Anregungen, um am Endspurt der SaarArt 2023 teilzunehmen Allerletzter Aufruf: Besucht die SaarArt!

Saarbrücken · Bereits fünf der elf Standorte der SaarArt sind bereits geschlossen. Wir schauen zurück und geben Anregungen für den Countdown.

 Auch das war die SaarArt: Yoga- Perfomance in der Installation von Anne-Marie Stöhr in der Saarlouiser Ludwig Galerie.

Auch das war die SaarArt: Yoga- Perfomance in der Installation von Anne-Marie Stöhr in der Saarlouiser Ludwig Galerie.

Foto: Alexandra Broeren

Die diesjährige Landeskunstausstellung war anders als jede zuvor, denn es durften auch Franzosen und Luxemburger mitmachen. Auch wir betrachten die SaarArt mal anders, in Stichworten und mit Hilfe des Alphabets – ohne Vollständigkeitsanspruch.

A wie Apfelbaum

In der Stadtgalerie kann man sie sich noch anschauen, die amüsante Unterhaltung über einen Apfelbaum, die Suzan Noesen in ihre Videoinstallation „Obsolete Terrain – Towards a simple Talk in Utopia“ (2021) verarbeitet hat, und in der wir typischen Lebenshaltungen zu Klimakrise, Ökologie und Klassismus begegnen. Vier Schauspieler servieren sozialromantische, pragmatische, grün-ideologische und konservative Argumente, tauschen dabei aber die Rollen. Noesens Arbeit mag künstlerisch unterkomplex sein, aber gesellschaftspolitisch gräbt sie tiefer als erwartbar.

Elodie Lanotte war eine der französischen Künstler/innen, die erstmals bei der SaarArt mitmachen konnten. Ihre Werke sind in der Modernen Galerie in Saarbrücken zu sehen.

Elodie Lanotte war eine der französischen Künstler/innen, die erstmals bei der SaarArt mitmachen konnten. Ihre Werke sind in der Modernen Galerie in Saarbrücken zu sehen.

Foto: Elodie Lanotte

B wie Blog

Erstmals gab es für diese SaarArt ein zeitgemäßes digitales Vermittlungs-Angebot, einen Blog. Diese Idee der Kuratorin lässt sich nicht laut genug loben. Die Ausstellungsbesuche ließen sich hervorragend vor- oder nachbereiten, auch nicht-akademische Weise. Denn der Autor fand genau den richtigen Ton und gute Themen – Bülent Gündüz. Der Kunstkritiker schreibt übrigens auch für die Saarbrücker Zeitung.

E wie Enttäuschungen

Na klar, die gab’s auch, und sie stehen meist in unmittelbarem Zusammenhang mit den Erwartungen, die sich mit Künstlernamen verknüpfen. Zwei Beispiele dafür: der im Saarland aufgewachsene, international als „cool“ gefeierte Gregor Hildebrandt und die Medien-Künstlerin Claudia Brieske, eine verlässliche Größe der Saar-Szene. Letztere zeigte im Saarländischen Künstlerhaus die Videoinstallation „Falling Foreward Slightly“ (2021-2023), Beobachtungen an einer Istanbuler Straßenecke. Wir schauten zu, und mehr war dann auch nicht, vor allem keine angeblich „seismographische“ Vorwegnahme der Erdbeben-Katastrophe von 2023. Und Hildebrandt, geschätzt für seine mit Musikkassetten-Tapes beklebten Leinwände, steuert zur SaarArt völlig untypische kalligraphische Arbeiten bei, die sich, weil sie weder innovativ noch charismatisch sind, im Konzert ganz und gar verlieren.

F wie Fundstück

Im Gästebuch der Stadtgalerie war Folgendes zu lesen, und es war nicht nett gemeint: „Nennt es JAHN-Art!“. Hat die Kuratorin Andrea Jahn die SaarArt zur JahnArt gemacht, sprich hat sie Konzept und Auswahl zu stark verengt? Das wird nach den letzten Finissagen zu diskutieren sein.

I wie Irrgarten

Elf Spielstätten sind an sich schon eine Herausforderung, und nicht jeder Besucher kennt alle Saar-Museen aus dem Effeff. Größere Hinweis-Schilder vor den einzelnen Standorten und bessere Wegführungen in den Museen sollten auf der Prioritätenliste der nächsten Ausgabe der Landeskunstausstellung ganz oben stehen. Es braucht einen freundlichen Willkommensgruß vor allem für Erstbesucher. Beispiel Neunkirchen: Dass die SaarArt im KULT zu Gast ist, erfährt man erst, wenn man im Haus drin ist, und dass die SaarArt auch die zweite Etage der Städtischen Galerie einnimmt, erfährt nur, wer sehr aufmerksam ist. Dabei handelt es sich bei der Auswahl in Neunkirchen um eine der besten der SaarArt. Man sollte den Standort keinesfalls auslassen.

L wie Leerstellen

Zweifelsohne hat das neue Konzept der SaarArt der Landeskunstausstellung mehr Frische gebracht, weil neue Namen auftauchten. Doch das hatte seinen Preis: Viele bewährte Künstler machten nicht mit, und man vermisste sie dann doch: Francis Berrar oder Armin Rohr, Katharina Hinsberger oder Mirjam Elburn, Sigurd Rompza oder Lukas Kramer... oder... oder. Die Liste ist ganz schön lang.

S wie Stern

Leuchtet die Saar Art wirklich wie ein Stern über dem Saarland, wie Ministerin Christine Streichert-Clivot bei der Eröffnung im Juli meinte? Selbst mit dem neuen grenzüberschreitenden Konzept dürfte es schwer sein, das Format „Landeskunstausstellung“ überregional wahrnehmbar zu machen.

V wie Vernichtung

Es ist kaum zu glauben, aber eine der größten Arbeiten der SaarArt, eine drei Wände der Modernen Galerie überspannende Zeichnung von Bettina van Haaren und Wolfgang Folmer, wird den 17. September nicht überleben. Die Wandzeichnung „Bestimmtheit der Strudel“ entstand im Mai direkt vor Ort, es geht um Krieg, Vergänglichkeit und Sexualität. Folmer bringt Comichaftes ein, van Haaren ihre bekannten krassen Motive und ihren zarten, andeutenden Strich. Trotz der Monumentalität hatte es diese filigrane Schwarz-Weiß-Arbeit innerhalb der Gruppenausstellung schwer, womöglich zählen van Haaren-Folmer-Werke zu den klassischen Solisten. Erst kürzlich haben die beiden ihr Wandbild auch nochmal überarbeitet, weil sie neue künstlerische Impulse, die während ihrer Sommer-Stipendien auftauchten, miteinfließen lassen wollten. Beide Fassungen werden nur digital Bestand haben, das ist, obwohl es sich um ein temporäres Kunstwerk handelt, eine irritierende Vorstellung. Denn starke Kunst ruft nach Überleben.

Z wie das Z-Wort

In Leslie Hupperts Installation „Melanin“ kommen Menschen aus Brasilien zu Wort, die Künslterin befragte sie 2016 zum Them Rassismus. Ein Interviewpartner spricht über Kindheitserfahrungen – ohne Angst vor dem „Z“-Wort „Zigeuner“. Es ist die Unbefangenheit der Äußerungen, die anrührt, und die furchtlose Unvoreingenommenheit, mit der Huppert ihre Fragen formuliert, lässt aufhorchen. Hier gibt es keine Sprachverbote, keine Unterstellungen, sondern ein ernstes, neugieriges, menschliches Gespräch. Einfach nur mal zuhören, nicht bewerten. Geht doch.