Musikfestspiele Saar Die Halle ist eine Wucht, der Hall leider auch

Überherrn · Die „Kathedrale der Wellen“ bei Felsberg beeindruckt, das Konzert der Musikfestspiele aber kämpfte mit der Akustik.

 Alles auf Abstand: das Musikfestspiel-Konzert im früheren Sender „Europe 1“.

Alles auf Abstand: das Musikfestspiel-Konzert im früheren Sender „Europe 1“.

Foto: Oliver Schwambach

Wer in diesen epedemischen Zeiten Kultur wagt, hat sowieso schon mal Beifall verdient. Kultur bleibt derzeit ja oft Zuschussgeschäft. Volle Säle gelten bloß noch als selige Erinnerung, die aktuell möglichen Eintrittserlöse sammeln sich bestenfalls zum dünnen Finanzrinnsal. Eine Katastrophe!

Auch die Musikfestspiele Saar traf Corona in diesem Jahr mit voller Breitseite. Umso erfreulicher, dass sie sich nun zurückgemeldet haben. Noch dazu in bester Tradition: Neue, spannende Spielplätze für die Musik in der Region zu erobern, zählte schon für Festivalgründer Robert Leonardy zur Festspiel-DNA, Bernhard Leonardy und Eva-Karolina Behr knüpften daran nahtlos an, indem sie am Sonntag die imposante Halle des früheren Langwellensenders Europe 1 bei Felsberg, quasi direkt auf der deutsch-französischen Grenze, gleich zwei Mal zum Konzert­ort machten. Pioniergeist nennt man das.

Seit kurzem hat das Saar-Festival eine elektronische Orgel im Besitz, ein drei-manualiges Wunderwerk. Dank digitalen Samplings schafft sie die nahezu perfekte Klang-Illusion berühmter Orgeln. Augen zu – und man glaubt sich einer romantischen Cavaillé-Coll gegenüber. Auch dem Sound etwa einer Kinoorgel kommt man verblüffend nahe. Dazu ist Festivalchef Bernhard Leonardy bekanntermaßen ein herausragender Organist. All’ diese Zutaten also müssten doch ein einzigartiges Konzerterlebnis ergeben. Müssten...

Leider aber ist die „Kathedrale der Wellen“ mit bis zu 16 Metern Deckenhöhe, atemraubend kühn gespanntem Beton und Glas, wohin das Auge blickt, sicher vieles: ein Palast der Nachkriegsmoderne, ein Dom der Technik, nur ganz sicher kein Konzertsaal. Anders gesagt: Leonardys Spiel und die Klangopulenz der Orgel sind eine Wucht, der Hall in der Halle allerdings auch. Nur halbwegs forcierte Dynamik deckt der erbarmunglos zu, feine Nuancen suppen völlig weg. Wie schön Leonardy so ein musikalisches Perpetuum mobile, Bachs D-Dur-Fuge (BWV 532), schnurren lässt, kommt bestenfalls klar vernehmlich bei jenem Teil der 90 Zuhörer an, die nah genug an der Orgel sitzen.

Noch problematischer wird es, wenn es in die Tiefe geht. Wenn Leonardy auf den Pedalen das Dauer-Ostinato aus Ravels Bolero steppt. Dann tanzen leider etliche Fensterscheiben mit, brummen, scheppern und vibrieren. Allein Getragenes wie César Francks Prélude, Fugue et Variation entkommt den akustischen Tücken und strahlt unter Leonardys Füßen und Händen. In dieser Hinsicht gleicht die „Kathedrale der Wellen“ leider so manchem ihrer steinernen Ahnen: Beeindruckende Architekur beeindruckt eben nicht unbedingt mit guter Akustik.

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