Arman T. Riahi beim Filmfestival Max Ophüls Preis „Die Pandemie verändert unser Lebensgefühl“
Saarbrücken/Wien · Beim Ophüls-Festival Arman hat Arman T. Riahis Film „Fuchs im Bau“ drei Preise gewonnen. Ein Gespräch über den Film, Corona contra Kultur und das Saarbrücker Festival.
Er ist zum zweiten Mal beim Ophüls-Festival dabei. Nach seiner Sozialkomödie „Die Migrantigen“ (2017) hat der im Iran geborene österreichische Filmemacher Arman T. Riahi im Spielfilmwettbewerb „Fuchs im Bau“ gezeigt - und drei Preise gewonnen. Riahi erzählt eine packende Geschichte aus einer Wiener Gefängnisschule. Der Film basiert auf den Erfahrungen des realen Gefängnislehrers Wolfgang Riebniger. Im Mittelpunkt steht Hannes Fuchs, großartig gespielt von Aleksander Petrovic, der als Lehrer in die Gefängnisschule kommt, um die ältere Kollegin Elisabeth Berger (köstlich: Maria Hofstätter) abzulösen. Doch die resolute Pädagogin mit den unkonventionellen Methoden und den bissigen Kommentaren denkt (noch) nicht daran, dem Neuen das Feld zu überlassen. Aber auch Fuchs, von Gefühlen der Schuld an dem Freitod seines Sohnes gequält, lässt sich nicht so schnell unterkriegen.
Von Riahi wollten wir zuerst wissen, wie es ihm und seinem Film im Coronajahr 2020 ergangen ist. „Ich hatte diesmal nicht Glück im Unglück, sondern Unglück im Glück“, sagt der Regisseur und Autor. „Einerseits war mein Film zu Beginn der Pandemie inhaltlich schon fast abgeschlossen, denn er wurde im Herbst 2019 abgedreht. Doch dann kamen die vielen ausgefallenen Filmfestivals, und die Kinos wurden zugesperrt.“ Eigentlich sei ein Kinostart schon für den Herbst geplant gewesen. Dann sollte der Film im März 2021 die „Diagonale“, das Festival des österreichischen Films in Graz, eröffnen und dann ins Kino kommen. Vor wenigen Tagen wurde die Diagonale in den Juni verschoben.
„Abgesehen von solchen durchkreuzten Plänen spüre ich“, so der Regisseur, „dass die Pandemie schon etwas mit unserem Lebensgefühl gemacht hat. An den psychischen Versehrungen werden wohl noch viele zu arbeiten haben.“ Die Situation der Kultur und der Kulturschaffenden in Österreich und den Nachbarländern schätzt er als prekär ein. „Der Großteil der Kunst- und Kulturschaffenden hatte es wohl schon vor der Pandemie nicht leicht, vor allem nicht wirtschaftlich. Was ich so mitbekomme, kämpfen viele Kolleginnen und Kollegen mit dem finanziellen Totalabsturz.“ Der österreichische Staat behandele den Film als Kunst- und Kulturform ja ohnehin schon lange stiefmütterlich. In der Krise zeige sich dann das wahre Gesicht, was bedeutet, dass sich die prekäre Situation vieler Leute verschlimmert hat. „Wir müssen uns der Tatsache stellen, dass der Film in Österreich keinen besonderen Stellenwert hat. In Deutschland steht der Film zumindest auf wirtschaftlich gefestigteren Beinen, und wie es in Ländern wie Ungarn ist, möchte ich mir gar nicht ausmalen.“ Die Krise gebe zumindest ihm aber auch viel Stoff zum Nachdenken, und viel Material zum Arbeiten.
Das Ophüls-Festival schätze er sehr, sagt Riahi, vor allem da es ein großes Publikumsfestival sei. „Ich mache Filme, damit Menschen sie sehen.“ Beim ersten Screening von „Die Migrantigen“ seien viele ältere Zuschauer da gewesen, die dann zum zweiten und dritten Mal mit ihren Kindern und Enkelkindern gekommen seien. „Alle Vorführungen waren ausverkauft, das Saarbrücker Publikum war total herzlich. Wir haben uns damals sehr wohlgefühlt, und daher tut es auch so weh, dass wir jetzt nicht in der Stadt sind und gemeinsam mit euch feiern können.“ Das Ophüls-Festival sei ein Fixpunkt am Festivalhimmel und im deutschsprachigen Raum einzigartig. „Nächstes Jahr kommen wir einfach so, auch ohne Film, um das nachzuholen.“
Mit „Fuchs im Bau“ wirft Riahi einen Blick auf eine abgeschlossene Welt, auf straffällig gewordene Jugendliche. Ein Spiegelbild für die Gesellschaft in Österreich und den Umgang mit den jungen Menschen und ihren Problemen? „Der Umgang einer Gesellschaft mit den Schwachen, mit den Außenseitern und Unangepassten sagt sehr viel über sie aus.“ Er habe lange im echten Gefängnis recherchiert und sei oft bei Gefängnislehrer Wolfgang Riebniger im Unterricht in der Justizanstalt Josefstadt gewesen. Viele Dinge im Film seien tatsächlich so passiert. „Auch der Gefängnisalltag ist realistisch, das war uns besonders wichtig. Die Zusammensetzung der Jugendlichen spiegele nicht nur das echte Gefängnis wider, sondern die Gesellschaft generell. „Ein Gefängnis ist ja immer ein Mikrokosmos einer Gesellschaft, und ich denke wir müssen uns fragen: Welche Gesellschaft wollen wir sein? Ich denke, es ist wichtig, musischer, künstlerischer Erziehung nicht nur innerhalb, sondern außerhalb des Gefängnisses einen hohen Stellenwert zu geben, sowie der Bildung allgemein“. Das alte kaiserliche Schulsystem in Österreich habe ausgedient. Schule könne mehr, und vor allem müsse sie die Schülerinnen und Schüler in ihren Lebenswirklichkeiten ernstnehmen. Nicht nur im Curriculum, sondern auch sozial.
„Fuchs im Bau“ kann man als ein Plädoyer für Offenheit, Unvoreingenommenheit und Toleranz sehen – und für Bildung. Für Riahi ist der Film „auch ein Plädoyer für gesunde menschliche Beziehungen und das Miteinander. Zusammen sind wir stärker.“ Fuchs finde nur durch die Lehrerin Berger und die jugendlichen Insassinnen und Insassen zurück in sein Leben. Der Film hebe zwar musische und bildnerische Erziehung auf ein Podest. „Doch auch Kunst kann uns keine menschliche Beziehung ersetzen. Es braucht mehr Wärme und Empathie, nicht nur innerhalb des Gefängnisses.“
Riahi wurde 1981 im Iran geboren. Um 1983/84 flüchtete seine Familie nach Österreich. Sein Geburtsland hat der Filmemacher seither nicht mehr gesehen, obwohl dort noch viele Verwandte leben. „Natürlich würde ich das Land gerne einmal kennenlernen – aber nicht unter den jetzigen Bedingungen, wo das Regime die Menschenrechte mit Füßen tritt.“ Hoffentlich aber irgendwann in einer besseren Zukunft.
„Fuchs im Bau“ und die 97 anderen Filme des Festivals sind heute noch zu sehen unter https://ffmop.cinebox.film