Kritik zu „A Hero“ im Saarbrücker Filmhaus Das Heldentum ist so eine Sache

Saarbrücken · „A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani" ist im Saarbrücker Filmhaus zu sehen – und lohnt sich sehr.

Filmhaus Saarbrücken zeigt Film "A Hero"
Foto: Neue Visionen/Amirhossein Shojaei

Gigantisch wirkt Naqsch-e Rostam auf den Betrachter. Die mit Reliefs versehene Felswand nahe der iranischen Stadt Schiras ehrt in ihren Königsgräbern schwindelerregender Höhe unter anderem die altpersischen Herrscher Dareios I. und dessen Sohn Xerxes I. Vor dieser Kulisse lässt Regisseur Asghar Farhadi zu Beginn von „A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani" einen unauffälligen Mann ein Baugerüst hinaufsteigen. Doch kaum dort oben angekommen, geht es auch schon wieder abwärts.

Es hat nichts mit Heldenpathos zu tun, dass der iranische Filmemacher Farhadi seinen neuer Film an einem der imposantesten archäologischen Orte der Welt beginnen lässt. Die riesigen Felsen werden im weiteren Verlauf nicht mehr zu sehen sein, was ihren sinnbildlichen Charakter noch mehr unterstreicht: In „A Hero" geht es um Aufstieg und Niedergang des titelgebenden Herrn Soltani vor dem Hintergrund unverrückbarer Helden-Bilder. Der Film erkundet jenen Bereich, in dem egoistisches und selbstloses Verhalten nicht leicht voneinander zu unterscheiden sind. In diesem Fall findet der künftige Ex-Held, der Maler und Kalligraf Rahim (Amir Jadidi), 17 Goldmünzen, und zwar an einer Bushaltestelle, in einer verlorenen Damenhandtasche. Allerdings passierte das bereits vor der Filmhandlung, man erfährt davon nur vom Hörensagen, weshalb auch das Publikum erst dem wahren Geschehen auf den Grund kommen muss.

Dass Rahim der Finder ist, stimmt nämlich schon nicht; seine Freundin Farkhondeh (Sahar Goldoust) will die wertvollen Münzen gefunden haben. Das darf aber nicht publik werden, weil sonst deren uneheliche Beziehung offenbar würde. Beide hoffen nun, dass sie mit dem Gold einen Teil der Schulden zurückzahlen können, wegen denen Rahim im Gefängnis sitzt.

Die Frage, warum die Figuren so handeln, wie sie handeln, wird immer wieder leicht beantwortet; doch die Antwort wirft dann weitere Probleme auf. Rahim verkauft das Gold doch nicht – entweder scheint ihm der Kurs ungünstig oder ihn plagen doch Gewissensbisse gegenüber der Eigentümerin. Dass seine Freundin ihm rät, das Gold zurückzugeben, um sich besser zu fühlen, ist der erste von mehreren Ratschlägen, mit deren Befolgung sich Rahim immer tiefer ins Unglück hineinmanövriert.

Zunächst wird er zum „Helden“, denn die rechtmäßige Besitzerin der Goldmünzen wird gefunden. Der Gefängnisdirektor wittert die Chance, das schlechte Image seiner Einrichtung mit dem Vorzeigehäftling aufzubessern. Fernsehteams interviewen den stets freundlich und sanft wirkenden Rahim, ein „Candystorm" bricht auf Social Media über ihn herein, und die Welt ist sich einig: „So ein guter Mensch!" Nur ein Mit-Insasse glaubt ihm kein Wort: „Du bist doch Maler, du übertünchst doch alles."

Nach klassischem Muster verlangt der Held nach einem Gegenspieler. Diese Rolle übernimmt Rahims Gläubiger Bahram (Mohsen Tanabandeh). Denn im gleichen Maß, in dem Rahim allmählich an Glaubwürdigkeit verliert – die Besitzerin des Goldes ist auf einmal unauffindbar –, gewinnen die Argumente des Zweiflers Bahram an Plausibilität. Der in die Enge getriebene Rahim rastet irgendwann aus, die Tochter des Gläubigers filmt es und droht mit der Veröffentlichung, was es zu verhindern gilt.

Elegant spielt „A Hero“ auch mit den Bildmedien. Rahim wird Teil von Fernsehnachrichten, in denen er seine Geschichte erzählt; später sind es die Posts mit kompromittierenden Videos auf Tausenden Smartphones. Doch Farhadi schneidet so gut wie nie direkt auf diese Bilder, man nimmt sie eher aus dem Augenwinkel wahr oder schnappt sie aus der Distanz auf. Farhadi bildet den Social-Media-Exzess ab, bleibt aber dennoch hartnäckig bei den Menschen und zeigt sie in ihrer Not, das Richtige zu tun oder zumindest das richtige Bild abzugeben.

„A Hero“ läuft aktuell im Saarbrücker Filmhaus.

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