Klangkunstfestival Experimance Neue Töne der Klangkunst in Saarbrücken

Saarbrücken · Klänge kann man nicht nur hören, sondern auch im Körper spüren. Sie können mitreißen, erschrecken, Assoziationen auslösen und mit unerwarteten Geräuschen einen kurzen Moment vom Denken frei machen. Was Klangkunst noch alles kann, will der Kulturverein Prospektiv mit einem neuen Festival in Saarbrücken zeigen.

 2017 organisierte Kathrin Lambert den zweiten Experimance-Abend im Club Mauerpfeiffer Saarbrücken: Tonbänder und synthetische Klangerzeuger verschmelzen während einer Sound Performance zu einem atmosphärischen Hörstück.

2017 organisierte Kathrin Lambert den zweiten Experimance-Abend im Club Mauerpfeiffer Saarbrücken: Tonbänder und synthetische Klangerzeuger verschmelzen während einer Sound Performance zu einem atmosphärischen Hörstück.

Foto: Sascha Markus

„Wir würden gerne mit dem Experimance Festival in Saarbrücken das größte Klangkunstfestival im Südwesten etablieren“, sagt Peter Heck, Vorstand von Prospektiv, einem neuen Verein für Kunst- und Kulturvermittlung. „Uns liegt es am Herzen, die Kulturszene im Saarland zu erweitern.“ Experimance ist ein Wortspiel aus drei englischen Wörtern. Experience (Erfahrung/Erlebnis) steht für das Hörerlebnis als akustische Erfahrung. Experimental (experimentell) für das Unkonventionelle und Fremdwirkende, und Performance ist der Ausdruck für die vergängliche künstlerische Darbietung.

Angefangen hat alles als Klangkunst-Veranstaltung 2016 im Saarbrücker Club Mauerpfeiffer. Nun hat die Initiatorin Kathrin Lambert zusammen mit den anderen Vereinsmitgliedern ein ganzes Festival daraus gemacht. Vom 15. bis zum 18. Juli zeigen über 30 Künstlerinnen und Künstler interdisziplinäre Ausstellungen, Performances, Konzerte, Workshops und Vorträge. Genauso vielfältig wie die akustischen Kunstwerke sein können, sind auch die Orte des Festivals: Sektor Heimat, Silodom, Garelly Haus und der Kunstraum Automat.

Eine der besonders großen Sound-Installationen findet am Samstag, dem Hauptfestivaltag, in den Räumen von Sektor Heimat am Osthafen statt. „Die Künstlerin stellt dazu unter anderem riesige High End-Basslautsprecher auf. In der Klangkunst spielt es auch eine Rolle, wie sich Töne gegenseitig abschwächen oder auflösen“, erklärt Heck. „Wer mit Klang arbeitet, muss das Medium natürlich genau kennen. Da gehört ein gewisses Physik-Wissen dazu.“

 Die Initiatorin des Festivals, Kathrin Lambert, wird selbst unter dem Namen Kässi zusammen mit Juls B. ein experimentelles Soundscape Live-Set spielen.

Die Initiatorin des Festivals, Kathrin Lambert, wird selbst unter dem Namen Kässi zusammen mit Juls B. ein experimentelles Soundscape Live-Set spielen.

Foto: Nastaran Majd

Klangkunst, so Lambert, sei geschichtlich betrachtet eine eher neue Form des künstlerischen Ausdrucks, „welcher leider auch heute noch etwas unterrepräsentiert ist“. Auch die durch das Sehen geprägte Gesellschaft ist Lamberts Meinung nach ein Grund dafür. Für sie ist gerade die Immateriliatät das besondere dieser Kunstform: Das Medium könne neue Dimensionen der Wahrnehmung schaffen. Auch visuelle Elemente spielen eine Rolle, wie zum Beispiel bei Performances oder Installationen mit Licht, Nebel und Videos. (Alltags-)Geräusche finden in der Klangkunst eine ebenso häufige Verwendung wie instrumentell erzeugte Töne.

Im Garelly Haus in der Eisenbahnstraße 14 in Saarbrücken beginnt das Festival bereits heute, um 19 Uhr, mit der Vernissage zu einer Klangkunstausstellung, die auch verschiedene Performances beinhaltet. Der Kunstraum Automat in der Martin-Luther-Straße 7-9 in Saarbrücken stellt Klangkunstobjekte, Installationen und Videos von vier Künstlerinnen und Künstlern aus. Die Ausstellung wird hier, anders als an den anderen Festival-Orten, noch bis zum 25. Juli zu sehen sein und mit einer Vernissage am Freitag, 16. Juli, starten. Einen Workshop und zwei Vorträge gibt es im und am Sektor-Heimat-Areal. Der Silodom nebenan bietet die übliche Außengastronomie, begleitet von Klanginstallationen. Outdoor- und Indoor-Performances, Live-Konzerte, DJs, die den Samstagabend auch bei der After-Party mit ausklingen lassen, bringen sämtliche Facetten der Klangkunst an den Osthafen. „Einige werden auch Improvisationen machen“, erklärt Heck. „Zum Beispiel ein Künstler, der selbst erfundene und gebaute Instrumente im Garelly Haus zeigt. Er hat auch vor, mit dem Publikum zusammen Sounds zu improvisieren.“ Experimentelle Musik könne nicht klar von Klangkunst abgegrenzt werden. „Der Unterschied ist hauptsächlich, dass sich Musik an gewisse Regeln halten muss.“

Klangkunst bedeute ein Zusammenspiel von Klang, Raum, Zeit, Bewegung und Form. Und integriere oft künstlerische Arbeiten wie Klangskulpturen, Klanginstallationen, Performances sowie medienkünstlerische Arbeiten mit Hörspiel, Feature oder Videos. Der Klang sei vor allem vom Raum abhängig, in dem er zu hören ist, weiß Lambert: „Darum ist es bei der Klangkunst von größter Bedeutung, mit dem Raum zu arbeiten, seine Strukturen und Gegebenheiten zu erkennen und darauf einzugehen.“ Lambert ist gelernte Mediengestalterin, hat Freie Kunst an der HBK Saar studiert und geht aktuell einem Studium im Bereich des Kulturmanagements nach.

„Eintritt nehmen wir nur für den Festival-Tag in den Räumen von Sektor Heimat, draußen und an den anderen Locations ist alles kostenlos“, sagt Heck. Insgesamt liegt das Budget bei etwa 20 000 Euro. Das konnte nur mit Förderungen von der Stadt, dem Kultusministerium und Sponsoren wie Saartoto, der Peter und Luise Hager-Stiftung, der Arbeit und Kultur Saarland GmbH und dem Hotel Leidinger gestemmt werden. „Wir hoffen, die Klangkunst möglichst allen Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen“, sagt Heck.

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