Tanzfestival Saar Männer, Muckis und Messertänze

Saarlouis/Saarbrücken · Mit „Danser Casa“ fand die dritte Ausgabe des Tanzfestivals Saar am Dienstagabend im Saarlouiser Theater am Ring einen temperamentvollen Abschluss.

 Energiegeladene Vorstellung: Die Tänzer von „Danser Casa“.

Energiegeladene Vorstellung: Die Tänzer von „Danser Casa“.

Foto: Michel Cavalca

„Danser Casa“ ist ein intensives, rasantes, in Teilen aggressiv anmutendes Tanzstück mit vielen akrobatischen Einlagen über und mit acht jungen Tänzern, die „wie die Kinder der Banlieues, Favelas und Plattenbauten den HipHop als ihre ureigenste Ausdrucksform“ gefunden haben, wie es im Programm heißt. Die beiden bekannten französischen Choreografen Kader Attou und Mourad Merzouki, die in den späten 1980er Jahren die Compagnie Accrorap gründeten und mit ihr HipHop und Street Dance auf die Theaterbühnen brachten, haben sich 2017 für das „Danser Casa“-Projekt wieder zusammengetan. Rund 250 Menschen waren – trotz Corona-Krise – gekommen, um die Compagnie zu sehen, die eine furiose Show ablieferte und das Publikum zu stehenden Ovationen brachte.

Das Stück entstand in Marokko in Zusammenarbeit mit sieben außergewöhnlichen Tänzern und (nur) einer Tänzerin, die ihre eigenen unterschiedlichen Stile einbringen konnten und vom Leben junger Menschen in Marokkos größter Stadt Casablanca erzählen. Dort, wie in allen Großstädten dieser Welt, trifft sich die Jugend auf der Straße. Zum Feiern, zum Tanzen, zum Kämpfen – oder auch aus Langeweile, weil es mangels Arbeit und Perspektive nicht viel anderes zu tun gibt. Die Tänzer bringen dieses Straßen-Feeling in schummriger, klischeehaft durch Nebel, marokkanische Lampen und bunte Kissen orientalisch aufgeladener Atmosphäre auf die Bühne. Unbändiger jugendlicher Taten- und Bewegungsdrang, penetrantes Macho-Gehabe, Break Dance und afrikanischer Tanz, folkloristische Elemente und atemberaubende Akrobatik vermischen sich hier zu einer Show, deren einzelne Tanzelemente sich zwar auf Dauer ein wenig zu oft wiederholen. Die aber ob ihrer körperlichen Präsenz und der Authentizität der Tänzer beeindruckt. Hinzu kommt eine mitreißende, betörende, teils elektronisch verfremdete Musik mit orientalischen Instrumenten, deren schneller Rhythmus das hektische Leben der Großstadt spiegelt, in der sich diese Tänzer bewegen. Meditative Momente sind rar, doch immer wieder löst sich einer aus der Gruppe und zeigt, wie gefühlvoll Break Dance sein kann. Die körperliche Präsenz dieser kraft- und energiegeladenen Menschen ist immens.

„Danser Casa“, das ist Tanzen wie ein sportlicher Wettkampf, manchmal auch wie eine brutal ausgetragene Straßenfehde. Die Männer machen Muckis, drängen sich gegenseitig ab, imitieren Rang- und Messerkämpfe, protzen saltoschlagend und sich auf dem Kopf drehend mit ihrer Männlichkeit und Power. Wer gehört dazu, wer nicht? Dazwischen die einzige Tänzerin, die den Jungs in ihrem tänzerischen und akrobatischen Können in nichts nachsteht und in einer kurzen Szene am Schluss die einzige ist, die nicht keuchend und durchgetanzt am Boden liegt. So viel politische Korrektheit muss eben auch sein, wenn die Bühne derart männlich dominiert ist. Mit wie viel Herzblut und Enthusiasmus gerade diese junge Truppe bei der Sache war, bewies deren Zugabe: Fünf Minuten lang zeigten die acht Tänzer weitere Moves und Tanzkunststücke. Das Publikum war begeistert.

Dass man ausgefallene, hoch aktuelle Stücke wie „Danser Casa“ im Saarland zu sehen bekommt, ist ein großes Verdienst der Macher des Tanzfestivals Saar, Staatstheater-Ballettchef Stijn Celis und dessen Compagnie-Manager Klaus Kieser. Denn der zeitgenössische Tanz bietet unzählige Facetten. In Saarbrücken und Saarlouis waren dieses Mal neun Produktionen zu sehen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Das schärft den Blick, macht Spaß, überrascht.

 SST-Ballettchef und Festivalmacher Stijn Celis.

SST-Ballettchef und Festivalmacher Stijn Celis.

Foto: Martin Kaufhold/martinkaufhold.de

„Ich bin sehr zufrieden“, strahlte denn auch Stijn Celis bei der letzten Vorstellung des Festivals. „Die Stimmung war gut und wir hatten viele positive Rückmeldungen.“ Zudem hatte man Glück im Unglück. Das Festival schrammte gerade noch vorbei an der Coronavirus-Katastrophe, denn viele Veranstaltungen werden derzeit landesweit abgesagt. Mit insgesamt 2700 Besuchern konnte man die Zahlen von 2018 um ein Plus von 400 verbessern. Ein beachtlicher Erfolg, gerade in Zeiten wie diesen.

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