Exponate und Bilder gesucht Gesucht: Die Ursprünge der Saarländer

Saarbrücken · Das Historische Museum Saar und K8 suchen Exponate und Bilder aus den 1920er Jahren. Aus den Funden sollen eine Ausstellung und eine Datenbank entstehen.

 Arbeiter errichten das Kraftwerk Fenne I. Hier ein Bild aus dem Jahre 1923 oder 1924. 1926 geht das Kraftwerk ans Netz. Auch solche Bilder sucht K8.

Arbeiter errichten das Kraftwerk Fenne I. Hier ein Bild aus dem Jahre 1923 oder 1924. 1926 geht das Kraftwerk ans Netz. Auch solche Bilder sucht K8.

Foto: Andreas Detemple/Kraftwerk Fenne

Der Saarländer – seine frankophile Ader, sein Laisser-faire, seine Liebe fürs gute Essen, der nicht ganz so strenge, der herzliche Mensch – eben der etwas andere Deutsche: So sieht sich der Saarländer gern. Ohne Frage. Auf die Frage, worauf seine Identität fußt, sind seine Antworten oft so mannigfaltig wie sein Selbstbild. Dabei lässt sich Identität einfach definieren: Sie ist die Gesamtheit der Eigenheiten. Und von denen hat der Saarländer genügend. Seit nun mehr 100 Jahren. Denn seither gibt es ihn. Zumindest sind ihm seit 1920 seine Grenzen gesetzt. Seine geographischen.

Das kam so: Nach dem Ersten Weltkrieg, 1918, ist die Welt mächtig aus den Fugen. In Versailles wollen Delegierte aus 30 Nationen sie 1919 wieder gerade rücken. Was tun mit dem ehemaligen Kaiserreich, das nun die Weimarer Republik ist? Die Sieger tagen und streiten lange, vor allem über die linksrheinischen Gebiete in Deutschland. Die will Frankreich für sich haben. Doch das wollen vor allem die Amerikaner nicht. Und so kommt es zu einem Kompromiss. Die Siegermächte gestehen Frankreich im Versailler Vertrag Elsass-Lothringen in Gänze zu, erfinden ein weiteres Land und nennen es „Saargebiet“. Dazu legen sie ehemals preußische und bayrische Gebiete in Blies- und Saartal zusammen. Dabei orientieren sie sich an den Arbeitswegen der Stahl- und Grubenarbeiter. Sie sollen im Saargebiet auf dem Weg zur Arbeit keine Grenze überschreiten müssen. Und so setzen sie die Grenzsteine bei Homburg, bei Merzig, bei St. Wendel, bei Saarbrücken und stellen das neue Flächenland unter Schutz und Verwaltung des damals neu gegründeten Völkerbundes – der Vorläufer der heutigen UNO.

Vor allem die Franzosen haben im Saargebiet das Sagen, die von 1920 an in dem Industriegebiet die Steinkohlegruben ausbeuten dürfen. Als Reparationszahlung sozusagen. 15 Jahre lang. Danach sollen die Saarländer entscheiden, wo sie hingehören wollen. Zu Deutschland, zu Frankreich – oder beim Völkerbund bleiben. Das heutige „Saarland“ ist als Flächenland geboren. Fast. Der südliche Hunsrück und der nordöstliche Saargau sollen erst nach Zweiten Weltkrieg dazukommen.

Dennoch: Dieser wichtige Schritt zur saarländischen Identität jährt sich im kommenden Jahr zum 100. Mal. Grund genug, ihn aufzuarbeiten, ihn nachzuzeichnen und ihn zu ergänzen – mit anderen Eigentümlichkeiten, die seither der Identität der Menschen, der Gesellschaft der Saarländer einen Rahmen geben. Eine Aufgabe für Historiker, für Künstler, für Wissenschaftler, für Interessierte, für Saarländer und auch für die Staatskanzlei. Ein Gemeinschaftsprojekt – diese Suche nach den Grundfesten der Identität.

Dabei machen sich die ersten schon auf den Weg. Und brauchen Hilfe. Zum Beispiel das Historische Museum Saar. Das plant eine Sonderausstellung über das Saarland. Name: „Die 20er Jahre“. Dafür sucht das Museum nun Exponate, die auf saarländischen Dachböden liegen, in Kellern verstauben oder in Vitrinen strahlen. Aus nahezu allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens: aus der Geschäfts- und Arbeitswelt, Vereine, Handel, Gewerbe, Mode, Kunst, Waren, Inneneinrichtung, Reklame, Mobilität (Fahrräder oder Motorräder), technische Neuerungen (Radio, Haushaltsgeräte), Fotos und Plakate. Haben sie was? Melden Sie sich (siehe Info).

Auch das „K8 – Institut für strategische Ästhetik“ sucht die Hilfe der Saarländer. 2015 haben die Hochschule für Musik (HfM) und die für Bildende Künste (HBK) das Institut gegründet. K8 hat gemeinsam mit dem historischen Museum Saar und dem Ministerium für Bildung und Kultur des Saarlandes ein Projekt gestartet. Es nennt sich „Maschinenräume: Technologie, Selbstbestimmung und Ordnungssehnsucht 2020/1920“. Das Projekt ist ein Beitrag des Saarlandes zum europäischen Kulturerbe-Jahr und der Sharing-Heritage-Initiative (Erbe-teilen-Initiative) der Bundesrepublik. Ein Projekt, das sich um die Rolle des technischen Wandels in Arbeits-, Lebens- und Zukunftswelten dreht. Die der 1920er Jahre will K8 dokumentieren, mit den technischen Mitteln der heutigen, der digitalen Arbeitswelten. Und so einen Bogen spannen, der die damaligen Identitäten mit den heutigen verknüpft. Das soll in unterschiedlichen Projekten geschehen. In Workshops, Konferenzen, Diskussionsrunden oder Salons. Und in der Ausstellung des Historischen Museums. Die Veranstaltungsreihe und Kooperationen wollen die Macher Mitte Mai vorstellen. Ein Teilprojekt, das K8 gemeinsam mit der Saarbrücker Zeitung, dem deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und dem saarländischen Museumsverband umsetzt, will das Institut jetzt schon anschieben. Es will ein Bildarchiv zum Saarland in den 1920ern aufbauen. Dazu ruft es die Saarländer auf, sich mit privaten Bildern zu beteiligen. Sie melden sich, K8 scant. Durch ergänzende Interviews will das Institut weitere Daten gewinnen, die eine DFKI-Archiv-Software auswerten soll. Ein Nebeneffekt für alle, die Fotos zur Verfügung stellen: Der Software könnte es gelingen, die Schwarz-Weiß-Bilder einzufärben und damit eine neue Sichtweise auf die Vergangenheit zu eröffnen. Auf das die „etwas anderen Deutschen“ den Ursprung ihrer Idendität nicht nur vor Augen haben, sondern von ihm für die Zukunft lernen können. Und noch lässiger werden.

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