Liederabend mit Dagmar Manzel im Saar-Staatstheater „Die 20er Jahre sind so voll, so hochemotional“

Saarbrücken · Als Schauspielerin kennt man sie aus vielen Filmen. Am Samstag präsentiert Dagmar Manzel im Saar-Staatstheater ihren Liederabend „Sehnsucht“.

  Mal melancholisch, mal komödiantisch wie links auf dem Bild: Schauspielerin und Sängerin Dagmar Manzel hat viele Gesichter und Talente.

Mal melancholisch, mal komödiantisch wie links auf dem Bild: Schauspielerin und Sängerin Dagmar Manzel hat viele Gesichter und Talente.

Foto: Janine Guldener

Die Schauspielerin und Sängerin Dagmar Manzel (61) ist nach eineinhalb Jahren wieder zu Gast in Saarbrücken. Am Samstag präsentiert sie ihren Liederabend „Sehnsucht“ im Saarländischen Staatstheater. Die Berlinerin ist nicht nur aus Film und Fernsehen bekannt, und hat mit vielen bekannten Regisseuren gedreht. Im Franken-Tatort spielt sie etwa seit Jahren die Kommissarin Paula Ringelhahn. Sie gastiert zudem seit 15 Jahren als Musical-Sängerin an der Komischen Oper in Berlin, und spielt auf den großen Theaterbühnen der Republik, darunter das Deutsche Theater und das Berliner Ensemble. Manzel hat unzählige Preise gewonnen, zum Beispiel den Adolf-Grimme-Preis und mehrfach den Deutschen Fernsehpreis. Bei ihren Liederabenden verbindet sie ihre beiden großen Leidenschaften Schauspielerei und Gesang mit ihrem Faible für Musik und Kultur der 1920er Jahre.

„Sehnsucht“ ist nach „Menschenskind“, einer Hommage an den Komponisten Friedrich Hollaender, Ihre neue CD mit Liedern und Texten aus den 20er Jahren. Woher kommt die Faszination für diese Zeit?

MANZEL Ich bin seit 15 Jahren als Gast-Sängerin an der Komischen Oper in Berlin und es sind dort fast ausschließlich Rollen aus den 20er und 30er Jahren, die ich singe und spiele (zurzeit ist sie in dem Musical „Anatevka“ zu sehen, Anm. d. Red.). Ich beschäftige mich daher intensiv mit dieser Zeit. Ein Sammelbecken aller großen Künstler in den 1920er Jahren war Berlin. Damals sind unglaublich schöne Texte, Stücke und Lieder entstanden. Diese Zeit ist so voll und hat so eine hohe emotionale Spannung, dass man immer wieder Texte und Musik findet, die unter die Haut gehen und einen ins Heute schleudern, weil man sich darin auch politisch auseinandersetzte. Ich möchte nichts aus den 50er und 60er Jahren singen, da waren die Texte schwach, man hat sich nicht auseinandergesetzt, sondern verdrängt.

Die angeblich wilden und Goldenen 20er Jahre werden heute – 100 Jahre später – wieder beschworen, Parallelen werden gezogen....

MANZEL Ich sehe die Parallelen nicht. In den 1920er Jahren entstanden die „Goldenen“ Zwanziger aus dem totalen Zusammenbruch nach dem Ersten Weltkrieg. Es war eine schlimme Zeit, in Deutschland herrschte Armut, dann kam die Weltwirtschaftskrise. Und dann das Nazi-Regime mit all seinem Schrecken und Elend.

Heute leben wir zwar in Frieden und Wohlstand in Deutschland, aber beide Epochen verbindet durchaus etwas Apokalyptisches...

MANZEL Ja, aber ich möchte das nicht vergleichen. Wir befinden uns nicht in der Zeit einer Weltwirtschaftskrise.

Das Album „Sehnsucht“ verknüpft Literatur und Musik. Sie singen nicht nur, sie tragen auch Gedichte vor. Wie haben Sie die Stücke ausgesucht? Es ist ein nachdenkliches, melancholisches Album um Themen wie Abschied, Tod, Schwermut, Einsamkeit.

MANZEL Das Album besteht nicht nur aus Texten und Liedern aus den 20er und 30er Jahren, von großen Künstlern wie Tucholsky oder Brecht und Mehring, Komponisten wie Eisler und Hollaender oder Paul Abraham. Sondern es kommen Texte und Musik hinzu, die mich in meiner Jugend sehr geprägt haben und die ich weitergeben möchte. Es ist ein sehr persönlicher Querschnitt.

Was erwartet das Saarbrücker Publikum?

MANZEL Der Liederabend findet anders statt als die CD, aber man kann viele Lieder auf der CD wiederfinden. Es kommen Lieder und Arien hinzu aus Stücken, die ich an der Komischen Oper in Berlin spiele. Der erste Teil des Abends ist sehr komödiantisch. Im zweiten Teil wird es dann ernster. Die CD ist sozusagen mein „Melancholie-Extrakt“, der Liederabend ist ein richtiger Theaterabend, der unterhält.

Sie sind immer auch mit ganzem Herzen Schauspielerin...

MANZEL Ja, auf jeden Fall und gerne sehr komödiantisch (lacht).

Sie machen unglaublich viele Projekte: Sie singen an der Komischen Oper, stehen im Deutschen Theater auf der Bühne, filmen fürs Fernsehen und fürs Kino, sprechen Hörbücher ein...Wie schaffen Sie das?

MANZEL Weil mich so vieles interessiert. Ich spiele seit mehr als 40 Jahren Theater, das ist meine Basis. Seit 15 Jahren ist das Musiktheater hinzugekommen. Dass ich beim „Tatort“ mitmache oder jetzt in der ZDF-Verfilmung des Bestsellers „Unterleuten“ von Juli Zeh spiele, das sind einfach alles tolle Herausforderungen. Zurzeit beschäftige ich mich mit Arnold Schönberg für eine neue Produktion. Und dann habe ich noch meine Liederabende und meine Lesungen.

Sie haben also immer ziemlich viel zu tun...

MANZEL Ich habe unglaublich viel zu tun. Ich muss immer kämpfen, um frei zu haben für eigene Projekte wie diese CD. Es ist eine CD, wie ich sie immer schon haben wollte, deshalb haben wir sie auch selbst produziert. Ich wollte es so machen wie ich es will. Bei der Vorstellung in der Komischen Oper hat es dann sehr gut geklappt. Ich arbeite mit fantastischen Musikern, die zum Teil im Orchestergraben der Komischen Oper sitzen. Alle sind auf ihren Instrumenten Solisten und ich glaube das hört man auch auf der CD. Der Liederabend ist daher wirklich ein gemeinsamer Abend, das heißt, dass Dagmar Manzel nicht nur von Musikern begleitet wird, sondern wir das gemeinsam machen.

Nicht erst seit „Babylon Berlin“ interessieren sich auch jüngere Menschen für die Kultur der 20er Jahre, man spürt eine melancholische Endzeitstimmung...

MANZEL Mein Liederabend ist geprägt von Melancholie. Und auch die Zeit, in der wir leben, ist geprägt von Melancholie, von Abschied. Denn Unruhen und Kriege rücken immer näher, sind in Europa angekommen. Wir treffen auf einmal Menschen, die alles verloren haben. Die sind nicht mehr weit weg.

Sind Sie ein melancholischer Mensch?

MANZEL Ich glaube, man muss beides haben, Melancholie und Humor. Der Welt nur mir größtem Optimismus zu begegnen ist naiv. Die Melancholie gehört zu meinem Leben. Trotzdem bin ich kein zutiefst melancholischer Mensch. Es gibt dieses schöne Zitat von EmiI M. Cioran „In einer Welt ohne Melancholie würden die Nachtigallen anfangen zu rülpsen“. Der einsamste Melancholiker war vielleicht Hollaender und deshalb sind seine Lieder und Texte so stark. Er bezeichnete sich aber auch als „lachenden Melancholiker“.

 Dagmar Manzel in dem 30erJahre-Operetten-Hit „Ball im Savoy“ (l.), hier mit Katharine Mehling, der seit 2012 erfolgreich an der Komischen Oper lief und 2021 wieder aufgenommen wird.

Dagmar Manzel in dem 30erJahre-Operetten-Hit „Ball im Savoy“ (l.), hier mit Katharine Mehling, der seit 2012 erfolgreich an der Komischen Oper lief und 2021 wieder aufgenommen wird.

Foto: Iko Freese / drama-berlin.de

Ein berühmtes Lied von Friedrich Hollaender, das Sie singen, heißt „Wenn ich mir was wünschen dürfte...“ – Wenn Sie sich nun etwas wünschen dürften, was wäre das?

MANZEL Es gibt persönliche Wünsche und andere, die über einen selbst hinaus gehen. Mein größter Wunsch ist, dass wir in Frieden leben. Wir haben ein solches Glück, dass wir in Deutschland in einer so friedlichen Zeit leben dürfen, während ringsherum auf der Welt Kriege toben. Man muss sich immer wieder bewusst machen, was wir tun müssen, wie wir uns einbringen in die Gesellschaft über die künstlerische Arbeit hinaus. Meine Aufgabe ist, die Menschen im besten Sinne zu unterhalten und ihre Herzen zu öffnen, damit sie vielleicht ein wenig über ihren privaten Tellerrand hinausschauen.

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