Polit-Thriller „Das Ende der Wahrheit“ Im Geheimdienst ihrer Mauschelei

Saarbrücken · Der Eröffnungsfilm des jüngsten Ophüls-Festivals startet in unseren Kinos: der deutsche Polit-Thriller „Das Ende der Wahrheit“ mit Ronald Zehrfeld und einem grandiosen Alexander Fehling.

 Ronald Zehrfeld als BND-Agent Behrens, dem Zweifel an der Arbeit des Bundesnachrichtendientes kommen.

Ronald Zehrfeld als BND-Agent Behrens, dem Zweifel an der Arbeit des Bundesnachrichtendientes kommen.

Foto: Prokino / Walker + Worm Film/Bernd Schuller

Deutsche Polit-Thriller im Kino? Die sind selten. So musste sich Regisseur und Autor Philipp Leinemann die Frage „Ja, ist das denn Kino?“ auch von mehr als einer Filmförder-Institution anhören. Dennoch hat er den sehenswerten Film auf den Weg gebracht: „Das Ende der Wahrheit“ hat im Januar das 40. Filmfestival Max Ophüls Preis eröffnet, jetzt startet er in den Kinos. Um den Bundesnachrichtendienst geht es, um Lobbyismus, um Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft – sowie, nicht zuletzt, um das eigene Gewissen. Das belastet den Bundesnachrichtendienst-Mann Behrens (Ronald Zehrfeld) ersteinmal nur in Maßen, wenn er sich etwa als Übersetzer ausgibt, einen Asylbewerber nach brisanten Informationen aus dessen Heimat befragt und ihm dafür eine Aufenthaltsgenehmigung verspricht („Klar doch!“) – und das dann nicht hält.  Auf Basis der Informationen tötet die US-Armee per Drohne in der (fiktiven) Region Zahiristan einen islamistischen Miliz-Chef; der getäuschte Informant wird später in seiner Heimat enthauptet. Ein Anschlag auf ein Münchener Café scheint ein IS-Racheakt zu sein – doch Behrens kommen Zweifel, wurde bei dem Anschlag doch seine Freundin regelrecht hingerichtet: eine Journalistin, die über Verbindungen zwischen dem BND und der Waffenlobby recherchierte.

Dass ein BND-Agent sorglos mit einer Journalistin liiert ist, die in Sachen BND recherchiert, ist eine ziemlich konstruierte Drehbuch-Idee – aber zugleich ist sie der Motor der spannenden und wendungsreichen Handlung, die durch ein politisches Minenfeld führt. Behrens‘ Zweifel an den integren Motiven einiger BND-Agenten sind dort verständlicherweise unwillkommen, so dass man ihm einen Aufpasser an die Seite stellt, den drögen Bürokraten und Karrieristen Lemke, wunderbar nassforsch hingeschnoddert von Alexander Fehling; dafür hat er gerade einen Deutschen Filmpreis gewonnen. Erst blickt Lemke von weit oben herab auf Behrens, doch langsam kommt auch er ins Grübeln, vor allem über seinen Vorgesetzten Rauhweiler, eisig gespielt von Axel Prahl.

 Karrierist Lemke (Alexander Fehling, rechts) und sein undurchsichtiger Vorgesetzter Rauhweiler (Axel Prahl).

Karrierist Lemke (Alexander Fehling, rechts) und sein undurchsichtiger Vorgesetzter Rauhweiler (Axel Prahl).

Foto: Prokino / Walker + Worm Film/Bernd Schuller

Es liegt also einiges im Argen beim Bundesnachrichtendienst in diesem Film. Aber als BND-Schelte will Regisseur und Autor Philipp Leinemann, der 2014 mit seinem Debüt, dem kritischen Polizeifilm „Wir waren Könige“, viel Beachtung fand, nicht verstanden wissen. Sein Film erzähle vielmehr davon „was geschieht, wenn  einzelne Akteure beim BND mit der Privatwirtschaft kungeln“.  Und generell davon, „dass dem BND die Hände mehr und mehr gebunden sind, seinem eigentlichen Job nachzukommen – Informationen  sammeln,  analysieren und auch präsentieren“. Denn wenn „die politische Agenda derzeit so ist, dass Deutschland mit Ländern wie zum Beispiel Saudi-Arabien Geschäfte machen will, dann kann der BND schlecht laut sagen, dass dort die Menschenrechte mit Füßen getreten werden“.

Für die Recherche hat sich Leinemann (40) neben viel Lektüre auch mit BND-Mitarbeitern getroffen, zum Teil „unter ziemlich konspirativen“ Bedingungen – der BND war an keiner Zusammenarbeit interessiert. Viel „Frustration über den eigenen Laden“ sei bei diesen Treffen zu spüren gewesen, sagt Leinemann. „Dort, das hörte ich öfter, sind sie ständig damit beschäftigt, Akten herauszusuchen für Ausschüsse, die von der Opposition veranstaltet werden, so dass sie zu ihrer eigentlichen Arbeit kaum noch kommen.“ Zudem würden zu viele Agenten aus den Maghreb-Staaten oder dem Nahen Osten abgezogen, aus Sparmaßnahmen oder dem „Irrglauben“, dass man sich komplett auf Satellitentechnik verlassen könne.  „Das führte dann zum Beispiel dazu, dass Ereignisse wie der Arabische Frühling und das Erstarken des IS gar nicht mehr wirklich frühzeitig erkannt wurden.“

 Regisseur und Autor Philipp Leinemann bei den Dreharbeiten.

Regisseur und Autor Philipp Leinemann bei den Dreharbeiten.

Foto: Bernd Schuller/BERND SCHULLER

Der Drohnenangriff ist eine der eindringlichsten Szenen: eine Parallelmontage von Bildern des Drohnenanflugs und Bildern von Behrens, wie er seiner Tochter ein Gedicht vorliest – ein sinniges Bild für nur scheinbar saubere, fast klinische Einsätze, die uns nichts angehen – das redet man sich zumindest gerne ein. „Aber die Kontrollstationen stehen in Ramstein, für Zentralasien,  und in Stuttgart, für Afrika“, sagt Leinemann, „so gesehen passiert das Ganze auch auf deutschem Territorium.“ Der BND habe in Asylbewerberheimen Handydaten gesammelt, um an die Nummern von gesuchten vermeintlichen Terroristen heranzukommen und über die Handys ihre Position zu orten. „Diese Daten wurden an die CIA weitergegeben. Was ist mit denen passiert? Hat sich Deutschland da der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht?“ Es gebe keine Urteile,  keine Prozesse, „wir erklären diesen Ländern keinen Krieg, aber von deutschem Boden aus starten Drohnen, um jemanden zu töten“. Gerade unter Präsident Obama sei das „in einem riesigen Ausmaß passiert – das war eigentlich Obamas Krieg.“

Von der moralischen Unübersichtlichkeit erzählt Leinemann trotz eines überschaubaren Budgets von unter zwei Millionen Euro mit Kinobildern im Scopeformat (von Christian Stangassinger), exzellenten Darstellern, darunter Claudia Michelsen, Walter Kreye und August Zirner, und auch einiger Action, wenn auch nicht in klassisch erwartbaren Mustern: Bei einem Angriff auf einen BND-Konvoi übergibt sich Behrens vor Angst, während sein Kollege eine Panikattacke erleidet. Kommerzieller Erfolg ist diesem gelungenen Film zu wünschen – der würde auch einiges tun für das geringe Vertrauen von Geldgebern und Filmförderern in deutsches Genre-Kino.

„Das Ende der Wahrheit“ startet morgen in der Camera Zwo (Sb). Ausführliches Interview mit dem Regisseur unter  www.saarbruecker-zeitung.de/kultur

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