Gelungener Einstand Das Debüt des neuen Kammerorchesters

Merzig/Saarbrücken · Das „Kammerorchester der Großregion“ hat seine ersten beiden Konzerte gegeben. Das internationale Ensemble hat große Pläne für die Zukunft.

 Eine Probe des Kammerorchesters im Konzertsaal der Hochschule für Musik Saar.

Eine Probe des Kammerorchesters im Konzertsaal der Hochschule für Musik Saar.

Foto: Kerstin Krämer

„Wenn diese Pandemie vorbei ist, sollten wir etwas machen, das uns ähnlich viel Spaß macht wie damals im Merziger Zeltpalast“, grübelte Stefan Bone vor einem Jahr. 2018 hatte er im Auftrag von „Musik & Theater Saar“-Chef Joachim Arnold für Mozarts Singspiel „Die Entführung aus dem Serail“ ein junges Orchester aus Freunden, Kollegen, ehemaligen Kommilitonen und Studierenden zusammengestellt und dirigiert.

Im August 2021, als dank Impfungen das Ende der Seuche in greifbare Nähe gerückt schien, war es dann geboren, das grenzüberschreitende „Kammerorchester der Großregion“, kurz KOG: ein professionelles Ensemble, das aus einem Pool von aktuell 40 Musikerinnen und Musikern jeglicher Nationalität im Alter von 23 bis 40 Jahren schöpft. Das Gros studiert an der Hochschule für Musik Saar (HfM); ein weiteres Drittel stellen Freiberufler aus dem Saarland; hinzu kommen Instrumentalisten aus Frankreich, Freiburg, Frankfurt, der Schweiz, dem Elsass, Belgien und Luxemburg.

Am Freitag und Samstag gab der neue Klangkörper nun mit zwei eintrittsfreien Konzerten in Ludwigskirche und HfM sein Debüt, und Bone zieht – trotz coronabedingter Programm-Umstellung mit Verzicht auf Bläser – ein positives Fazit: „Einen schöneren Einstand hätten wir uns nicht wünschen können.“

Das Kuriose an dem neuen Orchester: Es wurde von zwei Wahl-Nordlichtern mit saarländischen Wurzeln initiiert. Bone, 34, künstlerischer Leiter und Dirigent des KOG, kommt aus Merzig/Brotdorf und ist aktuell Kapellmeister am Opernhaus Kiel. Dort ist auch der aus Piesbach stammende Tenor Michael Müller-Kasztelan engagiert, der dem in Merzig angesiedelten gemeinnützigen Trägerverein des KOG vorsteht. Aus Kiel kennen die beiden Gründerväter, beides Absolventen der HfM Saar, den gebürtigen Dresdener Maximilian Lohse: Den Violinisten, derzeit erster Konzertmeister am Flämischen Opernhaus Antwerpen/Gent, konnten sie nun auch fürs KOG als Konzertmeister gewinnen; er deckt quasi die belgische Flanke ab.

Das Leitungstrio hockt also weit weg vom Schuss – aber wo, wenn nicht hier im Dreiländereck, ließe sich besser die Vision eines paneuropäischen Kammerorchesters verwirklichen, das sich der integrativen kulturellen Belebung einer weit gefassten Heimatregion verpflichtet fühlt? Das KOG, das außerdem an die Tradition des ehemaligen Rundfunk-Kammerorchesters Saarbrücken anknüpft, will nicht nur das Saar-Lor-Lux-Gebiet bespielen, sondern den gesamten deutsch-französischen Grenzraum, von der Schweiz bis Belgien.

Dabei möchte „das potenzielle Leuchtturm-Projekt“ (Bone) selbst als Veranstalter auftreten oder mit Institutionen kooperieren und durch lokales Netzwerken gezielt auch ländliche Strukturen versorgen. In fünf bis sechs Arbeitsphasen jährlich sollen – jeweils maßgeschneidert – klassisches und frühromantisches sinfonisches Repertoire sowie Streich- und Kammerorchesterwerke von Barock bis Moderne einstudiert werden. Besonderes Anliegen ist die Förderung von Kammermusik; das Klangideal zielt auf Flexibilität. Bone: „Mozart soll nach Wiener Klassik klingen, Tschaikowsky nach Hochromantik, Schönberg nach neurotischem Fin de Siècle.“

Ergänzend sind Meisterkurse und Probespiel-Trainings geplant; schließlich will das Orchester seine studentischen Mitglieder beim Berufseinstieg begleiten. Auch an die jüngste Hörergeneration ist gedacht: Im Verein sitzen zwei Schulmusiker, die Familien- und Schulkonzerte vermittlungsdidaktisch aufbereiten wollen. Angedacht ist etwa Strawinskys „Histoire du Soldat“, ein Musiktheater für kleines Ensemble und Erzähler – den Sprechpart soll Müller-Kasztelan übernehmen, der sich bei Gelegenheit auch als Sänger einbringen darf.

Im Gegensatz zum ehrenamtlich tätigen Vereinsvorstand beziehen die Orchestermitglieder Honorar: Das KOG bekommt Rückendeckung von der freien Wirtschaft und genießt – neben der logistischen Hilfe mehrerer (Kultur-)Institutionen und der finanziellen Förderung durch drei Stiftungen – auch Unterstützung vom Saarländischen Ministerium für Bildung und Kultur und Saartoto. Darüber hinaus hofft man auf Fördermitglieder.

Drei weitere Konzerte sind schon eingetütet, so spielt das KOG am 15. Juli in der Pfarrkirche St. Michael zur feierlichen Eröffnung des Saarbrücker Altstadtfestes. Alles andere ist noch Zukunftsmusik. „Potenzielle Partner wie die Musikfestspiele Saar, die Philharmonie in Luxemburg, das Arsenal in Metz oder das Le Carreau in Forbach dürfen sich gerne melden“, sagt Bone augenzwinkernd.

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