Auftakt des Festivals „Experimance“ „Experimance“-Festival in Saarbrücken: Schrauben, Rohre, Kanister – und eine Triangel aus Messern
Saarbrücken · Das Saarbrücker Klangkunst-Festival Experimance hat am Donnerstag im Garelly Haus begonnen – mit einem ambitionierten, ungewöhnlichen Abend.
Wie klingt ein Raum, mitten in der Stadt, voller Menschen, die einen kurzen Moment mucksmäuschenstill sein sollen? Nun, von draußen rauscht Verkehr in das Garelly Haus hinein; und von innen der Klingelton eines nicht abgeschalteten Handys. Das Ganze nimmt Lorenz Blaumer von Schaltkreismusik auf, kopiert es zur Endlosschleife und legt so das Fundament einer Klangperformance, die es in sich hat.
Es ist das Finale der Eröffnung des Festivals Experimance, das bis Sonntag in Saarbrücken einlädt zu Klangkunst, Installationen und Performance. Das Garelly Haus ist am Donnerstagabend gut gefüllt mit Experimentierfreudigen, die schon draußen am Schaufenster empfangen werden: Dort hat das „Studio Tiketike“ von innen Handys und Tablets an die Scheibe geklebt, die man per Plastiktrichter von außen belauschen kann, während sie Motive von unter anderem Ohren und einem Hinterteil zeigen.
Hinein geht es ins Garelly Haus, das mit seinem Werkstatt-Charme, seinen Ecken und Gängen ein idealer Ort ist für Installationen – etwa Isabelle Kirschs „Wirbelwellen“, eine leuchtende Drehscheibe unter der Decke, ein wenig wie ein Ufo aus einem Science-Fiction-Film der 1950er. Die Plastikröhren, aus der Kirschs Scheibe vor allem besteht, erzeugen im Luftstrom ein sirrendes Geräusch. Da setzt man sich gerne auf eines der Kissen unter dem Ufo und lässt sich hypnotisieren – oder im nächsten Gang von Jochen Follmars pulsierenden Animationen.
Im Hauptraum begrüßt Festivalleiterin Kathrin Lambert die Gäste, und die erste Performance beginnt: Ham Babaei gibt auf einem Podest einen Rockgott mit Gitarre, die Posen stimmen, nur ist die E-Gitarre strom- und damit fast tonlos. So veräppelt der Scherzkeks manch aufgeblähte Rockstar-Attitüde. Sympathisch. Hinter einem schwarzen Vorhang wartet derweil die begehbare Installation „Machines à rien“ von Valentin Durif und Sébastien Béraud – eine Wunderwelt der motorisierten Haushaltsgegenstände, die miteinander klappern, bollern und scheppern. Die eigene Küche wird einem danach sehr gewöhnlich vorkommen.
Da immer nur eine Handvoll Besucher die Installation betreten können, muss man ein wenig warten und kann die Zeit nutzen, um sich die anderen Installationen anzuschauen. Sind das bei Anica Seidel etwa übergroße Triangeln, die da von der Decke hängen? Und daneben Triangelschläger? Nun, es sind Messer, zu Dreiecken zusammengefügt, die Schläger sind Wetzstäbe. Ein rabiater Anblick – und das „Bitte nicht berühren“-Schildchen ist angesichts der Klingen nahezu überflüssig. In der Ecke gegenüber knallt es regelmäßig, bei einer Installation von Nika Schmitt. Eine Art Zwischendecke unter der Garelly-Betondecke wird von einer Apparatur angesaugt, nach unten gezogen, verformt, bis sie sich löst und wieder nach oben schnellt.
Die zweite Performance gestaltet Hannah-Sofie Schäfer, Meisterstudentin an der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK). Ohne Erklärung bleibt die rätselhaft, ist aber eindrücklich – ein Monolog über, unter anderem, Geburt und Körperlichkeit, mit einigen rhythmisch wiederholten Sätzen („Wo ist der Kopf?“). Viel Applaus.
Das Finale bestreitet die erwähnte Schaltkreismusik, die 2020 auch beim „Resonanzen“-Festival dabei war: Lorenz Blaumer nimmt den Raumloop, verfremdet ihn per Elektronik, verdichtet ihn, und überträgt ihn dann auf das bizarre Instrumentarium, das er und Claudia Raudszus gebaut haben: eine Klanginstallation, bei der Klöppel auf einen alten Kanister schlagen, bei der Spielkarten an Holz vorbeiratschen und dabei einen schmatzend-satten Rhythmus produzieren. Auch ein Kästchen voller Schrauben und Plastikrohre mit Orgelpfeifenanmutung spielen eine Rolle. An diesem Abend kommt die Sopranistin Lisa Ströckens dazu, erst beduinenhaft gewandet – sie lässt ihre Stimme über Blaumers Klanglandschaften schweben, mal sanft, mal schriller; das Ganze schlägt einen weiten Bogen zwischen düsteren Klängen voller Atmosphäre und elektronisch grundiertem Pop. Kate Bush und Ofra Haza klingen von weitem an. Blaumer spielt immer wieder auch Geige – und am Ende wird es sehr rhythmisch, so dass sich die Barriere zwischen Performance und Publikum auflöst. Viele tanzen, und wer das nicht tut, bestaunt aus der Nähe die kunstvolle Mechanik dieser Musikmaschine. Ein famoses Finale.
Die Ausstellung im Garelly Haus ist täglich bis Sonntag von 15 bis 19 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei.
In der Johanneskirche kann man sich zwischen 13 und 19 Uhr die Installation von Hans van Koolwijk anschauen.