Kinderbücher im Herbst Fantastisches Wissen und skurrile Geschichten

Saarbrücken · Vergnügtes (Vor-)Lesen, rührende Geschichten und ein paar der besten Sachbücher dieses Herbstes: Wir haben uns bei den Kinderbuch-Neuerscheinungen umgesehen.

 „Die wunderbare Welt der Insekten“ ist eines der tollsten Sachbücher für Kinder in diesem Herbst und wird auch Erwachsene begeistern. Die Illustrationen von Medy Oberendorff sind eine Wucht.

„Die wunderbare Welt der Insekten“ ist eines der tollsten Sachbücher für Kinder in diesem Herbst und wird auch Erwachsene begeistern. Die Illustrationen von Medy Oberendorff sind eine Wucht.

Foto: Gerstenberg Verlag

Wussten Sie, dass Ameisen, wenn man sie alle zusammen auf eine Waage bekäme, deutlich mehr Gewicht hätten als die gesamte Menschheit? Oder, dass es in Südeuropa einen riesigen Ameisenbau gibt, der drei Länder durchzieht?

Solche verblüffenden Erkenntnisse vermittelt eines der schönsten Sachbücher in diesem Bücher-Herbst. „Die wunderbare Welt der Insekten“ von Bart Rossel und Medy Oberendorff ist inhaltlich und optisch ein Genuss. Großartige Zeichnungen und Texte, die in jeder Zeile eine große Sympathie und Bewunderung für diese faszinierenden kleinen Lebewesen durchscheinen lassen, machen dieses großformatige Buch zu einem Erlebnis. Sollten Sie nur ein einziges Sachbuch in diesem Herbst kaufen wollen, kaufen Sie dieses (Gerstenberg Verlag, 26 Euro).

Obwohl... Vielleicht können es auch zwei sein. Denn es gibt noch ein anderes Sachbuch, das so fantastisch ist, dass man es eigentlich unbedingt haben muss: „Auf nach Yellowstone“ von Aleksandra Mizielinska und Daniel Mizielinski. Auch dies ist ein riesengroßes, üppiges Buch. Und es ist ein Buch, bei dem Kinder einer Geschichte folgen können, während Erwachsene nicht nur herrliche Illustrationen sehen, sondern auch selbst viel lernen können. Unter anderem darüber, wie sich der Eingriff des Menschen in der Natur auswirkt – im Schlechten, wie aber auch im Guten. Acht Nationalparks in allen Teilen der Erde stellt das Buch vor – von einigen hat man womöglich noch nie gehört. Beim Lesen, Staunen, Blättern entdeckt man eine berauschende Vielfalt an Pflanzen und Tierarten. Ohne Übertreibung ein großartiges Buch (Moritz Verlag, 29 Euro).

 Das Bilderbuch „Der Kiosk“ von Anete Melece zeigt, dass Träume manchmal auf überraschende Weise wahr werden können.

Das Bilderbuch „Der Kiosk“ von Anete Melece zeigt, dass Träume manchmal auf überraschende Weise wahr werden können.

Foto: Atlantis Verlag

Auch für ganz kleine Kinder gibt es schon schöne Sachbücher. „Ich bin das Eichhörnchen“ von Katrin Wiehle ist ein besonders gelungenes. Mit einfachen Worten, schönen Bildern lernen Kinder das Wichtigste über Eichhörnchen. Ein schönes Buch zum Miteinanderlesen. Und dazu noch zu 100 Prozent ein Naturbuch, mit Naturfarben auf Recyclingpapier (Beltz & Gelberg, ab vier Jahre, 9,95 Euro).

Legion sind in diesen Tagen natürlich Bücher, die das Klima, die Klimakrise, die Umwelt erklären. Wollte man alle lesen und beurteilen, wäre man doch recht lang beschäftigt. Und natürlich gibt es einige, die erkennbar nur auf einer Trendwelle mitreiten wollen. Aber ein Buch, das uns tatsächlich völlig überzeugt hat, ist „123 Superschlaue Ding, die du über das Klima wissen musst“ aus dem Hanser-Verlag. Mathilda Masters hat, originell illustriert von Louize Perdieus, natürlich alle wichtigen Fakten zusammengetragen. Dass jede Minute 17 Fußballfelder Wald auf der Welt verschwinden zum Beispiel, erfahren interessierte Kinder und Jugendliche hier auch. Und, dass ja tatsächlich das Rülpsen und Pupsen der viel zu vielen Kühe enorme Mengen an Treibhausgasen produziert.

Aber wie sie das erfahren! Die Texte sind nicht anbiedernd, aber auch nicht wissenschaftlich verquast. Sie sind munter und sehr lesbar, überraschen mit manchmal ulkigen Vergleichen, und die Infos bleiben haften. Dazu ist das Ganze nicht nur niederschmetternd. Denn es werden auch eine Menge Lösungsansätze vorgestellt, die einem beim Lesen das Gefühl geben, dass es durchaus noch Sinn macht, etwas zu ändern. Weil es noch nicht zu spät ist. Weil zum Beispiel eines Tages womöglich Bakterien als völlig stromfreie Leuchtmittel unsere Lampen zum Glühen bringen könnten. Kein Witz, Forschungen dazu gibt es wirklich (Hanser Verlag, 18 Euro).

Aber das Lesen ist ja nicht nur zur Bildung da. Es muss auch noch andere Funktionen erfüllen. Gefühle und Gedanken wecken, unterhalten und diese schöne Wohligkeit der Nähe herstellen, wenn Eltern ihr Kind auf den Schoß nehmen und ihm vorlesen. Deshalb gibt es an dieser Stelle nicht nur Sachbücher, sondern auch noch ein paar Bilderbuch- und (Vor-)Lesebuch-Empfehlungen.

Ein herrlich schräges Buch ist zum Beispiel „Grand Hotel Bellvue“ von Hendrik Jonas. Da landet ein winziger Hund in einem sehr eigenartigen Hotel, in dem wiederum jede Menge andere Hunde versuchen, den Laden zu schmeißen – was nicht so besonders gut klappt. Weil zum Beispiel der furchteinflößendste von ihnen ausgerechnet im Restaurant bedient und der allerkleinste als Liftboy arbeitet – wo er doch nicht mal an die Knöpfe kommt. Da ist es ja gut, dass die viel beschäftigten Eltern unseres kleinen, aber sehr schlauen Hundes diesen vor lauter Stress im Hotel vergessen... Die ganze Geschichte ist nicht nur kunstvoll illustriert, sondern natürlich auch von universeller Weisheit. Denn, wenn erst mal alle nach ihren Talenten eingesetzt sind, wird das Grand Hotel nicht mehr wiederzuerkennen sein. Und dass Eltern manchmal überrascht sind, was ihre „Kleinen“ so alles können, na, das ist ja sowieso bekannt (Tulipan Verlag, 16 Euro).

Es gibt manchmal Bilderbücher, in die verliebt man sich als Erwachsener – vor allem, wenn man selbst Kinder hat. „Waldtage“ ist so ein Buch. Eigentlich unspektakulär, erzählt es doch einfach von etwas, das fast jeder gute Kindergarten mal macht: mit den Knirpsen in den Wald gehen, aus Holz was bauen, toben, Natur erleben. Aber Stefanie Höfler und Claudia Weikert erzählen das mit solch einer kindlichen Ernsthaftigkeit und in so herrlich frohen Bildern, dass man richtig gute Laune bekommt beim (Vor-)Lesen (Beltz & Gelberg, ab vier Jahre, 12,95 Euro).

Ein echtes Kloß-im-Hals-und-Rührungs-Tränen-Buch, ist „Rosalie – Als mein Vater im Krieg war“ von Thimotée de Fombelle. Der Autor der sehr schönen „Tobie-Lolness“-Bücher hat hier eine Geschichte erdacht, die auf ganz wunderbare Weise das kindliche Recht auf die Wahrheit einfordert. Wir wollen hier nicht allzu viel verraten. Nur so viel: Ein kleines Mädchen spürt, dass nicht alles stimmt, was Mama angeblich aus Papas Briefen aus dem Krieg vorliest. Sie fasst einen verwegenen Plan und verfolgt ihn mit jener Fantasie und Beharrlichkeit, die kleinen Kindern oft eigen ist. Die Geschichte ist so ergreifend, und die Federzeichnungen von Isabelle Arsenault so genial passend dazu, dass „Rosalie“ das Zeug zum Lieblingsbuch hat (Gerstenberg-Verlag, 15 Euro).

Nur wenige können so wunderbar stinksaure kleine Mädchen malen wie Pija Lindenbaum. Es braucht eigentlich nur zwei, drei zornige Striche, und schon ist sonnenklar, was Sache ist. Dass nämlich „Luzie Libero“, so der Titel des neuesten Werks der beliebten schwedischen Autorin und Illustratorin, den neuen Freund ihres Onkels am liebsten auf den Mond schießen würde. Tut sie dann nicht, und wie sie am Ende erkennt, dass man auch etwas gewinnt, wenn man einen geliebten Menschen teilen muss, das ist wieder so eine von diesen schön weisen, ein bisschen Lindgren-artigen Lindenbaum-Geschichten (Beltz & Gelberg, ab vier Jahre, 13.95 Euro).

Axel Scheffler muss man nicht vorstellen. Der Illustrator des nahezu weltberühmten „Grüffelo“ ist ja fast so bekannt wie sein gehörntes Monster. Zumeist arbeitet er mit der Engländerin Julia Donaldson zusammen, die schön gereimte Texte ersinnt. In seinem neuen Buch „Der Hund und der Hühnerdieb“ illustriert er nun eine Geschichte von Chantal de Marolles. Nicht gereimt, geradeaus erzählt, aber doch mit einem wunderbar melodischen Ton, was womöglich auch daran liegt, das Salah Naoura das Buch aus dem Französischen übersetzt hat. Das Ganze ist eine schöne Parabel über treue Hunde und kluge Katzen und ein richtig schönes Buch zum Vorlesen und Blättern (Beltz & Gelberg, ab vier Jahre, 12.95 Euro).

Und dann gibt es da noch die freundliche, kugelrunde Olga und ihren Kiosk. Dieses Bilderbuch von Anete Melece ist eines der schrägsten der vergangenen Monate. Und doch ist das Buch mit dem Titel „Der Kiosk“ eine so naheliegende Fantasie. Oder haben Sie sich noch nie gefragt, ob die Buden-Betreiber nicht vielleicht auch inmitten ihrer Lollis und Zeitungen wohnen? Olga jedenfalls ist regelrecht mit ihrem rosaroten Kiosk verwachsen und träumt abends bei geschlossenen Läden vom Meer, das sie nur aus ihren bunten Illustrierten kennt. Da ist es natürlich gut, dass in Bilderbüchern auch mal ein ganzer Kiosk auf Reisen gehen kann... (Atlantis Verlag, 15 Euro).

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