Auszeichnung für das Glashaus Saarschleife in Dreisbach Wer im Glashaus sitzt, der sitzt sehr gut

Mettlach/Dreisbach · Erstmals ist der Spielstätten-Preis „Applaus“ der „Initiative Musik“ ins Saarland gegangen. Gleich zwei Veranstaltungsorte wurden Ende des Jahres ausgezeichnet – wir stellen die Gewinner vor. Heute: das Glashaus Saarschleife in Dreisbach mit seiner Reihe „Musik am Bau“.

 Christoph „Baum“ Klein, der 2. Vorsitzende und Kurator des Musikprogramms, im selbstgezimmerten Sitzmöbel auf der Bühne des Glashauses.

Christoph „Baum“ Klein, der 2. Vorsitzende und Kurator des Musikprogramms, im selbstgezimmerten Sitzmöbel auf der Bühne des Glashauses.

Foto: Kerstin Krämer

Im Norden des Saarlands, quasi am Tor zur malerischen Saarschleife, liegt das beschauliche Örtchen Dreisbach. Dort passiert Fabelhaftes: Ein Häuflein liebenswerter Aktivisten rackert unermüdlich, um eine ehemalige Gaststätte aus dem Jahr 1740 zum freien Kulturzentrum auszubauen. Alles an dem historischen Gemäuer ist urig: Den gemütlichen Schankraum im Untergeschoss beheizt ein tonnenförmiger Bullerjan, gegenüber liegt ein mit Kunstobjekten pittoresk bestücktes Stübchen.

Über die ausgetretenen Stufen einer knarzenden Holztreppe erreicht man unter anderem das Atelier des Glaskünstlers Rolf Spengler, der das Anwesen 2001 vor dem Verfall rettete – ihm zu Ehren heißt es deshalb heute „Glashaus“. Spengler wiederum überschrieb das unter Denkmalschutz stehende Gebäude dem Anfang 2012 gegründeten Verein „Glashaus Saarschleife e. V.“, dessen Erster Vorsitzender er lange war. In ehrenamtlicher Arbeit müht sich der aktuell rund 100 Mitglieder starke Verein, aus dem sanierungsbedürftigen Haus einen Treffpunkt für Künstler, Kulturschaffende und Touristen zu machen.

Das Gelände umfasst circa zehn Ar, bebaut mit einem Wirtschaftsgebäude, das auf zwei Etagen nutzbar ist, und einem der Straßenseite zugewandten Haus mit drei Etagen. In dessen Obergeschoss liegt das seit fünf Jahren nutzbare Epizentrum des Glashauses: der Veranstaltungsraum mit der markanten Flügel-Fensterrahmen-Deko im Bühnenhintergrund. Hier feierte im August das hauseigene Theaterensemble Premiere mit einem selbst geschriebenen und auf den Spielort zugeschnittenen Stück, das während der französischen Revolution spielt – die Zukunft der Truppe ist jedoch ungewiss, weil der Regisseur und Filmemacher Michael Laux Mitte Dezember unerwartet verstarb.

Vor allem aber spielt in diesem rustikalen Ambiente seit zwei Jahren die „Musik am Bau“: Für diese Konzert-Reihe wurde das Glashaus nun Ende November in Berlin mit dem „Applaus“ ausgezeichnet, einem Preis der Initiative Musik für die Programmplanung unabhängiger Spielstätten. Die 7500 Euro der Kategorie III für das „herausragende Live-Musikprogramm“ mit mindestens zehn Konzerten jährlich kommen gerade recht, um die dringend nötigen Schallschutzfenster zu finanzieren, berichtet der zweite Vereinsvorsitzende Christoph Klein, der das Musikprogramm verantwortet. Die Kosten für die weiteren Renovierungsarbeiten, von denen das Meiste in Eigenleistung gestemmt wird, schätzt Klein auf rund 95 000 Euro: Sie werden in den Ausbau des Dachs investiert, die sanitären Anlagen, die Glas-Überdachung des Innenhofs und in den Ausbau der Holzwerkstatt. Klein, den alle nur „Baum“ nennen, ist von Haus aus Wildholz-Schreiner und selbst als E-und Kontrabassist aktiv.

Seit vier Jahren kuratiert er außerdem alljährlich zu Pfingsten das zweitägige Benefizfestival „Dreisbach rockt die Schleife“, dessen Erlös dem Glashaus-Projekt zugute kommt. Das Event erfreut sich großen Rückhalts durch die Bevölkerung: Es wird gemeinsam mit den Dreisbachern organisiert und lockt jährlich mehr als 3000 Besucher an. Aus dem Pool der hier auf zwei Bühnen auftretenden Bands speist sich wiederum die Reihe „Musik am Bau“. Die Konzerte laufen jeweils am dritten Freitag des Monats und verstehen sich zum einen als Dankeschön an die Ensembles, die beim Festival ohne Gage auftreten - hier können sie immerhin auf Hut spielen. „Zum andern sind wir ja immer nur am Arbeiten, wir wollten aber auch mal feiern dürfen“, sagt Klein lachend. Willkommen sind Formationen aus der Großregion, Nachwuchsensembles und Nischenmusik. Kreative Eigenleistung zählt; Kommerzielles, auch Tribute-Projekte, sind verpönt. „Schlager, Grölpunk und Deathcore müssen ebenfalls draußen bleiben“, sagt Klein. Authentische Volksmusik dagegen – warum nicht?

  Das Glashaus ist eine ehemalige Gaststätte aus dem Jahr 1740.

Das Glashaus ist eine ehemalige Gaststätte aus dem Jahr 1740.

Foto: Glashaus/Kerstin Krämer

Und so reicht das Spektrum von originellen Rock-Pop-Covern über Latin, Blues und Jazz aus eigener Feder oder irisch-bretonische Klänge bis zu exotisch instrumentiertem, orientalischem Liedgut. Ein weiterer neuer fester Termin ist die Akustik-Session mit Reggae, Welt- und Ethnomusik an jedem 1. Sonntagnachmittag im Monat; daneben laufen verschiedene künstlerische Workshops, Lesungen, Film- und Märchenabende und Kunstausstellungen. Auch internationale Jugendworkcamps fanden hier bereits statt, sogar als Drehort diente das Glashaus schon: Jörn Michaely, künstlerischer Leiter des Bundesfestivals junger Film in St. Ingbert, nutzte die Kulisse für seinen Kurzfilm „Ellen und Alan“, der 2019 beim Festival in Cannes lief. Der Verein Glashaus Saarschleife ist außerdem Träger des Saarländischen Ehrenamtspreises 2016 („Saarland zum Selbermachen“) und Gründungsmitglied der 2018 ins Leben gerufenen Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Soziokultur Saar e.V.: Mit Unterstützung des Ministeriums für Bildung und Kultur will die LAG die soziokulturelle Arbeit und die Netzwerk-Bildung von Kulturschaffenden nachhaltig fördern.
www.glashaussaarschleife.de

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