Zu Besuch bei der Riegelsberger Heimkino-Firma Pidax Nostalgie - die kleine große Marktlücke

Riegelsberg · Bei Pidax in Riegelsberg läuft es gleich doppelt gegen den Trend: Während große Heimkino-Firmen sich zunehmend von den „physischen Datenträgern“ DVD und Blu-ray abwenden, ihr Heil im körperlosen Download und Streaming suchen, wächst das überwiegend nostalgische DVD-, Blu-Ray- und CD-Angebot von Pidax kontinuierlich.

 Edgar Maurer, Geschäftsführer bei Pidax, im Riegelsberger Lager - von hier aus beliefert die Firma Freundinnen und Freunde filmischer Nostalgie.

Edgar Maurer, Geschäftsführer bei Pidax, im Riegelsberger Lager - von hier aus beliefert die Firma Freundinnen und Freunde filmischer Nostalgie.

Foto: Tobias Keßler

Um die 1600 Titel sind im Programm – für 2020 sind 230 Veröffentlichungen geplant, Firmenrekord. Und während Streaming-Anbieter, allen voran Netflix und Disney +, von der Corona-Krise profitieren und die DVD-Verkäufe noch stärker sinken als zuvor, floriert bei Pidax der ganz traditionelle DVD-Versandhandel, vom Riegelsberger Lager aus. „Wir verkaufen im Moment so viel wie sonst nur im Weihnachtsgeschäft“, sagt Geschäftsführer Edgar Maurer. Pidax setzt viel auf Eigenvertrieb über die Firmenwebsite, auf der sich, wie Maurer sagt, die Verkaufszahlen ständig erhöhen.

Agatha-Christie-Film erstmals in Deutschland

Die Startauflage von Filmen liegt „meist um die 1000 Stück“, sagt Maurer. Je nach Lizenzsumme oder Mindestgarantie, die Pidax an die Rechte-Inhaber zahlen muss, spielt sich im Regelfall die Lizenz innerhalb eines Jahres wieder ein. Läuft es wirklich gut, ist ein Titel nach einer Woche in den grünen Zahlen, „läuft es schlecht, erst nach einem Jahr – oder nie“. Ein besonderes Risiko ist dabei eine neu hergestellte Synchronisation für Filme, die bisher keine deutsche Sprachfassung hatten – jüngst die Agatha-Christie-Verfilmung „Blausäure“ von 2003, die im Mai erscheint. Das rechne sich überhaupt erst nach ein paar Tausend Verkäufen, sagt Maurer.

Geplant war das Ganze so ja nicht. Als Fan und Sammler alter TV-Serien wollte Maurer vor Jahren einfach nur einen Schatz seiner Kindheit wiedersehen können: die Serie „Die Grashüpferinsel“. Nirgendwo auf der Welt war sie erschienen – Maurer machte die Rechte-Inhaber ausfindig, erwarb die Lizenzen und brachte die Serie auf DVD heraus. Als sein Partner der ersten Stunde dann spekulierte, man könne doch noch ein bisschen weitermachen und vielleicht zehn oder sogar 20 andere Titel herausbringen, sagte Maurer nur „Du Träumer“.

„Verschollene Fälle“

Heute sieht er das anders. 16 Leute, Freie inklusive, arbeiten bei dem Unternehmen, das sein Geschäftsfeld nun ausgeweitet. „Wir gehen in die Produktion rein“, sagt Maurer, mit Büchern, Comics und Hörbüchern. „Paul Temple und die Schlagzeilenmänner“ ist das erste selbstproduziertes Hörbuch (zwei weitere folgen 2020), gelesen von Omid-Paul Eftekhari – ein Abenteuer des Detektiven Paul Temple, den einst Francis Durbridge (1912-1998) erfand, ein Autor („Das Halstuch“), der es Maurer angetan hat. Er brachte schon einige Durbridge-Verfilmungen heraus, und der gute Kontakt zu den Erben erwies sich jüngst als Glücksfall: In Durbridges Schreibtisch fanden sich bisher unveröffentliche Kurzgeschichten, die Pidax jetzt in Buchform herausgeben hat, „Die verschollenen Fälle“ – ebenso wie alte Zeitungscomics mit Paul-Temple-Abenteuern. Auch ein Bilderbuch zur Serie „Als die Tiere den Wald verließen“ ist erschienen, zudem Bücher des Theater-Autoren Horst Pillau. Pidax hatte bereits einige Theater-Adaptionen seiner Stücke wie „Der Kaiser von Neukölln“ oder TV-Filme wie „Die Geisterbehörde“ herausgebracht; jetzt verlegt die Firma auch Bücher von Pillau – im Juni erscheint der Roman „Endlich ein Held“. Trotz allem: Groß ins Buchgeschäft einsteigen will Maurer nicht, „das läuft eher nebenher, macht aber viel Freude und erweitert unser Programm“.

„Da klingeln bei mir die Alarmglocken“

Die Firma Pidax in Riegelsberg floriert mit nostalgischem Heimkino
Foto: Pidax

Nicht nur Erstveröffentlichungen bringt die Firma heraus, sondern auch Titel, die bei der Konkurrenz schon erschienen, aber mittlerweile vergriffen sind. Maurer schaut sich den Secondhand-Markt genau an, etwa bei ebay. „Wenn da eine DVD mit Mondpreisen gehandelt wird, klingeln bei mir die Alarmglocken.“ Dann bemüht er sich bei den Firmen um eine Lizenz und bringt sie selber nochmal heraus – demnächst etwa Ridley Scotts Kolumbus-Film „1492“. Nur: Warum machen die jeweiligen Firmen das nicht selber, wenn doch offensichtlich eine Nachfrage besteht? „Vielleicht sind das Verkaufszahlen“, schätzt Maurer, „die für die wirklich großen Firmen einfach nicht interessant sind. Wir sind ja doch eher Nische, kein Massenmarkt“.

Die Firma Pidax in Riegelsberg floriert mit nostalgischem Heimkino
Foto: Pidax

Das reifere Publikum ist ein Segen

Der Segen für Pidax ist das reifere Publikum, das weniger Streaming-affin ist als jüngere Heimkinofans, sich gerne DVDs in den Schrank stellt – und nicht durchweg im Internet unterwegs ist. Maurer kommt dem entgegen, verschickt jedes Quartal einen gedruckten Katalog an Interessenten, „mit einem Bestellblatt zum Ankreuzen, so wie früher“. Mit Animationsserien richtet sich die Firma auch an eine jüngere Kundschaft, grundsätzlich gilt aber: „Neue Titel sind riskanter als das Nostalgiesegment.“ Überraschend dabei: Die TV-Ausstrahlung eines Films, den Pidax als DVD anbietet, ist nicht kontraproduktiv, „sondern beste Werbung. Da explodieren die Zahlen.“

Bei aller DVD-Nostalgie hat die Firma auch ein Streaming-Standbein; zwischen 700 und 800 Titel sind bei Magenta TV, iTunes, Amazon Prime oder Googleplay gelistet, die Hörspiele bei Spotify und Audible. Der Vorteil für Maurer: „Man kann dort Titel einfach stehen lassen, auch wenn sie kein Hit sind.“

Was läuft zurzeit am besten auf dem Nostalgiemarkt? Alte Tarzan-Filme, sagt Maurer, die Theo-Gesamtbox mit Marius Müller-Westernhagen, „so ziemlich alles mit Margaret Rutherford“, der legendären Miss-Marple-Darstellerin, und alles von Agatha Christie. Eine Überraschung sei der enorme Erfolg von „Der Traum des Häuptlings“, einem eher obskuren TV-Western von 1997. „Western laufen bei uns sowieso gut“, sagt Maurer, „weil die im Fernsehen ja sehr vernachlässigt werden - genau wie Theater-Aufzeichnungen“.

Bunuel-Ausgrabung

Bis Februar 2021 ist das Programm durchgeplant und vor allem vorfinanziert - „wir spielen immer die Bank“. Eine Perle im Programm könnte ein Film von Luis Bunuel sein - „Der Fluss und der Tod“ von 1955. Den entdeckte Maurer durch Zufall im Archiv des Fernsehens der ehemaligen DDR.

Ein großes Vorhaben ist die Zusammenarbeit mit der Berliner CCC-Film des legendären Produzenten Artur „Atze“ Brauner (1918-2019). Pidax hat ein „Riesenpaket“ (Maurer) gekauft und wird geballte Nostalgie herausbringen: unter anderen den „Schwejk“ mit Heinz Rühmann, eine „Black Beauty“-Verfilmung mit Uschi Glas sowie Fritz Langs knallbunte Indien-Filme „Der Tiger von Eschnapur“ und das „Das indische Grabmahl“, erstmals in Deutschland als hochauflösende Bluray. Viel verspricht sich Maurer auch von einem Bonbon für Fans der Karl-May-Filme, auch wenn es mit Karl May nichts zu tun hat: Im Western „Die Hölle von Manitoba“ stehen sich die seligen Darsteller von Winnetou und Old Shatterhand in der Prärie gegenüber: Pierre Brice und Lex Barker. Maurer freut sich, dass die große CCC aus Berlin ihre Perlen einer überschaubar großen Firma aus dem Saarland anvertraut. „Wir haben uns langsam und lange herangetastet – die arbeiten nicht mit jedem.“

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