischer Jamil (Moritz Kugler) zu heiraten (hier mit dem SST-Kinderchor).

Prinzessin Amirah (Bettina Maria Bauer) hat sich in den Kopf gesetzt, den Fischer Jamil (Moritz Kugler) zu heiraten (hier mit dem SST-Kinderchor).

Foto: Astrid Karger

Man nennt ihn den „spanischen Mozart“: Der baskische Violinist Juan Crisóstomo de Arriaga (1806 bis 1826) war als Komponist ein ausgesprochen frühreifes Talent, dessen Schaffensdrang jedoch bereits vor seinem 20. Geburtstag von einer tödlichen Tuberkulose ausgebremst wurde. Beliebt sind vor allem seine Streichquartette, die stilistisch an Haydn, Mozart und Beethoven erinnern. Weniger bekannt sind seine Sinfonie, seine Gesangsszenen sowie Chorstücke und kleinere Gelegenheitskompositionen, die nun für die Märchenoper „Die arabische Prinzessin oder Das wiedergeschenkte Leben“ neu entdeckt und eingerichtet wurden.

Für ein Projekt der Daniel Barenboim Stiftung spürten die Geigerin und Dirigentin Anna-Sophie Brüning und die Autorin Paula Fünfeck im spanischen Bilbao sowohl das Notenmaterial als auch die arabische Märchenvorlage „Der schöne Fischer“ auf, um sie für zeitgenössische Hörer mit jungem Personal neu zu erzählen. 2009 wurde ihre orientalisch kolorierte Nummernoper (unter anderem Titel) im westjordanischen Ramallah uraufgeführt. Jetzt ist „Die arabische Prinzessin“ auch in Saarbrücken zu sehen, als fantasievoll ausgestattete Kooperation mit der Opéra National du Rhin: Das Bühnenbild entstand in den Werkstätten des Staatstheaters, die Kostüme in den Ateliers der Opéra National. Premiere war im Mai 2019 im elsässischen Colmar; nach Aufführungen in Straßburg und Mulhouse fand am Sonntag die deutschsprachige Premiere (szenische Einstudierung: Friederike Schulz) in der Alten Feuerwache statt.

Zur Handlung: Der rustikal strukturierte Fischer Jamil (Moritz Kugler) hat zwar weder berufliches Renommée noch Bildung vorzuweisen, aber eine so schöne Stimme, dass die schockverliebte Prinzessin Amirah (Bettina Maria Bauer) ihn partout ehelichen will. Allen Standesunterschieden zum Trotz und obwohl sogar Jamil erkennt, dass die Dame mit einem so tumben Typen wie ihm nicht glücklich wird. Dennoch verkleidet Amirah den Zaudernden trotzig als Mädchen, um ihn heimlich hoffähig zu machen – schade, dass dieses Eliza-Doolittle-Projekt so gut wie gar nicht erzählt wird. Flugs ist Hochzeit, nach der Jamil jedoch prompt beleidigt das Weite sucht, weil seine Gattin ihn unbedacht gekränkt hat. Dummerweise gerät er in die Fänge des „Schillernden Vergessensfürsten“ (auch als geheimnisvoller Büchermann: Uwe Keller), aus denen ihn Amirah nur mit Hilfe des kleinen Ali (Matteo Rolser) befreien kann. Denn der, so die Rahmenhandlung, kriegt das Märchen von seiner Tante Safah (auch als Amirahs Lieblingsdienerin: Elisa Wehrle) erzählt und kann ein Happy End herbei fabulieren. Unterstützt wird er von seinen Freunden, verkörpert vom Kinderchor des SST, der ebenfalls eine Hauptrolle spielt: Die kleinen Choristen agieren als Fischverkäufer, Straßenkinder, Hofstaat und mehr und sitzen teils im Publikum, um sich von dort kritisch ins Geschehen einzuschalten.

Hier geht’s also nicht (nur) um die Kraft der Liebe, sondern um Dichtung und Wahrheit, um Narration und Rezeption und die gegenseitige Beeinflussung von Realität und Fiktion: Regisseur Benoît De Leersnyder betont das Geschichtenerzählen an sich. Und weil Geschichten meist in Büchern stehen, avancieren die in seiner Inszenierung als Bildungssymbole zum visuellen Leitmotiv: Ein riesiges, schräg aufgeklapptes Buch dient als Bühne, ist (illustriert von Hintergrundskizzen) mal Fischmarkt, mal Palast. Sogar Amirahs Thron besteht aus Büchern, und auch Kostüme, Masken und Requisiten (Bühne und Kostüme: Emilie Lauwers) kommen als Hommage daher: Vieles hat in seiner gefalteten Steifigkeit, Stofflichkeit oder Farbgebung eine papierene Anmutung. Dankenswerterweise verzichtet die textintensive Oper auf gestelzte Rezitative, was sie besonders kinderfreundlich macht. Alle Protagonisten agieren lebendig, und auch musikalisch ist die Familienoper dank griffiger Melodien leicht konsumierbar.

Das seitlich positionierte SST-Orchester in kleiner Kammerbesetzung (musikalische Leitung: Nathan Blair) schnurrte bei der Premiere, von wenigen Intonationstrübungen abgesehen, mit mozärtlicher Verve; den exponiertesten Part meisterte die zweite Konzertmeisterin Haiganus Cutitaru. Während Moritz Kuglers einschmeichelnder Tenor in den Höhen zu kämpfen hatte, gefiel Bettina Maria Bauer mit zierlich quirligem Sopran, dem ihre Stimmfach-Kollegin Elisa Wehrle ein anrührendes, reiferes Timbre entgegen setzte. Als Amirahs Dienerinnen überzeugten Maren Röttig, Eva Donner und Veronika Brückner, und der noch jüngere Matteo Rolser meisterte seine reine Sprechrolle kess und verblüffend sicher. 

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