Jazz-Konzert Anstrengend-anregendes Klanggewitter

St. Wendel · Mit frei improvisiertem Jazz forderten Omray und Tsching das Publikum im Harschberger Kurhaus.

Was herauskommen kann, wenn der jüngere Cousin den älteren im Saarland besucht und von dessen Saxofon begeistert ist, das zeigte das Konzert von Tsching und Omray letzten Freitag im Kurhaus Harschberg bei St. Wendel. Der ältere Cousin ist nämlich Gerhard Bleich, Saxofonist von Omray, der jüngere, Helmut Mittermaier, spielt Saxofon bei Tsching. Ohne die Faszination, die Mittermaier in seinen Jugendjahren für das Instrument des saarländischen Vetters empfunden hat, wäre er kaum zum Saxofon gekommen, erzählte er während seines Auftritts. Gemeinsames Improvisieren liege in der Familientradition, das habe man in der Pfarrersfamilie bei Feiern gerne in Kirchen praktiziert. Über die verwandtschaftliche Schiene kam es also zur Organisation des Doppelkonzerts.

Dabei haben sich die beiden Cousins durchaus verschieden entwickelt: Während die Berliner Formation Tsching die Improvisation wie beim Jazz nur innerhalb fester Strukturen verwendet, ist bei Omray rein gar nichts vorher abgesprochen. Die drei Westpfälzer (Bleich wohnt mittlerweile in Waldmohr) spielten ganz und gar freie Musik, die ja häufig riskiert, nicht jedermanns Sache zu sein. So war es eine gute Idee, Omray als letztes auftreten zu lassen, da konnten jene ohne Zugang zu solcherlei Klängen das Kurhaus vorzeitig verlassen.

Sie verpassten zumindest einige gelungene Momente im bisweilen anstrengenden Klanggewitter, das Bleich zusammen mit Marko Rech (Didgeridoo) und Roland Weimer (Schlaginstrumente) gestaltete. Etwa als der Saxofonist eine Maultrommel auspackte und Weimer dazu auf einer Blue-Point-Steelharp wohlklingende Patterns lieferte. Oder als Bleich das tiefe Baritonsaxofon nahm und eine Art Kampf der Nebelhörner mit dem Didgeridoo von Rech begann.

Weniger Klangvielfalt, dafür eine große stilistische Bandbreite hörte das Publikum bei Tsching. Neben Mittermaier standen da Ben Aschenbach (Gitarre) und Isabelle Klemt (Cello) auf der Bühne. Tango, Flamenco, arabische Tonleitern, düstere Cellotöne und darin eingeflochtene bekannte Melodien kamen bei dem Trio ebenso vor wie eine überraschend rockige Passage. Neben Eigenkompositionen beschäftigt sich die Band gerne auch mit bekannten Songs und verfremdet sie auf ihre Weise. So etwa beim Nirvana-Klassiker „Smells Like Teen Spirit“, der in eine „meditative Fassung gebracht wurde, um den Kern der Melodie freizulegen“, so Mittermaier. Das funktionierte erstaunlich gut. Unterhaltsam auch das danach folgende Quiz, bei dem es den Titel „Libertango“ von Astor Piazzolla zu erraten galt (einfach) sowie den Gershwin-Song „Summertime“ einzig anhand der Harmonien (schon schwerer). Aber auch die genuinen Kompositionen von Tsching hatten es in sich, so etwa das fulminante Stück „Pfennigtango“, ein expressionistischer Sinti-Jazz, mit dem der denkwürdige Auftritt endete. Ganz am Ende jammten Tsching und Omray dann gemeinsam, wobei dann – wie passend – der Beatles-Song „Come Together“ spontan auftauchte.

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