Film-Spezialisten aus Riegelsberg Heimkino-Firma Pidax: Jäger und Sammler der verlorenen Filmschätze

Riegelsberg/Saarbrücken · Seit 15 Jahren versorgt die Riegelsberger Heimkino-Firma Pidax Film- und Hörspielfans, über 200 Titel erscheinen im Jahr. Ein Gespräch dazu mit Firmengründer Edgar Maurer. Ist die DVD wirklich tot? Und wieso steigert eine Atombombendrohung den Umsatz?

 Eine filmische Rarität mit Romy Schneider: „Bloomfield“ (1969) ist die einzige Regie-Arbeit von Schauspieler Richard Harris. Er spielt einen Fußball-Profi im Herbst seiner Karriere, Romy Schneider seine Partnerin. 

Eine filmische Rarität mit Romy Schneider: „Bloomfield“ (1969) ist die einzige Regie-Arbeit von Schauspieler Richard Harris. Er spielt einen Fußball-Profi im Herbst seiner Karriere, Romy Schneider seine Partnerin. 

Foto: Pidax

„Eines Tages, da haben wir vielleicht 30 Titel.“ Davon träumte Edgar Maurer einst, 2008, als er in Riegelsberg die Firma Pidax gründete und die erste DVD herausbrachte: „Die Grashüpferinsel“, eine britische Lieblingsserie Maurers aus den späten 1960ern: Die gab es bisher nicht fürs Heimkino, was Maurer sehr wurmte und ihn Abhilfe schaffen ließ. „Ohne ‚Grashüpfer‘ hätte es Pidax nicht gegeben, und ich wäre heute noch Angestellter bei den Stadtwerken in Saarbrücken.“ Nicht, dass das schlecht wäre – aber es wäre eben nicht so nah dran an Maurers Passion für Film, für Fernsehen und Hörspiel.

Nostalgie war der Anfang

 Edgar Maurer, Gründer und Kopf von Pidax.

Edgar Maurer, Gründer und Kopf von Pidax.

Foto: Pidax

Bei der „Pidax Film- und Hörspielverlag GmbH“ erscheinen mittlerweile 200 bis 250 Titel pro Jahr, um die 20 Menschen arbeiten für die Firma. Laut Maurer liegt der Jahresumsatz jüngst bei vier bis fünf Millionen Euro. Anfangs konzentrierte sich die Firma auf Nostalgie, auf Filme und Serien von gestern; das hat sich verändert, hinzugekommen sind unter anderem aktuelle TV-Serien, die auch auf DVD noch einmal ein großes Publikum finden. Die ARD-Krimireihe „Nord bei Nordwest“ etwa breche Firmenrekorde, erzählt Maurer, während Serien-Oldies wie „Praxis Bülowbogen“ oder „Als die Tiere den Wald verließen“ sich ebenso als Dauerbrenner erwiesen wie Kinofilme von einst, etwa der ruppige Söldnerfilm „Die Wildgänse kommen“ aus den späten Siebzigern mit Roger Moore und Richard Burton.

Lager in Riegelsberg und Saarbrücken

 Der gedruckte Katalog, mit Bestellpostkarte – es muss nicht immer online sein.

Der gedruckte Katalog, mit Bestellpostkarte – es muss nicht immer online sein.

Foto: Pidax

Die erste Auflage pro Film liegt generell bei 1000 Stück, bei Erfolg geht es weiter. Im Lager in Riegelsberg sind tausende DVDs gestapelt; von dort werden sie in den Vertrieb gegeben, der Geschäfte und Elektronik-Märkte bestückt. In Maurers Haus in Saarbrücken sind ebenfalls DVDs gelagert, von hier aus versendet er an private Besteller. „Sobald es hier leer wird, kommt aus Riegelsberg neue Ware.“ Sein Arbeitstag findet meistens vor dem PC und am Telefon statt, er stellt Anfragen, recherchiert nach Rechten, redet mit Presswerken, checkt Lagerbestände. „Es ist nie wirklich Feierabend“, sagt Maurer. Von Haus aus ist er Kaufmann, was für die Firmenarbeit unabdingbar sei. „Filmfan zu sein, das hätte alleine nicht genügt.“

Atombombendrohung steigert den Umsatz

Maurer hat die Verkaufskurven ständig im Blick, die durchaus auf Neuigkeiten reagieren: Als im vorigen Oktober die Darstellerin Angela Lansbury („Mord ist ihr Hobby“) starb, musste die Firma sofort DVDs ihrer Filme nachpressen, beim Tod von Schauspieler Ralf Wolter war es ähnlich. Und bizarrerweise stiegen, wie Maurer verwundert erzählt, nach Putins erster Atombombendrohung die Verkaufszahlen des BBC-Films „Threads – Tag null“, der von einem Atomschlag in London erzählt. Auch der US-Atomkriegsfilm „The day after“ verkaufte sich wieder deutlich besser.

Demnächst zu haben: Die Fortführung der legendären britischen Serie „Die Profis“.

Demnächst zu haben: Die Fortführung der legendären britischen Serie „Die Profis“.

Foto: Pidax

Die Krise trifft auch Pidax

Die aktuelle Krise mit steigenden Energie- und Rohstoffpreisen trifft auch die Firma. Ihr bevorzugtes Presswerk hat die die dritte Preiserhöhung innerhalb eines Jahres angekündigt, „um 17 Prozent, die anderen lagen auch ähnlich hoch. Vorher gab es eine Preiserhöhung alle fünf Jahre.“ Die Presskosten hätten sich nun verdoppelt, da müsse man ganz neu kalkulieren, in einem engen Markt, „in dem man den Preis nicht einfach an den Kunden weitergeben kann“. Da entscheide ein Euro Preiserhöhung über Kauf oder Nichtkauf. Die Pidax-Preise liegen im Vergleich zur Konkurrenz etwas niedriger, die Firma verzichtet bewusst auf umfangreiches Bonusmaterial. „Wir wollen einfach den Film veröffentlichen – Editionen mit Booklets oder Audiokommentaren oder aufwändige Mediabooks, die dann 30, 40 Euro kosten, sind nicht unser Geschäft.“

 Carol Reeds Klassiker „Ausgestoßen“ aus dem Jahr 1947 erscheint im Februar auf DVD. James Mason spielt einen angeschossenen IRA-Mann auf der Flucht, der nach einem Banküberfall eine lange Nacht in Belfast erlebt. 

Carol Reeds Klassiker „Ausgestoßen“ aus dem Jahr 1947 erscheint im Februar auf DVD. James Mason spielt einen angeschossenen IRA-Mann auf der Flucht, der nach einem Banküberfall eine lange Nacht in Belfast erlebt. 

Foto: Pidax

„Wir sind immr die Bank“

Die Energiekrise verlangt laut Maurer „komplettes Umdenken“. So hat er jüngst mehrere Hunderttausend DVD- und Bluray-Kunststoffhüllen auf Vorrat gekauft. „Die bestehen aus Polycarbonat – und die Basis dafür ist Öl“. Mit diesem Hamsterkauf seien Preis und Verfügbarkeit ersteinmal gesichert, „aber das Geld muss man eben vorlegen, wir sind immer die Bank“. Steigende Papierpreise machen auch Booklets und den kostenlosen gedruckten Katalog mit Bestell-Postkarte teurer; aber gerade die seien für ein teilweise älteres Pidax-Publikum unverzichtbar, „es gibt mehr Menschen ohne Internet als man denkt“.

Eine der erfolgreichsten Pidax-Titel zurzeit: die Serie „Nord bei Nordwest“ der ARD.

Eine der erfolgreichsten Pidax-Titel zurzeit: die Serie „Nord bei Nordwest“ der ARD.

Foto: Pidax

„Die DVD ist nicht tot“

Angesichts des Übergangs von sogenannten „physischen Datenträgern“ wie DVD und Bluray hin zum körperlosen Streaming ist Maurer „sehr stolz“, dass mittlerweile um die 1000 Titel bei Streaming-Anbietern laufen. „Wir haben früh damit angefangen und einiges investiert.“ DVD und Bluray bleiben dennoch weiterhin wichtig, auch wenn mancher schon deren Totenglöckchen läutet. „Die DVD ist nicht tot. Trotz e-book liebt man in Deutschland doch sein altes Taschenbuch mit den Eselsohren – und so will man sich auch eine DVD ins Regal stellen können.“ Deshalb sei dieser physische Markt in Deutschland stärker als in vielen anderen Ländern. Zwar sieht auch Maurer im Streaming die Zukunft, aber ein gutes Jahrzehnt gibt er DVD und Bluray noch. Zugleich presst er im Jahr um die 200 Titel nicht mehr nach und lässt sie nur noch online laufen. „Sonst wird auch das Lager zu voll.“

Klassischer Hammer-Horror

Im vergangenen Jahr hat die Firma sich auch erstmals verstärkt in den Bereich des Horrorfilms gewagt. „Da haben wir uns vorher rausgehalten“, sagt Maurer, „weil es da schon einige Spezialisten-Labels gibt“. Aber im Falle der legendären britischen Hammer-Studios, die Christopher Lee und Peter Cushing, „Dracula“, „Frankenstein“ und „Die Mumie“ auf die Leinwand brachten, war die Chance einfach zu gut. „Wir wussten, dass die Lizenzen von vielen ihrer Filme für den deutschen Heimkinomarkt abgelaufen waren – da haben wir einfach nachgefragt.“

Vergessener Romy-Schneider-Film

Raritäten gräbt Pidax immer wieder aus, demnächst eine mit Romy Schneider: „Bloomfield – Schlusspfiff“, 1969 gedreht, 1971 uraufgeführt und heute ziemlich vergessen. Aber nicht von Maurer, der sich wegen der unsicheren Rechtelage dieser englisch-israelischen Koproduktion, die von einem Fußballer in der Lebenskrise (Richard Harris, zugleich auch Regisseur) erzählt, sehr lange um den Film mühen musste. „Man muss eben hartnäckig sein.“ Auch bei der ZDF-Kinderreihe „Löwenzahn“: Um die hat sich Maurer drei Jahre lang intensiv bemüht, erzählt er, bevor er sie herausbringen konnte, mit großem Erfolg.

Erstes eigenproduziertes Hörspiel

Ein weiteres Standbein sind die Hörspiele. Um die 200 hat die Firma schon lizensiert und veröffentlicht – aber im vergangenen Jahr hat sie erstmals eines produziert: „Paul Temple und der Fall Valentine“ (wir haben berichtet) nach Autor Francis Durbridge, einem Lieblingsautor von Maurer. „Sobald man etwas selbst produziert, steigt das Risiko“, sagt er, aber der Versuchsballon flog erfolgreich, es wird weitergehen. CDs als Medium spielen in dem Metier nur noch eine kleine Rolle, laut Maurer findet das Geschäft vor allem im Streaming statt, auf Plattformen wie Audible und Spotify.

Wie funktioniert der Vertrieb?

Die Hälfte der Produkte vertreibt Pidax selbst, der Rest läuft über Amazon mit eigenem Shop und andere Anbieter, zum Beispiel Elektromärkte, dem sogenannten stationären Handel. Der sei aber nicht ganz einfach, erklärt Maurer, denn dieser habe ein „Retourenrecht“ und könne nicht verkaufte Ware bis zu ein Jahr lang an die Hersteller zurückschicken und erhalte den kompletten Einkaufspreis zurück. „Und so kann es passieren, dass man gerade einen Titel nachpresst, weil er von uns aus ausverkauft ist – und dann kommen plötzlich 400 Stück zurück.“ Man müsse das Geld zurückzahlen und oft nochmal einiges investieren, weil man die DVD eventuell neu verschweißen muss. „Und dann liegen sie im Lager.“ Deshalb macht ihm das Schrumpfen der DVD- und CD-Abteilungen in Elektromärkten keine Sorge. Überhaupt fühlt sich die Firma stabil: „Wir sind breit aufgestellt, wir hängen nicht an einzelnen Vertriebspartnern oder Lizenzgebern, wie haben viele Standbeine.“

Und dennoch: Nicht jeden Titel, den Maurer gerne veröffentlichen würde, bekommt er auch. Einen Klassiker des ZDF-Sonntagnachmittagsfernsehens hätte er sehr gerne herausgebraucht: die seligen (und langlebigen) „Strandpiraten“ (1972-1989) über eine Gruppe kerniger kanadischer Baumstammsammler. Doch die Lage war kniffelig – die Bildrechte hätte Maurer haben können, viel schwieriger war die Lage bei der deutschen Synchronisation. Und so blieb es letztlich beim Wunsch, ebenso beim Imbissbuden-Klassiker „Drei Damen vom Grill“, dessen Rechte anderweitig vergeben sind. „Da komme ich einfach nicht ran.“ Mehr vergebliche Wunschtitel kann Maurer nicht nennen, „denn die verdränge ich dann gleich“. Aber auch so sei das Jahr 2023 schon so gut wie durchgeplant.

Informationen und Kontakt:
www.pidax-film.de

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