Ausstellung eröffnet Beständig war für sie nur die Veränderung

Frankfurt a.M. · Die Schirn zeigt jetzt 68 Hauptwerke von Lee Krasner – viel mehr als bloß die Frau von Jackson Pollock.

Es sind zwei Arbeiten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: In blauer Bluse und einfacher Malschürze, mit Lappen und Pinsel in der Hand und vollen roten Lippen, zeichnet sich Lee Krasner mit 19 Jahren in der Natur. Das Werk „Imperative“ von 1976, rund 50 Jahre später, verzichtet ganz auf das Figürliche. Spitzkantige Schnipsel, dicke, grauschwarze Linien. Ein paar der Schnipsel sind in Grün und Blau getaucht und mit roten Farbspritzern durchsetzt. „Lee Krasner hat sich geradezu geweigert, eine eigene künstlerische Handschrift zu entwickeln“, sagt Kuratorin Ilka Voermann: „Sie hat sich immer wieder neu erfunden und in Zyklen gearbeitet.“

Die Schirn-Kunsthalle in Frankfurt am Main präsentiert jetzt bis zum 12. Januar 68 Hauptwerke von Lee Krasner. Sie sei eine der wichtigsten Malerinnen der US-amerikanischen Nachkriegsmoderne, und dennoch habe ihr Werk lange nicht die verdiente Aufmerksamkeit erfahren, sagt Schirn-Direktor Philipp Demandt: „Sie stand oft im Schatten ihres Ehemannes Jackson Pollock“. In der Ausstellung sind Gemälde, Collagen, Zeichnungen, Fotografien und Filmaufnahmen versammelt.

Lee Krasner wird 1908 in New York geboren. Sie wächst in einfachen Verhältnissen auf, ihre Familie ist vor dem Russisch-Japanischen Krieg nach Amerika geflohen. Für Malerei interessiert sie sich früh, in der High School nimmt sie an einem Kunstkurs für Mädchen teil, später studiert sie Kunst unter anderem an der National Academy of Design, muss die Schule aber aus finanziellen Gründen wieder verlassen. In dieser Zeit malt Krasner unter anderem Selbstportraits, um ihren eigenen Stil zu finden. In den 1940er Jahren lernt sie Künstler wie Mark Rothko, John Graham und Jackson Pollock kennen. 1945 heiraten Krasner und Pollock und ziehen in ein ländliches Farmhaus in Springs auf Long Island. Dort entwickelt Krasner eine neue Bildsprache und wendet sich vom Kubismus und der europäischen Tradition ab. Zwischen 1946 und 1950 entstehen die „Little Images“. Sie arbeitet mit gleichmäßigen Rhythmus und einem dicken Pinsel. Meist trägt sie mehrere Schichten Farbe mit dem Spachtelmesser auf, malt im Gegensatz zu Pollock gleichmäßiger und kontrollierter, in strengen Rastern und Mustern.

„Pollock und Krasner arbeiteten nie zusammen, jeder hatte sei eigenes Atelier“, erklärt Voermann. Sie hätten sich wertgeschätzt und hin und wieder gegenseitig beraten. Später sagt Krasner in einem Interview, als man sie zu Pollocks Arbeit fragt: „Ich weiß es nicht, ich mache meine eigenen Werke.“

Ein großer Umschwung in ihrem künstlerischen Schaffen sei der Tod ihres Ehemannes durch einen Autounfall 1956 gewesen, hebt Voermann hervor. Erstmals habe sie danach auf sehr großen Leinwänden abstrakt und mit schwarzer Farbe Werke wie „Polar Stampede“ (1960) und „Another Storm“ (1963) geschaffen. In der Ausstellung gibt es dazu ein Schwarz-Weiß-Foto der Künstlerin, auf dem sie auf einer Leiter zu sehen ist. Wegen einer Schlafstörung arbeitet sie in dieser Zeit hauptsächlich nachts, es entstehen die „Night Journeys“ - „nächtliche Reisen“. In ihrem Spätwerk erfindet sich Krasner wieder völlig neu. In den 70er Jahren zerschneidet sie einige ihrer früheren Werke und setzt sie als Collage neu zusammen. Hier begegne die Künstlerin ihrem jungen Ich und setze sich dadurch kritisch mit ihren eigenen Werken auseinander, erklärt Voermann. Für Lee Krasner war das „einzig Beständige im Leben Veränderung“, wie sie einmal sagte. Entsprechend viel Veränderung erfuhr auch ihre Kunst.

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