Sabine Groß stellt in Saarbrücken aus Was macht ein Objekt zur Kunst?

Saarbrücken · Die Künstlerin Sabine Groß will in Saarbrücken zeitgenössische Kunst und Archäologie in einen Dialog miteinander bringen. Gelingt das?

  Kontraste: Im Vordergrund sieht man „Progressosaurus“ von Sabine Groß, im Hintergrund Türmchen mit römischen Hypokaust-Ziegeln.

Kontraste: Im Vordergrund sieht man „Progressosaurus“ von Sabine Groß, im Hintergrund Türmchen mit römischen Hypokaust-Ziegeln.

Foto: Stiftung Saarländischer Kulturbesitz/TOM GUNDELWEIN

Wenn man derzeit durch das erste Obergeschoss des ehemaligen Kreisständehauses am Saarbrücker Schlossplatz flaniert, könnte man auf den Gedanken kommen, es sei eingebrochen worden. Leere Vitrinen, ein Chaos aus Platten, Sockeln und archäologischen Funden. Eigentlich soll hier die Ausstellung „Sabine Groß: Show Time – Eine Archäologie der Zukunft“ zu sehen sein. „Show Time“ klingt nach Glitzer und Glamour, davon allerdings ist die Schau auf den ersten Blick weit entfernt. Erst die Objektschilder verraten: Wir sehen hier Kunst, und „Show Time“ soll uns im wörtlichen Sinne die Zeit zeigen. Es ist ein Gegenüber und Miteinander von zeitgenössischer Kunst und Archäologie, ein ständiger Kampf zwischen Dialog und Konfrontation, den die Berliner Künstlerin Sabine Groß hier ersonnen hat. Und der ist höchst spannend. Groß hinterfragt unser Verständnis von Kunst. Gleichzeitig untersucht sie die Mechanismen musealer Präsentation und hintertreibt subtil unsere Sehgewohnheiten: Was ist Original und was Fälschung? Was macht ein Objekt zu Kunst? Groß inszeniert wichtige Werke der jüngeren Kunstgeschichte als zukünftige Ausgrabungsfunde und konzentriert sich auf die Kunst des Minimalismus.

Im mittleren der drei Säle stößt man auf ein merkwürdiges hohles Objekt, das nach einer abstrakten Komposition der zeitgenössischen Künstlerin ausschaut. Geht man um das Exponat herum, entpuppt es sich als Abguss eines Sandstein-Reliefs, das in römischer Zeit als Grabstein eines Schmieds diente. Der Rest des Raumes ist ein wildes Durcheinander aus Sockeln und Holzplatten. Darin verstreut liegen unterschiedliche Steine wie in einer stilisierten archäologischen Ausgrabungsstätte. Welche Objekte Originale sind und welche von Groß stammen, lässt sich kaum einordnen.

Die Ausstellung beginnt im Erdgeschoss mit einem kleinen „Making of“, das einen Einblick in die Arbeitsweise der Künstlerin bietet. Per iPad kann man im Skizzenbuch stöbern und ihre Ideenfindung nachvollziehen. Im ersten Saal stellt Groß dann mit „Gefunden“ verwitterte Metallplatten aus. Ein Zitat von Carl Andre an der Wand verrät, um was es hier geht. Ein immer wieder auftauchendes Motiv des Minimal-Art-Künstlers sind auf dem Boden ausgelegte Metallplatten. Sind das archäologische Funde des Künstlers? Mitnichten, die Platten sind ein Werk von Groß aus polymerisiertem Gips, Pigmenten und Wachs, das täuschend echt wie verwittertes Metall wirken.

 Andrea Jahn, kunst- und kulturwissenschaftliche Vorständin der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz (links) und Sabine Groß vor dem Saarbrücker Museum für Vor- und Frühgeschichte.   

Andrea Jahn, kunst- und kulturwissenschaftliche Vorständin der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz (links) und Sabine Groß vor dem Saarbrücker Museum für Vor- und Frühgeschichte.  

Foto: Stiftung Saarländischer Kulturbesitz

Immer wieder spielt Groß gekonnt mit Material und Oberfläche. Etwa bei „Graue Eminenz“, das an vier wie ein Kartenhaus aufgestellten Bleiplatten von Richard Serra erinnert. Weiter hinten im Raum römische Ziegelplatten. Original oder Fälschung? Sicher kann man sich hier nie sein, und erst der Objekttext verrät die Echtheit. Immer wieder narrt uns Groß so. Im letzten Raum stapelt sie Ziegelplattentürmchen in unterschiedlicher Höhe in Vitrinen. Diese werden zugleich Präsentationshilfe und skulpturales Objekt. Auf dem Boden rostige Kästen oder Steinblöcke verbacken mit Erde. „Progressosaurus“ nennt Groß diese Arbeit in Donald Judds „Progressions Sculputres“ und deren serielle Reihungen.

Museumsleiterin Andrea Jahn und Sammlungsleiter Thomas Martin gehen mit der Ausstellung ein kleines Wagnis ein. Fans des Museums für Vor- und Frühgeschichte könnten sich vor den Kopf gestoßen fühlen und wegbleiben; gleichzeitig werden viele Anhänger zeitgenössischer Kunst vor dem Museum für Vor- und Frühgeschichte zurückzucken. Hintergrund der Idee ist der Versuch, das Haus wieder stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken und neue Besuchergruppen zu erschließen, um die Besucherzahlen zu steigern. Ob das so funktioniert, ist fraglich, weil die Ausstellung durchaus anspruchsvoll ist. Nichtsdestotrotz ist die Schau schon jetzt ein Höhepunkt des Jahres in der Region, weil sie reizvoll ist und Ungewöhnliches wagt. Wer sich darauf einlässt, erlebt eine vergnügliche Zeit. 

„Sabine Groß: Show Time – Eine Archäologie der Zukunft“. Bis 7. November, Museum für Vor- und Frühgeschichte, Saarbrücken.
Terminreservierung  unter:
www.kulturbesitz.de

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