Konzert in Neunkirchen Samtstimme mit Botschaft

Neunkirchen · Jazz-Gigant Gregory Porter verzauberte das Publikum in der Neunkircher Gebläsehalle.

 Der kalifornische Jazz-Musiker Gregory Porter schaffte es gleich mit zwei Alben in die deutschen Charts.

Der kalifornische Jazz-Musiker Gregory Porter schaffte es gleich mit zwei Alben in die deutschen Charts.

Foto: Motema Music/vincent soyez

Die Deutschen lieben ihn ganz besonders. So sehr, dass sogar schon die omnipräsente Helene mit dem stets bemützten Jazz-Kuschelbär in einer Weihnachtsshow jauchzte und frohlockte. Was schon einiges über Gregory Porter sagt, aber auch einiges über Helene Fischer. Hierzulande qualifiziert man die vorurteilsfest gern als Schlagertante ab, dabei sind ihre Duette mit Robbie Williams und aus der Tonkonserve auch mit dem lange verblichenen Elvis erste Sahne. Sogar im internationalen Hörmaßstab. Tatsächlich aber ist ein Jazz-Sänger, der es weit nach vorn in die Charts schafft, eine Rarität in Deutschland. Dem Mann aus Kalifornien glückte das jedoch sogar mit zwei Alben. Was wohl schon daran liegt, dass Porter kein Jazz-Purist ist. Soul und natürlich Gospel, wie bei so vielen großartigen US-Künstlern auch die Wurzel seiner sängerischen Sozialisation, prägen seine Songs fast ebenbürtig. Auf den jeweiligen Alben sind etwa „Take me to the alley“ und „Liquid spirit“ veritable Ohrenschmeichler. Dank Porters Samtbariton überdies so eingängig, dass man selig an das tieftönende Aphrodisiakum Barry White zurückdenkt. Echte Experimentierlust aber verhütet da schon das recht knappe drei-, vierminütige Radioformat. Live aber, wie jetzt in der rappelvollen Neunkircher Gebläsehalle, kann der Grammy-Preisträger auch ganz anders. Da dekonstruiert er fast schon seine Hits, öffnet seinen durch die Bank hervorragenden Mitmusikern reichlich Raum für Soli mit prägnantem Saxophon, treibender Rhythmus-Sektion, charismatisch blubberndem Hammond-Sound und leider bisweilen störrischem Flügel.

Die Melodien werden für Porter und Band zum Spielmaterial, das alle drehen und wenden, dass es nur so eine Freude ist. Porter streut mal eine Scat-Phrase als Verneigung vor Al Jarreau ein oder setzt eine Hommage an Marvin Gaye. Wie nebenbei und doch ganz bewusst markiert er da mit seiner phänomenalen Stimme die Fixpunkte seines musikalischen Universums. Aus den episodenhaften Titeln werden regelrechte Erzählungen mit Brüchen und Wendungen, mit Ansichten und Einblicken zu unserer Welt, in der nicht nur in den USA Rassismus noch Alltag bedeutet. Ein Mann auch mit Botschaft also – und zum Glück auch bald wieder mit neuem Album. „Revival“, diese mitreißende Hymne, die er in Neunkirchen ans Ende setzte, weckt jedenfalls schon mal mächtig Vorfreude.

Bleibt noch die Entdeckerfreude, die Matthew Whitaker als Opener in Neunkirchen entfachte. Ein 18-jähriger Wirbelwind an Hammond-Orgel und Flügel. Blind von Geburt an, hat der 18-Jährige sich offenbar nur die Besten wie einen Oscar Peterson als Vorbild genommen. Auch ihm hätte man einen ganzen Abend zuhören können.

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