Bestseller-Autorin in Limbach Abstiegsängste von Besserverdienern

Kirkel-Limbach · Bestseller-Autorin Anke Stelling las in Limbach aus „Schäfchen im Trockenen“.

 Erhielt den Preis der Leipziger Buchmesse: Die Berliner Schriftstellerin Anke Stelling, hier bei ihrer Lesung in Limbach

Erhielt den Preis der Leipziger Buchmesse: Die Berliner Schriftstellerin Anke Stelling, hier bei ihrer Lesung in Limbach

Foto: Silvia Buss

Kein Platz blieb mehr frei am Freitagabend, bei der vorletzten Autorenlesung im Rahmen des Festivals „ErLesen“.  Um die 200 Menschen waren gekommen, um im Kirkel-Limbacher Theobald-Hock-Haus die aus Ulm stammende Berlinerin Anke Stelling aus ihrem Roman „Schäfchen im Trockenen“ lesen zu hören. Der handelt von einer finanziell eher klammen Schriftstellerin, die aus ihrem Besserverdiener-Freundeskreis samt Wohnung im Berliner Prenzlauer Berg wegen „Nestbeschmutzung“ verstoßen wird und nun von Schuldgefühlen, Wut und Ängsten geplagt wird.

Von Abstiegsängsten genauer gesagt, denn Resi, ihren vier Kindern und dem Ehemann droht gentrifizierungsbedingt ein Umzug an den Berliner Stadtrand, nach Marzahn, wo die Armen zu Hause sind. Ob man sich solche Wohnlagen-Abstiegsängste in der saarländischen Provinz wohl überhaupt vorstellen kann, scheint sich die Prenzelbergschwäbin, Jahrgang 71, zu fragen. Bezahlbarer Wohnruam sei ja in Limbach wahrscheinlich noch nicht so das Problem, sagte sie. Da tönt es vielfach „Oh, doch“. Es gibt also durchaus Widerspruch aus den mit Menschen jeden Alters besetzten Reihen.

Und auch sonst geht das Publikum bei der Lesung, der ein halbstündiges Gespräch mit SR-Journalist Peter König folgt, sehr gut mit. Wiedererkennendes Lachen vernimmt man des Öfteren, wenn Stelling die Erzählerin in ihrem leicht autobiografischen Roman in Selbstvorwürfen baden lässt, wenn sie beispielsweise darüber räsoniert, was sie ihren Kindern zumute, oder von den Marotten des Freundeskreises erzählt.

Dass ein Prenzelberg-Milieu-Roman in einem kleinen Ort auf dem Lande auf so viel Publikumsinteresse stößt, verdankt sich sicher auch der Tatsache, dass Anke Stelling dafür kürzlich mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde. Dass der Roman, der derzeit auf Platz vier der Spiegel-Bestsellerliste steht, so tagesaktuell, ja geradezu „passgenau“ zur Mietendebatte wirke, oder in Stellings ironischen Worten: „Große Mietendemo, hier Resi, das Buch dazu“, sei kein Kalkül gewesen. Eher sei es so, dass man, wenn man nah an der Gegenwart schreibe, wie es Stellings Anliegen ist, immer Themen anspreche, die „drängen“. Auch gehe es in den „Schäfchen“ um mehr als Gentrifizierung, so Stelling, nämlich um das Porträt einer Frau, einen Generationenroman. Und vor allem um die von der Politik und den Eltern in den 70ern suggerierte Chancengleichheit, den Bildungsillusionen, denen Resi aufgesessen ist und vor denen sie nun mit aufklärerischem Eifer ihre Tochter bewahren will.

„Seine Schäfchen ins Trockene zu bringen, heißt nicht, mit dem Schäferhund befreundet zu sein, sondern den Stall und das Land zu besitzen“, zitiert Stelling am Ende der Lesung die bittere Erkenntnis der prekären Schriftstellerin Resi, die sich erlaubt hatte, ihre intime Kenntnis der Stallbesitzer als Stoff für einen Roman zu nutzen.

Das hatte Stelling mit „Bodentiefe Fenster“ auch im wahren Leben gewagt. Wie problematisch das sei, wie übel ihr das genommen wurde von den Freunden, habe sie nicht geahnt. „Ich bin ähnlich naiv wie die Resi“, gesteht Stelling. Aus der Wohnung flog sie aber wohl nicht. Sie wohnt mit Familie noch immer in Prenzelberg und will dort auch nicht weg.

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