„Königin“ startet in der wieder geöffneten Camera Zwo „Aber wer sollte Dir denn glauben?“

Saarbrücken · Neu in Saarbrücken: Der dänische Film „Königin“ um Familie, Macht und sexuellen Missbrauch startet heute in der wieder geöffneten Camera Zwo.

  Anne (Trine Dyrholm) und Stiefsohn Gustav (Gustav Lindh).

Anne (Trine Dyrholm) und Stiefsohn Gustav (Gustav Lindh).

Foto: SquareOne/Rolf Konow

Keine Filmfigur, die man schnell vergisst – oder los wird, auch wenn man es möchte. Anne ist eine komplexe, schwer durchschaubare Person. Um die 50 ist sie, Anwältin für Opfer von Mobbing, häuslicher Gewalt, Missbrauch und Vergewaltigung. Sie bestärkt diese Angeschlagenen, vor Gericht zu gehen, auch wenn die Anwälte der Täter sie zu diskreditieren versuchen. Annes Zuhause wirkt wie aus einem skandinavischen Architekturmagazin. Elegant, dabei ein bisschen kühl und mit der Signalwirkung des Erfolgs. Gatte Peter ist Arzt, die Ehe wirkt stabil bis harmonisch; bei Diskussionen hat Anne das letzte, meist gut gewählte Wort.

In diese gut geregelte Welt kommt Gustav, Peters 17-jähriger Stiefsohn, der nach der x-ten geschmissenen Schule hier in ruhige Bahnen gelenkt werden soll. Gustav bockt erst mit pubertärer Verstocktheit, doch Anne findet einen Zugang zu ihrem Stiefsohn – indem sie ihn freundlich lächelnd erpresst: Sie weiß, dass er einen Einbruch ins Haus fingiert hat, und verspricht, das nicht zu verraten, wenn er sich mehr Mühe gibt, sich in die Hausgemeinschaft zu integrieren. Der  Druck trägt Früchte: Gustav wird zum guten Freund von Annes jungen Zwillingen und taut langsam auf – während Anne ein erotisches Interesse an dem Minderjährigen entwickelt und ihn in einer expliziten Szene verführt. Sie beginnen eine Beziehung, über deren Tiefe die beiden wohl eine unterschiedliche Auffassung haben. Als Gustav seinem Vater von der Affäre erzählt, leugnet Anne und zeigt, dass sie bei ihren Prozessen von den Verteidigern der Vergewaltiger einiges an brutaler Taktik gelernt hat. Als Gustav zu ihr sagt, ihre Affäre sei illegal gewesen, kontert sie  „Aber wer sollte Dir denn glauben?“ – und hat wohl Recht.

Missbrauch, Macht, Verlust und Wiedererkämpfen von Kontrolle – davon erzählt der Film der Dänin  May el-Toukhy (Buch und Regie) mit hoherer innerer Spannung. Von Beginn an scheint es unter der Oberfläche wenn nicht zu köcheln, dann doch zu simmern. Über den Dialogen und Diskussionen der Eheleute liegt eine gewisse Spannung, hier scheint seit einiger Zeit nicht alles ausgesprochen worden zu sein. Doch der Film macht es sich nicht so einfach, die Affäre (und damit auch den Missbrauch des Minderjährigen) mit einer etwas schal gewordenen Ehe zu erklären. Kleine Spuren werden ausgelegt; Anne scheint eine schwierige Kindheit gehabt zu haben, deutlicher wird es nicht – ist sie selbst ein Opfer, das nun wiederholt, was ihr geschah? Falls ja, sieht der Film darin allerdings keine Rechfertigung: Im letzten Drittel wird „Königin“ zu einem hartem Psychodrama, das von Manipulation erzählt, von der Macht der Lüge und davon, dass man manchmal etwas gegen seine Überzeugung glauben will, weil es das Leben leichter macht.

Grandios gespielt ist dieser Film. Gustav Lindt  gibt der Figur des Stiefsohns ebenso eine unterschwellige Aggressivität mit wie eine enorme Empfindsamkeit, sobald er sich einem Menschen einmal öffnet – in diesem Fall mit für ihn fatalen Folgen. Trine Dyrholm, das Zentrum des Films, ist exzellent als schwer durchschaubare Anna, die sich um Opfer kümmert und selbst zur Täterin wird; die ebenso liebende Mutter sein kann wie ein Monster.

Ab Donnerstag in der Camera Zwo (Sb)

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