Kinder- und Jugendbuchmesse Mit Büchern die Welt besser verstehen

Saarbrücken · Bis Sonntag werden auf der Kinder- und Jugendbuchmesse in Saarbrücken 130 Veranstaltungen angeboten.

 Michaela Darwas aus Frankreich liest Kindern vor den Eingängen zur Alten Evangelischen Kirche in Saarbrücken vor.

Michaela Darwas aus Frankreich liest Kindern vor den Eingängen zur Alten Evangelischen Kirche in Saarbrücken vor.

Foto: Kerstin Krämer

Menschen in Regenjacken, Schirme, wohin das Auge blickt – und trotz des frühherbstlichen Nieselregens strömt alles gut gelaunt zur Europäischen Kinder- und Jugendbuchmesse. Nein, kein schönes Empfangswetter für deren neuen Leiter: Ausgerechnet der Einstand von Igor Holland-Moritz fiel sozusagen ins Wasser. Pech. Oder doch eher ein Vorteil? Wollte man sich da nicht umso mehr in Lesehöhlen verkriechen, um behaglich schmökernd der Tristesse zu entfliehen? Auf dem Cora-Eppstein-Platz summte und brummte es am Donnerstagmorgen jedenfalls wie im Bienenstock. Heerscharen von Kindern und erwachsenen Begleitern verstopften die Eingänge zur Alten Evangelischen Kirche und dem zugehörigen Gemeindezentrum – trotz saarlandweit streikender Busfahrer.

Umso erstaunlicher, dass es drinnen im Gemeindesaal bei der Eröffnungsfeier im Vergleich zum vergangenen Jahr übersichtlich zuging. „Entdeckung!“ lautet der Schwerpunkt dieser 19. Buchmesse, und passend dazu gab‘s hier auch musikalisches Neuland zu erhorchen: Eine Trio-Auskopplung des Ensembles „Cunelis“ – Studenten der Hochschule für Musik Saar (HfM) – begleitete den Festakt mit Instrumental- und Vokalimprovisation. „Das schien mir angesichts des Mottos folgerichtig“, begründete Holland-Moritz diese experimentelle Umrahmung. Um gleich darauf ein Schreckgespenst durch den Saal zu jagen: Es werde nächstes Jahr zwar auf jeden Fall wieder eine Buchmesse geben, verkündete er. Aber ob der Kooperationspartner HfM dann auch wieder den Veranstaltungsort zur Verfügung stellen könne oder wegen Raumnot Eigenbedarf geltend machen müsse, sei noch ungewiss. Droht also schon wieder ein notgedrungener Standortwechsel? Abwarten.

Zurück zur aktuellen Ausgabe: „Die Wahl des diesjährigen Gastlandes muss Ihnen ja ein bisschen witzig vorgekommen sein“, ulkte die langjährige Messe-Vorsitzende Doris Pack (CDU) mit Bezug auf Großbritannien. Aber schließlich ist „Brücken bauen“ das große Dauermotto der Messe, und auch den separatistischen Engländern will man unverdrossen weiter die Hand reichen.

Holland-Moritz war übrigens nicht der einzige, der gestern eine Premiere erlebte. Stellvertretend für Kulturdezernent Thomas Brück (Grüne) überbrachte erstmals Gerhard Schleiwies, Direktor der Stadtbibliothek, das Grußwort der Landeshauptstadt – wer sonst wäre auch besser geeignet gewesen? Außerdem wurde aus dem Schirmherrn schwuppdiwupp eine Schirmherrin, die hier ihre erste Buchmesse-Ansprache hielt: Die frisch inthronisierte Kultusministerin Christine Streichert-Clivot (SPD), gerade mal eine Woche im Amt und „wahnsinnig aufgeregt“, betonte die Relevanz der Leseförderung. „Lesen schafft Momente der Nähe, bedeutet aber auch Emanzipation“, sagte Streichert-Clivot. Mit Büchern die Welt verstehen und sich darin behaupten: Dazu bietet die Messe mit insgesamt rund 130 Veranstaltungen bis Sonntag Gelegenheit.

Im Labyrinth aus Lesungen, Theater, Workshops, Gesprächsforen und Ausstellungen geht’s diesmal blumig zu, das Programmheft weist ikonografisch den Weg. Zentrale Veranstaltungsräume heißen jetzt „Heidepfad“ oder „Urwildnis“; man kann „Neuland“ erobern oder den „Weltenraum“ betreten, der sich im ehemaligen Kirchenraum ausdehnt. Hier locken eine große Bücherschau, gemütliche Leseinseln und eine „Buchbar“, an der alle ausgestellten Titel käuflich zu erwerben sind. Nur der „Geschichtengarten“ im Freien blieb wetterbedingt unbespielt.

Im gesamten Areal sind, drinnen wie draußen, am Brunnen und außerdem auf dem Theaterschiff Maria-Helena, Entdeckungen aller Art zu machen. Wie wär‘s etwa mit einer live Gebärden-gedolmetschten Lesung oder gar Theatervorstellung? Auf grenzüberschreitende Initiative des Rotary-Clubs „Forbach - Goldene Bremm - Saar“ kommen nun gehörlose Schüler aus Lebach und Metz in den Genuss solcher Aufführungen. So gestern beim (Figuren-)Theater „Fritz Rasselkopf“ mit dem stimmlich überaus durchsetzungsfähigen (Puppen-)Schauspieler, Synchronsprecher und Bühnenbildner Jan Mixsa. Bei dessen turbulentem Ein-Mann-Spektakel zum Mitsingen und Mitmachen mit Live-Klavierbegleitung gab Gebärdendolmetscherin Isabelle Ridder eine nonverbal äußerst beredte Kostprobe ihrer Kunst – auch ihre situationsangepasste Mimik sprach Bände.

Während Mixsa, den Holland-Moritz aus seinem Vorleben als Dramaturg, Kulturmanager und Marketing-Fachmann kennt, sich auch sonst als vitaler Zupacker erwies: Wie ein Hausmeister räumte Mixsa Rednerpulte hin und her, richtete Mikrofone – und erzählte zur Pausenüberbrückung Witze, bis der Beamer für die Buchvorstellung des renommierten österreichischen Autors Heinz Janisch präpariert war. Der verpackte seine kindgerechte „Konfliktforschung“ in gemächlichen Schmäh; zur Untermalung saß, wie zuvor bei Mixsa, erneut Gunes Oba (HfM) am Piano: Solche Musiklesungen sind eins der Horizont-erweiternden Formate, die Holland-Moritz verstärkt anbieten möchte.

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