„Interpunktionen“ von Katharina Hinsberg Gefühle mit Linien und Löchern

Saarbrücken · Die neue Ausstellung der Modernen Galerie des Saarlandmuseums zeigt Werke von Katharina Hinsberg. Der Titel: „Interpunktionen“.

 Katharina Hinsberg, Künstlerin und Professorin der Hochschule für Bildende Künste Saar, taucht für ihr aktuelles Werk „Interpunktionen“ ihre Finger in Graphitwachs und zeichnet damit auf große Papierbahnen.

Katharina Hinsberg, Künstlerin und Professorin der Hochschule für Bildende Künste Saar, taucht für ihr aktuelles Werk „Interpunktionen“ ihre Finger in Graphitwachs und zeichnet damit auf große Papierbahnen.

Foto: Stiftung Saarländischer Kulturbesitz/David Ertl

Am Anfang von Katharina Hinsbergs künstlerischer Arbeit steht meist die Zeichnung. Auch bei dem aktuellen Werk „Interpunktionen“ im zweiten Obergeschoss des neuen Anbaus der Modernen Galerie war das so. Die Professorin der Hochschule für Bildende Künste Saar tauchte ihre Finger in Graphitwachs und zeichnete damit auf große Papierbahnen. Die Zeichnung wird als gestische Abstraktion zum unmittelbaren Ausdruck von Gefühlen und Emotionen, von Körperbewegung, aber auch von rationalen Entscheidungen über den Verlauf der Linien. Die parallelen Lineamente winden sich über das Papier, werden immer mal wieder unterbrochen, ändern die Richtung oder krümmen sich.

Hinsberg hing die Papierbahnen mit den Zeichnungen an die Wände des Ausstellungsaales und transformierte die Linien mit einem kleinen Bohrer zu Abfolgen unterschiedlich großer Löchern. Dort wo der Strich breit ist, nahm sie einen dickeren Bohrer, wo er zarter ist, einen dünneren. Von Weitem verschmelzen die Löcher zu flirrenden Linien, die manchmal fast dreidimensional im Raum zu stehen scheinen.

An einigen Stellen hängen Papierbahnen wie vergessene Relikte der Vorlagen an den Wänden, doch Vorzeichnungen sucht man vergebens. Die liegen fein säuberlich sortiert in drei Stapeln auf dem Boden des Saales und reflektieren das gelochte Stakkato der Wände. Die an der Wand hängenden großformatigen Blätter hatte Hinsberg unter die Schablonen geklebt. So setzt sich die gelöcherte Linie auf dem Papier fort, wuchert oder springt auf die Wände und kehrt zurück auf das Papier. Die Papierbahnen wellen sich am Rand und geben Einblicke auf die darunterliegende Wand preis. Hier erkennt man, dass die Form auf dem Papier sich manchmal unterhalb des Papieres fortsetzt, ein anderes Mal nicht.

Hinsberg hat die unteren Papierbahnen mehrfach benutzt und so sind mehrere Vorlagen auf einem Blatt vereint und die Formen verdichtet. Dadurch entlädt die Künstlerin die Zeichnung und versucht eine Objektivierung durch Zufall und Überlagerung. Das gelingt nicht ganz, denn der gestische Ansatz bleibt erkennbar. Doch gerade in der Ambivalenz aus rational-konzeptuellem Ansatz und gestischer Formensprache liegt der Reiz des Werkes.

Die gezeichneten Formen sind abstrakt, lassen sich vom Betrachter aber durchaus interpretieren. Tritt man näher, zerfallen die Zeichnungen in Einzelpunkte, deren Ränder durch den Bohrvorgang leicht erhaben hervortreten. Spannend wird es, wenn man die breiten Panoramafenster in das Blickfeld nimmt. Die linearen Landschaften an den Wänden werden lebendig und verschmelzen mit den Konturen des urbanen Raums um das Museum.

„Interpunktionen“ ist keine einfache Arbeit. Als eher konzeptuelles Werk setzt es sich auseinander mit formalen Fragen zu Zeichnung und Raum, aber auch mit der elementaren Frage, was eine Linie ist, wie sie sich in den Raum tragen lässt und wie sich der Raum verändert. Man muss sich das Werk über das Sehen aneignen und braucht die Muße zum Schauen, Beobachten und Sinnieren. Dafür sind die ausgelegten Sitzkissen ein willkommener Ort.

  Mit einem kleinen Bohrer verwandelt Katharina Hinsberg die Linien zu Reihen von unterschiedlich großen Löchern.

Mit einem kleinen Bohrer verwandelt Katharina Hinsberg die Linien zu Reihen von unterschiedlich großen Löchern.

Foto: Stiftung Saarländischer Kulturbesitz/DAVID ERTL

„Interpunktionen“, bis September 2020, Moderne Galerie, Saarbrücken

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